Die Gemeinschaft der Romänischen Roma in Wrocław - Bericht 2013

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Wrocław, Polen, November 2013

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Deutsch. 2013

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Nomada Stowarzyszenie na Rzecz Integracji Społeczeństwa WielokulturowegoNomada - Verein für multikulturelle Intergrationwww.nomada.info.plwww.roma.nomada.info.pl

BERICHT: DIE GEMEINSCHAFT DER RUMÄNISCHEN ROMA IN WROCŁAW

Wrocław, November 2013

ul. Paulińska 4/8 50 -247 Wrocław, Polandtel. +48 71 307 03 35, e-mail: [email protected] 0000342030 NIP 8982168187

Fotograf: Tomáš Rafa.Übersetzung: Lewin Di Giovine

KOOPERATION:

Wrocław, Polen, November 2013

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RUMÄNISCHE ROMA IN WROCŁAW

QUELLEN

POSITIVE PRAXIS

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Am 22. November 2013 findet die erste Verhandlung des Prozesses der Gemeinde Wrocław gegen zwanzig rumänische Roma statt, die auf Wrocławer Stadtgebiet in ei-ner provisorischen Ansiedlung wohnen und zwangsgeräumt werden sollen.

Die rumänische Roma- Gemeinschaft in Wrocław besteht momentan aus zirka hundert Personen, die in zwei Gruppen aufgeteilt sind. Sie leben in eigenständig errichteten Wohnsied-lungen auf dem Gelände der ehemaligen Schrebergärten bei der Kamieński Straße und auf dem Brachland bei der Paprotna Straße. Beide Grundstücke gehören der Gemeinde Wrocław.

Die meisten Bewohner dieser Siedlungen stammen aus der Region des Ortes Fagaras im Bezirk Brasov, Transsilvanien (Rumänien). Als Bürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (Rumänien ist seit dem 1. Januar 2007 in der Union) halten sie sich legal in Polen auf, dürfen eine legale Arbeit aufnehmen und haben das Recht auf Bildung. Vorschriftsgemäß sind sie dazu verpflichtet, ihren Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat nach drei Monaten registrieren zu lassen. Aufgrund der Abschaffung von Passkontrollen an den Binnengrenzen der EU mangelt es jedoch an Mechanismen, um den Zeitraum des Aufenthalts auf polnischem Staatsgebiet festlegen zu können. Da der Auf-enthalt nicht registriert werden kann, können die Mitglieder der Gemeinschaft weder Sozialhilfe noch die Leistungen des Bezirksarbeitsamtes in Anspruch neh-men. Um seinen Aufenthalt zu registrie-ren, muss man einer legalen Arbeit nachgehen, versichert und ange-meldet sein. Die meisten Roma der Siedlungen in Wroclaw erfül-len keine dieser Bedingungen.

1. Großbritannien - interkulturelle Bildung als Pflichtfach in den Schulen. 2. Spanien – bedingungsloses Aufenthaltsrecht in Spanien für Mitglieder der Euro-

päischen Union, zur Registrierung ist nur der Nachweis der Identität und Natio-nalität erforderlich.

3. Spanien (Cordoba) – es wurde Unterricht für Kinder während des Zeitraums or-ganisiert, in dem die Mütter in die Stadt gingen, um zu betteln.

4. Spanien (Katalonien) - “integrierter Sozialplan für Roma aus Osteuropa”, mit ei-nem Budget von 3,5 Millionen Euro pro Jahr.

5. Frankreich (Cesson) – die Behörden stellten den Roma-Familien ein Gelände zur Verfügung, deren Kinder regelmäßig die Schule besuchen.

6. Italien (Pisa) - die Stadtregierung ermöglichte den Roma auf einem zugewiese-nem Gelände in traditioneller Weise zu leben. Die Stadt legte in einem Vertrag die Aufenthaltsbedingungen auf dem Gelände fest und stellte Familienbetreuer zur Verfügung.

7. Slowakei – es wurde ein Projekt geschaffen, bei dem Häuser aus Recycling-Mate-rialien gebaut wurden. Dabei half die Roma- Gemeinschaft. Außer, dass dadurch die Lebensbedingungen gestiegen sind, hat das Projekt einen hohen pädagogi-schen Wert.

