Michał Waliński rec. z książki J. Dunina Papierowy bandyta. Książka kramarska i brukowa w...

4
Sonderdruck aus: JAHRBUCH FÜR VOLKSLIEDFORSCHUNG Im Auftrag des Deutschen Volksliedarchivs herausgegeben von Rolf Wilh. Brednich Zweiundzwanzigster Jahrgang ERICH SCHMIDT VERLAG Berlin 1977

description

rec. z pracy Janusza Dunina, Papierowy bandyta (1976).

Transcript of Michał Waliński rec. z książki J. Dunina Papierowy bandyta. Książka kramarska i brukowa w...

Page 1: Michał Waliński rec. z książki J. Dunina Papierowy bandyta. Książka kramarska i brukowa w Polsce. Łódź 1976 Copy

Sonderdruck aus:

JAHRBUCH

FÜR

VOLKSLIEDFORSCHUNG

Im Auftrag

des Deutschen Volksliedarchivs

herausgegeben von

Rolf Wilh. Brednich

Zweiundzwanzigster Jahrgang

E R I C H S C H M I D T V E R L A G Berlin 1977

Page 2: Michał Waliński rec. z książki J. Dunina Papierowy bandyta. Książka kramarska i brukowa w Polsce. Łódź 1976 Copy

Besprechungen

Archivs. Raksti par latviskäm problemäm. Redaktors: Edgars D u n s d o r f s . Bd. 4: Diplomätija. Dainologija. 2. Aufl. Melbourne, Australia, Pasaules brlvo latvieäu apvienlba un Kärja Zariija fonds, 1973. 184 S., Abb., mus. Not.

Der lettische Volkswiruchaftler Dr. E. Dunsdorfs gibt seit 1960 eine Reihe mit dem Titel Archivs mit Aufsätzen „Über lettische Probleme" heraus, die hauptsächlich für die lettische Emigration vorgesehen ist. Der vierte Band enthält Aufsätze aus so verschiedenen Gebieten wie Diplomatie und Dainologie (Forschungen über Volkslieder). Der Hrsg. selbst hat dazu drei Aufsätze beigesteuert. Zuerst behandelt er die bisherigen Forschungen auf dem Gebiet der Dainologie, besonders das Altersproblem (S. 41—52). Er übernimmt und unterstützt meine seinerzeit vorgelegte These, wonach man nur über das Alter der Realien, die in den Dainas genannt werden, sprechen kann. Dagegen sind in diesem Zusammen-hang seine weiteren Diskussionen über die Datierung der Realien prinzipiell belanglos. Sein zweiter Bericht betrifft eine topographische Analyse der Dainas über den Fluß Daugava (S. 115—139). Über dasselbe Thema schreibt auch K. Draviijs. Er versucht eine sachliche etymologische und semantische Erklärung des Wortes Daugava (S. 105—114). Der Hrsg. greift in seinem dritten Aufsatz „Die Dainas des Mannes und der Frau" (S. 91 bis 104) Forscher wie G. Merkel, Kr. Barons u. a. an, und mit Hilfe der statistischen Me-thode versucht er zu beweisen, daß die bis jetzt gesammelten und veröffentlichten Dainas in bezug auf die Rolle der Frau einseitig seien. Um dies zu beweisen, muß er eine unbegrün-dete und nicht zu beweisende Behauptung aufstellen, wonach „die nicht gesammelten Dainas der Männer verloren gegangen seien" (S. 103). Er verfolgt damit die weitergehende Absicht zu beweisen, daß die Dainas „nicht die lettische Geisterwelt in ihrer Ganzheit [repräsentieren]". Mit einer einseitigen statistischen Methode, ohne jedoch die sozial-psychologische und philologische Methode zu beherrschen, ist er zu dieser — milde gesagt — schiefen Ansicht gekommen. Einige sprachliche Probleme der Volkslieder betrachtet Velta Rü^e (S. 53—62). Der Journalist J . Rudzltis versucht in offensichtlicher Unkennt-nis der Tatsachen gegen J . Grlnbergs u. a. zu beweisen, Barons habe in seine Sammlung die Dainas aus der Sammlung von Wahr 1808 aufgenommen. Das hat Barons tatsächlich nicht getan. Der Band enthält auch eine Arbeit von Lidija Dunsdorfa, „Materialien zur Bibliographie der Dainas", in der die Arbeiten aus der Zeit 1944—1972 verzeichnet sind. Dieser Aufsatz hat große Bedeutung für die weitere Forschung. Die Lücken der Forschung hat sie selbst angegeben: „Die Arbeiten sind nicht nach Qualität gesondert — die Über-sicht enthält wissenschaftliche Untersuchungen wie auch populäre Schriften, die nur Dainas als Illustrationen benutzen" (S. 151). Da sie lediglich Material zu einer vollständigeren Bibliographie beibringt, ist es verständlich, daß größere Lücken und andere technische Un-ebenheiten vorhanden sind.

Janusz D u n i n , Papierowy bandyta. Książka kramarska i brukowa w Polsce [Papierbandit. Das Bänkel- und Kolportagebuch in Polen], Łódź, Wydawnictwo Łódzkie, 1974. 307 S., Abb.