• SituationderRomaausStaatenderEU,diesieinanderenMitgliedsstaatenbewegenundansiedeln-BerichtderAgenturfürGrundrechtederEuropäischenUnionhttp://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/1100-roma-movement-infosheet_pl.pdf http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/627-Memo-Roma-movement091109_pl.pdf

• RomaandTravellerInclusioninEurope.Greenquestionsandanswers,red.KatiPietarinen:http://www.gef.eu/fileadmin/user_upload/Publications/GEF-1011_Roma_inclusion_final_for_web.pdf

• ZigeunerinRumänien(GeschichtedesXV-XIXJahrhunderts)EwaKocój,PawełLechowski:http://www.tpr.pl/post/310/ewa-kocj-pawe-lechowski-cyganie-w-rumunii-z-dziejw-tematu-wwie-kachxv-xix/

• DieRoma-FrageinderPolitikderMittel-undOsteuropäischenStaaten,Red.T.Szyszlak,PROM

• Informationen zur Arbeit des Vereins NOMADA zur Unterstützung und Zusammenarbeit mit der rumänischen Roma- Gemeinschaft in Wrocław finden Sie auf der Seite: www.roma.nomada.info.pl

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WER SIND SIE?

Anfang der neunziger Jahre er-schienen Roma in den polnischen Städ-te. Da sie sich hier illegal aufhielten, versuchten sie sich einer erkennungs-dienstlichen Behandlung zu entziehen. Deshalb wechselten sie häufig ihren Wohnort. Kontrollen durch Polizeibe-amte endeten häufig mit Abschiebun-gen nach Rumänien.

Im Jahr 1997 bestieg eine größere Romagruppe aus der Ansiedlung des wrocławer Stadtteils Tarnogaj für sie bereitgestellte Busse. Die Kontaktbe-amten erklärten, dass sie Hilfe bekom-men würden. Das war jedoch nicht die wahre Absicht. Die Gruppe wurde zu ihrer Überraschung deportiert. Ihr Hab und Gut sowie ihre Baracken wurden zerstört. Aus Vorgehen diese Art re-sultiert die derzeitige Abneigung der Roma, mit Beamten des öffentlichen Dienstes zusammenzuarbeiten. Die Ge-meinschaft der Roma bringt ihnen kein

Vertrauen entgegen. Seit dem Mittelalter waren Roma

in Rumänien Sklaven. Ihre Sklaverei wurde in der zweiten Hälfte des neun-zehnten Jahrhunderts aufgehoben. Ihre Rechte wurden denen rumäni-scher Bauern gleichgestellt, was ihnen ermöglichte den Wohnort zu wech-seln. Damals kam auch die erste große Roma – Gruppe nach Polen. Die Nach-kommen dieser Migranten stellen eine Gruppe der heutigen Roma in Polen dar.

Während der Ceausescu- Dikta-tur wurden die Roma aus den Dörfern in die Städte zwangsumgesiedelt. Vor der Umsiedlung übten die Roma tradi-tionelle Berufe wie z.B. Schmied oder Sattler aus. Danach arbeiteten die Er-wachsenen hauptsächlich in staatlichen Landwirtschaftsbetrieben (PGR), in der Saisonarbeit und als unqualifizier-te Arbeitskräfte. Die Kinder besuchten

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die Schule. Am häufigsten beendeten die Kinder nur die ersten Klassen und viele von ihnen kamen in die damals überfüllten Waisenhäuser. Nach dem Fall der Diktatur verloren die Roma massenhaft ihre Arbeit und gerieten in Armut. Schnell entstanden Armuts-ghettos. Viele Bewohner dieser Ghet-tos verließen das Land, um Arbeit zu suchen. Ein geringer Teil von ihnen kam nach Polen, unter anderem nach Wrocław. Die Roma aus Rumänien sind offiziell seit über hundert Jahren frei. Sie werden jedoch weiterhin als Bürger zweiter Klasse behandelt.

Die Roma-Siedlungen existieren an den aktuellen Standorten seit etwa drei Jahren. Vorher wohnte die Gemein-schaft, aufgeteilt in kleinere Gruppen, an anderen Orten der Stadt. Die ers-ten Mitglieder dieser Gruppen kamen Mitte der neunziger Jahren während der großen politischen Veränderungen nach Wrocław. Die Veränderungen er-möglichten die Migration in verschie-dene Länder der Europäischen Union. In Rumänien führten sie einen sesshaf-ten Lebensstil in kleinen Dörfern. Die in Wrocław wohnenden Familien stam-men ab von:

• Romungro, Roma aus Ungarn,ihre Stellung in der Kastenhierarchie

der Roma - Gemeinschaft in Rumänien war sehr niedrig;

• Kalderasch, ehemalige Roma-Elite, heutzutage degradiert, vielleicht wegen der Annahme einer neuen Le-bensweise;

• Cortorari - die sogenannten.“Zelt- Zigeuner”; eine Gruppe, die als einer der letzten bis vor kurzem im Sommer wanderte und dabei in Zelten lebte;

Die Gemeinschaft ist heterogen und vermischt, aber Fragen der Ab-stammung spielen immer noch eine wichtige Rolle. Sie kann Hierarchien und Konflikte verursachen. Die Kennt-nis von Abhängigkeitsverhältnissen aufgrund der Abstammung der einzel-nen Familien kann die Kommunikation mit der gesamte Gruppe erleichtern.

Die Gemeinschaft der Roma in Wrocław besteht aus ungefähr 80-100 Personen. In dem kleineren Lager an der Paprotna Straße wohnen ständig 20 Personen. Sowohl die Zusammen-setzung als auch die Anzahl der gesam-ten Gruppe verändern sich ständig. Die Gemeinschaft besteht aus kinderrei-chen Mehrgenerationenfamilien. Kin-der und Jugendliche machen 60% der Mitglieder aus.

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WIE WOHNEN SIE? Die rumänischen Roma in

Wrocław wohnen in Ansiedlungen be-stehend aus ein paar Duzend Baracken. Die Baracken wurden eigenhändig, mit Hilfe von recycelten Materialien (Holz-balken, Türen, Bleche, Platten) gebaut, die in Müllkontainern gefunden wur-den. Die wichtigsten Einrichtungsge-genstände der Hütten sind Betten und aus Metallfässern gebaute Öfen, die zum Heizen und Kochen verwendet werden. Strom wird von Generatoren erzeugt. Die Bedingungen, unter de-nen die Bewohner in beiden Lagern leben, sind sehr schlecht und schwer einzustufen. Am ehesten passen Be-zeichnungen wie Slums, Favelas.

Die Ansiedlung bei der Paprot-na Straße besteht aus ein paar Bara-cken. Das Gelände ist umzäunt. Da der Standort sich abseits, auf einem ge-schützten Gelände ohne direkter Nach-barschaft befindet, leben die Bewohner verhältnismäßig ruhig und fallen nicht auf.

Das zweite Lager liegt an der Ka-mieński Straße. Es ist größer und dichter besiedelt. In der Nähe stehen Wohnblöcke. Deren Bewohner emp-finden die Nachbarschaft der Roma als belastend. Als störend empfinden sie die Unordnung im Umkreis des Lagers, die unsachgemäße Müllentsorgung, die Verbrennung von Plastikmüll und die Verschmutzung der Umgebung mit Fäkalien. Außerdem wenden sich die Roma oft an ihre Nachbarn mit der Bit-

te um Wasser, Essen und Geld, was ein zunehmend größer werdendes Problem darstellt. Es kommt teilwiese zu direk-ten Konfrontationen, bei denen mal die eine Seite und mal die andere boshaft reagiert. Es herrscht ein Gefühl der Fremdheit und der Angst der Einen vor den Anderen. Es gibt keine Basis, um gesunde soziale Beziehungen herzustel-len.

Seit einigen Monaten haben die Bewohner der Ansiedlung an der Ka-mieński Straße Müllkontainer, sani-täre Einrichtungen und einen Was-seranschluss, der vom Städtischen Zentrum für Sozialhilfe (MOPS - Mie-jski Ośrodek Pomocy Społecznej) zur Verfügung gestellt wird. Das Verhältnis zwischen MOPS und den Bewohnern bewerten beide Seiten als schwierig. Verständigungsprobleme resultieren aus: mangelnder Kenntniss rechtlicher Verfahren und unzureichenden Sprach-kenntnissen der Siedlungsbewohner. Andererseits fehlt es den zuständigen Beamten an Wissen über die Besonder-heiten der Romagruppe und interkultu-reller Komunikationskompetenz.