Das Buch des bekannten polnischen Sammlers und Erforschers von Populärdrucken liefert den Beweis, daß die Forschung über die sogenannte „dritte Literatur" (Hernas) in Polen aus dem Schatten getreten ist. Abgesehen von vereinzelten Studien solcher Forscher wie O. Kolberg, A. Brüdener, J . St. Bystroń und besonders J . Krzyżanowski gab es bisher keine konsequent durchgeführten Untersuchungen, und erst in den letzten Jahren regte sich ein intensiveres Interesse für die Trivialliteratur (siehe vor allem

188

Page 3: Michał Waliński rec. z książki J. Dunina Papierowy bandyta. Książka kramarska i brukowa w Polsce. Łódź 1976 Copy

Besprechungen

Fernas, S. Żółkiewski, J . Maciejewski, S. Nyrkowski, B. Wieczorkiewicz). Dunin, i Werk mehr populärwissenschaftlich gehalten ist, betont eingangs, daß er „einen :n Beitrag zur Vorgeschichte der gegenwärtigen Massenkultur bieten (möchte)", ch stellt er die wichtige Frage, wie Trivialliteratur zu erforschen sei, und antwor-it der Feststellung, daß die von der Literaturtheorie für die „hohe" Literatur erarbeite-lethoden hierbei nicht angewandt werden könnten. Seiner Ansicht nach sollten nicht so das Werk selbst, sondern dessen „Schicksale" Studienobjekt sein; dafür liefere die ler Produktion, Verbreitung und Konsumtion eines Buches befaßte Wissenschaft vom landel die grundlegende Methode, derzufolge hier hauptsächlich biographisch-stati-vorgegangen worden sei. Der Verf. beschreibt mit Sorgfalt auf diese Weise die bei-enen Trivialwerke, und die gute Orientierung über die mit der Herausgabe und •eitung von Trivialliteratur verbundenen Fragen (Format und Art des Papiers, Er-iungsjahr und -ort, Auflagenhöhe und -zahl, Tätigkeit von Verlagen und Heraus-n, Kolportage, Zensur) gehört zu den stärksten Vorzügen der Arbeit. Zu bedauern lerdings, daß Dunin die bibliographischen Angaben nicht in einem gesonderten Ab-t zusammengestellt hat, denn so gehen sie unter den anderen Informationen etwas ren. Das wiegt um so mehr, als gerade von Dunin die wohl vollständigste Biblio-lie polnischer Trivialdrucke stammt, die noch immer nur in einer schwer zugäng-L Maschinenabschrift vorliegt. Bedauerlich ist auch, daß die zitierten Werke (Bänkel-•, Straßenballaden, Traumbücher, Kolportage- und Heftchenromane usw.) nicht in einer kleinen Anthologie am Schlüsse des Buches zusammengefaßt worden sind.

nins Gang durch die „dritte Literatur" beginnt bei den Bänkelliedern und Straßen-Icn, schreitet fort zu Jahrmarktserzählungen und -romanen, zu den in Polen seit 16./17. Jahrhundert außerordentlich populären Traumbüchern sowie den Kolpor-

omanen, welche sich besonders um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert entwickelten, :ndet schließlich bei den Comics und einer allgemeinen Charakteristik des Marktes für alwerke. Neben den Comics haben den Verf. insbesondere die Triviallieder interessiert, ritten Kapitel wird die Gruppe der Lieder behandelt, die meist als „Jahrmarkts-", ner-", „Bänkel-", „Kirmes-" oder „Bettlerlieder" (Bettler = herumziehender Sän-sezeichnet werden. Sie erschienen entweder auf Flugblattdrucken mit zwei bis vier in volksbuchartigen Ausgaben von 25—100 Seiten. Nach Dunin überwiegen religiöse

mit Devotional- und Gebetscharakter, ein statistisch leider nicht genau definierter id, der u. E. ganz ähnlich auch für Böhmen, Mähren, die Slowakei, Deutschland und reich zutrifft. Im Anschluß an die etwas unklare Beschreibung von Performanz Rezeption der Trivialpoesie (z. B. Liedvortrag durch den Sänger-Verkäufer, indivi-:s Singen bzw. Rezitieren ohne Melodiebegleitung, Entstehung und Entwicklung der tion von Gruppengesang bzw. -rezitation), die offensichtlich sehr von der Lied-ig abhängen, konstatiert der Verf. zu Recht, daß man über Umfang und Umlauf 'rivialausgaben während der altpolnischen Literaturepoche noch nicht viel weiß und diese erst im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts eine richtige Explosion erlebt L . Die Vorliebe des Bänkelliedes für Schreckensszenen wird vor allem mit dessen intilen Charakter erklärt, ein unserer Meinung nach allzu vereinfachter Schluß, da :r Klärung der Frage nach den Gründen der Rezeption die Hauptfunktionen dieser , die informativer, ideologischer und didaktischer Art sind, eingehender untersucht :n müssen. So entspricht der älteste Typ des Bänkelliedes, das „Zeitungslied", in >em Sinne der heutigen Zeitung. Die jüngere Straßenballade, die noch vor dem en Weltkrieg besonders in den großen Städten so beliebt war, erfüllte schon eine

andere Funktion, die wir ad hoc mythologisch nennen wollen, obwohl sie auf tisdie Elemente nidit verzichtete.