Seit November 2011 unterhält No-mada - Verein für multikulturelle Inter-gration ständigen Kontakt mit den La-gerbewohnern. Seit Mai 2012 arbeitet Nomada mit der Organisation „Haus der Begegnung - Angelus Silesiusa“ zu-sammen, um die Lebensbedingungen der Roma- Gruppe zu verbessern.

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BILDUNG, GESUNDHEIT, ARBEIT

Ein großer Teil der Siedlungsbe-wohner in Wroclaw spricht Polnisch, kann aber weder lesen noch schreiben. Die Kinder, von denen die meisten in Polen geboren wurden, können immer schlechter Rumänisch sprechen. Die erste und wichtigste Sprache der Ge-meinschaft ist ein Romanidialekt.

Nur wenige Personen der Alters-gruppe 20-25 Jahre besuchte vor der Ausreise aus Rumänien die Grund-schule. Die Eltern wollen (wie sie es mehrmals betont haben), das sich ihre Kinder in Polen bilden. Ein Hindernis ist jedoch ihre Angst vor formellen Ver-fahren und die Übernahme von Verant-wortung. Weitere Probleme sind auch der äußerst geringe Lebensstandart der Gemeinschaft sowie die daraus resul-tierende Konzentration aller Mitglieder der Gruppe auf Tätigkeiten, die das tag-tägliche Überleben sichern. Seit Febru-ar 2013 nimmt ein Teil der Kinder im Vorschul- und Schulalter regelmäßig an inoffiziellem Unterricht teil, der auf die Bedürfnisse der Schüler zugeschnitten ist. Die Pädagogen und Pädagoginnen

von „Nomada“ verbessern die Kom-munikationsfähigkeit, unterrichten Schreiben und Lesen, erhöhen das Ni-veau der polnischen Sprache und des Allgemeinwissens..

In den meisten Fällen haben die rumänischen Roma keine Kranken-versicherung. Ihr Zugang zur Kran-kenpflege ist daher sehr begrenzt. Die schlechte gesundheitliche Situation der Roma-Familien resultiert einerseits aus dem Fehlen kostenloser ärtzlicher Behandlung und andererseits aus der schlechten Ernährung, beziehungswei-se der Unterernährung. Die Kinder ent-wickeln sich langsamer als sie sollten, die Erwachsenen leiden unter chroni-schen Krankheiten. Viele Krankheiten werden sehr spät diagnostiziert..

Die Maßnahmen des Vereins No-mada halfen im Bereich der Prävention und der ärztlichen Behandlung einiger Lagerbewohner, wobei der Schwer-punkt bei der Behandlung von Frauen (gynäkologische Untersuchungen und Betreuung während der Schwanger-schaft) und Kindern (Krankenhausau-

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fenthalte bei Infektionskrankheiten, Impfungen) lag. In lebensbedrohlichen Situationen bemühen sich die Betreu-erinnen der Roma, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, weitere medizinische Versorgung mit den Krankenhäusern oder Ärzten auszuhandeln.

Die Gemeinschaft lebt in extre-mer Armut. Ihre Häuser sind proviso-rische Baracken und können jederzeit zwangsgeräumt werden. Die unrecht-mäßig besetzten Brachflächen gehö-ren der Gemeinde Wrocław. Bei einer Räumung würde die Roma- Gruppe obdachlos werden. Eine Verbesserung ihrer Situation wird auch durch den nicht vorhandenen Zugang zum Ar-beitsmarkt erschwert. Die formelle und rechtliche Situation ist kompliziert. Au-ßerdem werden die Roma in der Gesell-schaft sehr stereotyp wahrgenommen, was einer Arbeitsaufnahme zusaätz-lich im Wege steht. Den Roma fehlt es an Grundwissen über ihre Rechte und Pflichten als Bürger der Europäischen Union. Ihre Haupteinnahmequelle ist das Betteln, was meistens Frauen und Kinder machen. Die Männer beschäf-tigten sich mit der Sammlung von Schrott. Sie reparieren und verbessern die Häuser und Geräte in der Siedlung.

AAls ihren traditionellen Beruf ge-

ben die Mitglieder der Gruppe die Me-tallverarbeitung (darunter der Bau von Metallöfen) an. Eigenhändig hergestell-te Öfen aus Metalfässern beheizen die Baracken des Romalagers in Wrocław. Jedoch stirbt dieses Können aus – ein Grund dafür ist das Fehlen von Werk-zeug. Trotz der ausdrücklichen Arbeits-bereitschaft geschieht es sehr selten, das jemand auch nur eine Gelegen-heitsarbeit bei einem polnischen Ar-beitgeber findet. Meistens werden die Roma nur für einfache Arbeiten für ein paar Stunden beschäftigt. Die Entloh-nung entspricht oft nicht dem Arbeits-aufwand.

Die meisten Rechtskonflikte mit Teilnahme von Lagerbewohnern betref-fen das Familienrecht oder Festnahmen von Personen beim Betteln. Die Fälle werden von den Betreuerinnen der Ro-ma-Familien begleitet, was aufgrund mangelnder Sprach- und Rechtskennt-nisse notwendig ist. Es kommt auch vor, dass Beamte gegenüber Roma ihre Befugnisse überschreiten. Vor dem wrocławer Familiengericht wurden ei-nige Familienrechtsfälle verhandelt. Wegen der Armut der Eltern wurden in den letzten zwei Jahren in zwei Fällen die Kinder dauerhaft weggenommen.

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WAS KANN GETAN WERDEN?

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Seit Beginn ihres Aufenthaltes in Polen (manche Personen sind schon 20 Jah-re hier) leben die rumänischen Roma ausgegrenzt. Diese Ausgrenzung wird durch verschiedene Faktoren aufrechterhalten: das sehr negative Stereotyp von Roma, Unwissenheit und Vorurteile seitens der Polen sowie Unkenntnis des polnischen Aufenthaltsrecht seitens der Roma- Gemeinschaft. Das völlige Fehlen einer Ver-ankerung im System, sowie ökonomische Ausgrenzung verhindern den Integra-tionprozess in die polnische Gesellschaft. Das nicht Vorhandensein öffentlicher Diskussion und die hartnäckige Ignoranz der Anwesenheit der Roma- Minderheit wirkt sich ebenfalls negativ auf die Beziehung der polnischen Gesellschaft mit dieser Gesellschaftsgruppe aus. Diese Beziehung ist geprägt von unzähligen Miss-verständnissen. Unabdinglich scheint es zu sein, eine Entscheidung auf Verwal-tungsebene zu fällen und dort ein Verfahren auszuarbeiten, wodurch eine syste-matische Hilfe gewährleistet wird.

SOFORT:• Hilfe bei der Arbeitsaufnahme der männlichen Bewohner – die Beschäftigung

sogar nur eines Familienmitgliedes ermöglicht es den Frauen von der Straße wegzukommen und familienversichert zu sein;

• Unterstützung beim Aufenthaltsverfahren in der Republik Polen, was eine Ar-beitsaufnahme und den Zugang zu Sozialleistungen erleichtern würde;

• Hilfe bei der Suche nach einem festen Wohnsitz, wodurch Grundbedürfnisse und eine weitere Entwicklung gewährleistet werden würde;

• langfristige Unterstützung durch Familienbetreuer – der Verein NOMADA, der seit zwei Jahren inoffiziell diese Funktion erfüllt, empfiehlt diese Art der Un-terstützung, da sie sich als sehr effektiv bei der Arbeit mit dieser Gruppe her-ausgestellt hat;

LANGFRISTIG:

• Kurse zur beruflichen Weiterbildung der Männer und Frauen; • Kurse der polnischem und rumänischen Sprache; • Bildung im Bereich Gesundheit und Ernährung; • Vorbereitung der Kinder auf den Kindergarten und Schulbesuch; • Vorbereitung der Kindergärten und Schulen zur Aufnahme dieser Kinder; • Sozialkampagne unter den Einwohnern Wroclaws (und anderer Städten) – es

ist wichtig, das sowohl mit der gesellschaftlich ausgeschlossenen Gruppe gear-beitet wird, als auch mit dem Umfeld, in das diese integriert werden soll.