lerell stellen wir fest, daß der auf bibliographisch-buchkundliche Studien beschränkte rinkel des Verf.s ihn bei der Beantwortung gewisser mit der Trivialliteratur ver-

189

Page 4: Michał Waliński rec. z książki J. Dunina Papierowy bandyta. Książka kramarska i brukowa w Polsce. Łódź 1976 Copy

Besprechungen

bundener Spezialfragen behindert, weshalb viele seiner Schlußfolgerungen übereilt sind. Das betrifft z. B. den für die altpolnischen Triviallieder allein als möglich angesehenen Terminus „Bänkellied" (Benes), der nichts über die großen Gattungsunterschiede unter diesen Liedern aussagt. Man kann nicht einfach wie Dunin die Bezeichnung „Bettlerlied" (Bystron, Hernas) für eine der Gattungen der Trivialpoesie ablehnen, obschon es hier frei-lich noch der Lösung oft recht schwieriger Probleme bedarf. Dazu gehören die „Institu-tion" der berufsmäßig herumziehenden Bettler-Sänger, die Genese ihrer Vorführungen (siehe die mittelalterlichen Traditionen der Minstreis, Troubadours, Vaganten usw.), Art und Weise, Ort und Bedingungen des Vortrages sowie die schauspielerischen Mittel des Sängers. Nötig wäre auch eine Untersuchung der Texte unter dem Gesichtspunkt ihrer mündlichen Realisierung, bei der sich ergeben dürfte, daß die Lieder der Wandersänger, deren Anfänge bis ins Mittelalter zurückreichen, der oralen Tradition (Folklore) näher-stehen als derjenigen des erst später aufkommenden Druckes. Es stehen des weiteren an eine inhaltliche Klassifikation der „Bettlerlieder" und die Analyse ihrer Erzählstruk-turen, die mit denen der nadi Hernas mindestens seit dem 18. Jahrhundert bestehenden und zur städtischen Folklore gehörigen Straßenballaden zu vergleichen wären. Dringend geboten sind Forschungen über das Verhältnis zwischen „Bettlerliedern", Straßenballaden und Folklore auf der einen und Kunstliteratur auf der anderen Seite, ferner zwischen dem Kolportageroman und der ihm vorangehenden Straßenballade, ganz allgemein Unter-

suchungen zur historischen Poetik der einzelnen Gattungen der Trivialliteratur, ange-fangen vom ältesten Triviallied, dem „Bettlerlied", über den altpolnischen Roman, die Traumbücher, Straßenballaden und den Kolportageroman bis hin zu den Comics.

Obwohl der Verf. sein Buch als kleinen Beitrag zur Vorgeschichte der gegenwärtigen Massenkultur betrachtet, erlauben seine Methoden keinen genauen Einblick in die Kon-tinuität dieser Gattungen und Kultur. Eine Reihe von teilweise genannten Fragen be-dürfen noch einer Antwort, und oft sind Dunins Meinungen zu oberflächlich bzw. nicht genügend fundiert. Dennoch gilt bei aller vorgebrachten Kritik, daß das Buch sehr große Bedeutung für die polnischen Forschungen auf dem Gebiete der Trivialliteratur besitzt.

Sosnowiec/Polen Micha! Walinski (Red. Jürgen Dittmar)

Jadwiga J a g i e ł ł o , Polska ballada ludowa [Die polnische Volksballade]. Wrocław, Warszawa, Kraków, Gdańsk, Wydawnictwo Polskiej Akademii Nauk, 1975. 156 S.

Der Terminus ballada ludowa (Volksballade) wurde in der polnischen Folkloristik zum erstenmal im Jahre 1890 gebraucht. Die Verf. geht von der Definition J . Kleiners (1958) aus, wonach „die Volksballade eine kurze, epische, in Versform gesetzte Komposition ist, die eine ungewohnte, lyrisch gefärbte Geschichte darstellt. In ihrer meist dialogischen Form äußert sich Tendenz zur Dramatisierung der Handlung". Sie unterzieht die Balladen-texte zunächst einer morphologischen Analyse nach dem System von W. Propp (1928) und stellt fest, daß für die Ballade eine Handlung mit dem semantischen Paar „Schuld-Strafe" typisch ist: diese Charakteristik ist einer der positiven Beiträge des Buches. Die Autorin macht jedoch nicht vom gesamten System Propp Gebrauch (sie stellt z. B. keine Formeln zusammen), sondern sie benützt nur einzelne Analysekomponenten für die speziellen Schlußfolgerungen, von denen einige vorläufigen Charakter haben (z. B. anstatt des „Systems" der Personen oder Umwelt könnte man in den Balladen eher von der „Struk-tur" sprechen, usw.).

190