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Die Maßnahmen haben Aussicht auf Erfolg, wenn drei wichtige Kriterien er-füllt werden:1. Der Dialog sollte mit allen Beteiligten geführt werden, insbesondere

mit lokalen und nationalen Behörden. Aber auch Organisationen der Zivil-gesellschaft und des Nutznießers, der in diesem Fall die rumänische Roma-Ge-meinschaft ist, sollten einbezogen werden. Die Zusammenarbeit ist sowohl in der Phase der Erstellung eines Handlungsplanes als auch während der Realisie-rung dieses Planes notwendig. Auf keinem Fall darf die Gesellschaft außer acht gelassen werden, in die die Gruppe integriert werden soll. Hier sollte es einen ständigen Dialog, entsprechende Informationen und Bildung geben.

2. Sehr wichtig sind aufeinander abgestimmte Tätigkeiten, die verschie-dene Bereiche des gesellschaftlichen Lebens der Nutznießer abdecken. Dabei sollte bei den wichtigsten Problemfeldern angefangen werden – Beschäf-tigung, Bildung, Wohnsituation und Gesundheit. Maßnahmen in nur einem Problemfeld gewährleisten nur selten positive und dauerhafte Veränderungen.

3. Die Partnerschaft der Parteien sollte sowohl vertikal als auch horizon-tal strukturiert sein. An der Verwaltung sollten alle Seiten aktiv beteiligt sein. Um langfristige Hilfe gewährleisten zu können, sollten einerseits lokale und zentrale Behörden sowie die Europäische Union, und andererseits Aktivis-ten, Freiwillige und Experten sowie Mitglieder der Roma- Gemeinschaft einge-bunden werden.

Wir haben die Erfahrung, dass große, langjährige Programme, die „von oben“ verordnet werden, nicht funktionieren. Es sollte sich auf Basisinitiativen und Or-ganisationen, die direkten Kontakt mit der Roma-Gemeinschaft haben, konzent-rieren werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, die Aktivitäten laufend zu evaluieren und der jeweiligen Situation anzupassen. Bei allen Maßnahmen ist es unabding-lich der Versuchung zu widerstehen, die Gruppe zu assimilieren, was nach pol-nischem Recht verboten ist. Es sollten solche Lösungen gefunden werden, die es den Roma erlaub ihre Identität zu bewahren und gleichzeitig in der Gesellschaft zu funktionieren.

Die vernünftigste Lösung in Wrocław und anderen Städten Polens scheint zu sein, Erfahrungen aus anderen Ländern (und Städten), die erfolgreiche Me-thoden der Zusammenarbeit mit Roma- MigrantInnen entwickelt haben, an-zuwenden. Sowohl Projektleiter als auch Teilnehmer von Projekten, die die Unterstützung dieser Bevölkerungsgruppe zum Ziel hatten, betonen, dass die Zu-sammenarbeit der verschiedenen Akteure notwendig ist. Aufgrund der besonders schwierigen Lebenssituation der Gruppe (extreme Armut, kulturelle Verschieden-heit, negatives Stereotyp der Roma) sollten Behörden, Beamte, Hilfsinstitutionen und Nichtregierungsorganisation mit der Gruppe der Nutznießer kooperieren.

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Am 22. November 2013 findet die erste Verhandlung des Prozesses der Gemeinde Wrocław gegen zwanzig rumänische Roma statt, die auf Wrocławer Stadtgebiet in ei-ner provisorischen Ansiedlung wohnen und zwangsgeräumt werden sollen.

Die rumänische Roma- Gemeinschaft in Wrocław besteht momentan aus zirka hundert Personen, die in zwei Gruppen aufgeteilt sind. Sie leben in eigenständig errichteten Wohnsied-lungen auf dem Gelände der ehemaligen Schrebergärten bei der Kamieński Straße und auf dem Brachland bei der Paprotna Straße. Beide Grundstücke gehören der Gemeinde Wrocław.

Die meisten Bewohner dieser Siedlungen stammen aus der Region des Ortes Fagaras im Bezirk Brasov, Transsilvanien (Rumänien). Als Bürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (Rumänien ist seit dem 1. Januar 2007 in der Union) halten sie sich legal in Polen auf, dürfen eine legale Arbeit aufnehmen und haben das Recht auf Bildung. Vorschriftsgemäß sind sie dazu verpflichtet, ihren Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat nach drei Monaten registrieren zu lassen. Aufgrund der Abschaffung von Passkontrollen an den Binnengrenzen der EU mangelt es jedoch an Mechanismen, um den Zeitraum des Aufenthalts auf polnischem Staatsgebiet festlegen zu können. Da der Auf-enthalt nicht registriert werden kann, können die Mitglieder der Gemeinschaft weder Sozialhilfe noch die Leistungen des Bezirksarbeitsamtes in Anspruch neh-men. Um seinen Aufenthalt zu registrie-ren, muss man einer legalen Arbeit nachgehen, versichert und ange-meldet sein. Die meisten Roma der Siedlungen in Wroclaw erfül-len keine dieser Bedingungen.

1. Großbritannien - interkulturelle Bildung als Pflichtfach in den Schulen. 2. Spanien – bedingungsloses Aufenthaltsrecht in Spanien für Mitglieder der Euro-

päischen Union, zur Registrierung ist nur der Nachweis der Identität und Natio-nalität erforderlich.

3. Spanien (Cordoba) – es wurde Unterricht für Kinder während des Zeitraums or-ganisiert, in dem die Mütter in die Stadt gingen, um zu betteln.

4. Spanien (Katalonien) - “integrierter Sozialplan für Roma aus Osteuropa”, mit ei-nem Budget von 3,5 Millionen Euro pro Jahr.

5. Frankreich (Cesson) – die Behörden stellten den Roma-Familien ein Gelände zur Verfügung, deren Kinder regelmäßig die Schule besuchen.

6. Italien (Pisa) - die Stadtregierung ermöglichte den Roma auf einem zugewiese-nem Gelände in traditioneller Weise zu leben. Die Stadt legte in einem Vertrag die Aufenthaltsbedingungen auf dem Gelände fest und stellte Familienbetreuer zur Verfügung.

7. Slowakei – es wurde ein Projekt geschaffen, bei dem Häuser aus Recycling-Mate-rialien gebaut wurden. Dabei half die Roma- Gemeinschaft. Außer, dass dadurch die Lebensbedingungen gestiegen sind, hat das Projekt einen hohen pädagogi-schen Wert.

• SituationderRomaausStaatenderEU,diesieinanderenMitgliedsstaatenbewegenundansiedeln-BerichtderAgenturfürGrundrechtederEuropäischenUnionhttp://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/1100-roma-movement-infosheet_pl.pdf http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/627-Memo-Roma-movement091109_pl.pdf

• RomaandTravellerInclusioninEurope.Greenquestionsandanswers,red.KatiPietarinen:http://www.gef.eu/fileadmin/user_upload/Publications/GEF-1011_Roma_inclusion_final_for_web.pdf

• ZigeunerinRumänien(GeschichtedesXV-XIXJahrhunderts)EwaKocój,PawełLechowski:http://www.tpr.pl/post/310/ewa-kocj-pawe-lechowski-cyganie-w-rumunii-z-dziejw-tematu-wwie-kachxv-xix/

• DieRoma-FrageinderPolitikderMittel-undOsteuropäischenStaaten,Red.T.Szyszlak,PROM

• Informationen zur Arbeit des Vereins NOMADA zur Unterstützung und Zusammenarbeit mit der rumänischen Roma- Gemeinschaft in Wrocław finden Sie auf der Seite: www.roma.nomada.info.pl

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BERICHT: DIE GEMEINSCHAFT DER RUMÄNISCHEN ROMA IN WROCŁAW

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ul. Paulińska 4/8 50 -247 Wrocław, Polandtel. +48 71 307 03 35, e-mail: [email protected] 0000342030 NIP 8982168187

Fotograf: Tomáš Rafa.Übersetzung: Lewin Di Giovine

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