Adam Wandruszka †

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Nachrufe Adam Wandruszka t 6. August 1914- 10. Juli 1997 „.Erlebte Geschichte' - für einen deutschen Historiker des Jahrganges 1914 ergeben sich Schwierigkeiten, von denen seine Väter- und Großvätetgeneration so kaum eine Vorstellung hegen konnte" - Walter Bussmann, Jahrgangskoll^ Adam Wandruszkas, hat diese Über- legungen an den Beginn seiner Abschiedsvorlesung an der Universität Karlsruhe gestellt'. Für den Österreicher Adam Wandruszka fügen sich Schwierigkeiten hinzu, für die die Generadon der Söhne und Töchter nur wenig Verständnis zeigt, ja die zu erkennen es dieser Generation der Nachkommen allzu oft an Bereitschaft fehlt. Sind nicht gerade Zeiten des Überganges für die Geschichtserkenntnis von besonderer Bedeutung? ... Sind schließlich Zeiten der Nie- derlage nicht inuper wieder auch Vorbereitungszeiten eines neuen A u f s t i ^ ? " fragte Wan- druszka im Vorwort, als er 1955 mit 18jähriger ^rspätung seine Arbeit über den Reit^patrio- tismus zur Zeit des Dreißigjährigen Kri^es endlich zur Drucklegung bringen koimte^. Zeiten des Übergangs - Zeiten der Niederlage: Die Generation von 1914 hat mehr als andere davon erMiren, hat ein Übermaß davon ertragen müssen. Als Wandruszka 1961 fiir die Festschrift zum 70. Geburtstag seines Lehrers und Mentors Michael Pfli^er eine historische Betrachtung über „1918 - Eine Zeitenwende" beisteuerte, &nd er zuletzt zu der Überlegung: „Hält man sich diese Ausgangssituation (des Zusammenbruchs), dazu die schwere materielle Not, die expo- nierte Lage Österreichs g ^ n ü b e r der revolutionären Welle aus dem Osten vor Augen, so begreift man, daß es der ganzen Gläubigkeit imd Zukunftsfieudigkeit der damaligen Jugend bedurfte, um den schweren Kampf der Selbstbehauptung überhaupt aufzunehmen."' Wan- druszka hatte wohl nicht nur das Schicksal der Generation Michael Pflieglers vor Augen, son- dern an seinen eigenen Lebensweg gedacht, als er 1961 diesen Satz niederschrieb - zwei Jahre, nachdem endlich seine Ernennung zum Ordinarius an der Universität Köln den 45jährigen Journalisten an das Ziel jenes wissenschafUichen W^es gebracht hatte, den er allen politischen Verstrickungen zum Trotz durch Krieg und Kriegsgefangenschaft hindurch und unter dem Druck redaktioneller Zeitungstermine mit Beharrlichkeit und - Zukunftsgläubigkeit unbeirr- ' Walter B u s s m a n n , Politik und Kri^fiihrung. Erlebte Geschichte und der Beruf des Histo- rii<ers, in: Fridericiana. Zeitschrift der Universität Karlsruhe, Heft 32 (1983) 3-16, S. 3. ^ Reichspatriotismus und Reichspolitik zur Zeit des Prager Friedens von 1635. Eine Studie zur Geschichte des deutschen Nationalbewußtseins (Veröflfentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 17, Graz, Köln 1955), 7f. ' 1918 - Eine Zeitenwende? in: Custos quid de noae? österreichisches Geistesleben seit der Jahr- hundertwende. Michael Pfli^er zur Vollendung seines 70. Lebensjahres von Schülern und Freunden dargeboten (herausg. v. Karl Rudolf und Leopold Lentner, Wien 1961) 1-6, S. 6. MIÖG 106(1998) Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst Library Authenticated Download Date | 10/22/14 4:01 AM

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Adam Wandruszka t 6. August 1 9 1 4 - 10. Juli 1997

„.Erlebte Geschichte' - für einen deutschen Historiker des Jahrganges 1914 ergeben sich Schwierigkeiten, von denen seine Väter- und Großvätetgeneration so kaum eine Vorstellung hegen konnte" - Walter Bussmann, Jahrgangskoll^ Adam Wandruszkas, hat diese Über-legungen an den Beginn seiner Abschiedsvorlesung an der Universität Karlsruhe gestellt'. Für den Österreicher Adam Wandruszka fügen sich Schwierigkeiten hinzu, für die die Generadon der Söhne und Töchter nur wenig Verständnis zeigt, ja die zu erkennen es dieser Generation der Nachkommen allzu oft an Bereitschaft fehlt. Sind nicht gerade Zeiten des Überganges für die Geschichtserkenntnis von besonderer Bedeutung? ... Sind schließlich Zeiten der Nie-derlage nicht inuper wieder auch Vorbereitungszeiten eines neuen Aufs t i^?" fragte Wan-druszka im Vorwort, als er 1955 mit 18jähriger ^rspätung seine Arbeit über den Reit^patrio-tismus zur Zeit des Dreißigjährigen Kri^es endlich zur Drucklegung bringen koimte^. Zeiten des Übergangs - Zeiten der Niederlage: Die Generation von 1914 hat mehr als andere davon erMiren, hat ein Übermaß davon ertragen müssen. Als Wandruszka 1961 fiir die Festschrift zum 70. Geburtstag seines Lehrers und Mentors Michael Pfl i^er eine historische Betrachtung über „1918 - Eine Zeitenwende" beisteuerte, &nd er zuletzt zu der Überlegung: „Hält man sich diese Ausgangssituation (des Zusammenbruchs), dazu die schwere materielle Not, die expo-nierte Lage Österreichs g ^ n ü b e r der revolutionären Welle aus dem Osten vor Augen, so begreift man, daß es der ganzen Gläubigkeit imd Zukunftsfieudigkeit der damaligen Jugend bedurfte, um den schweren Kampf der Selbstbehauptung überhaupt aufzunehmen."' Wan-druszka hatte wohl nicht nur das Schicksal der Generation Michael Pflieglers vor Augen, son-dern an seinen eigenen Lebensweg gedacht, als er 1961 diesen Satz niederschrieb - zwei Jahre, nachdem endlich seine Ernennung zum Ordinarius an der Universität Köln den 45jährigen Journalisten an das Ziel jenes wissenschafUichen W^es gebracht hatte, den er allen politischen Verstrickungen zum Trotz durch Krieg und Kriegsgefangenschaft hindurch und unter dem Druck redaktioneller Zeitungstermine mit Beharrlichkeit und - Zukunftsgläubigkeit unbeirr-

' Walter B u s s m a n n , Politik und Kri^fiihrung. Erlebte Geschichte und der Beruf des Histo-rii<ers, in: Fridericiana. Zeitschrift der Universität Karlsruhe, Heft 32 (1983) 3-16, S. 3.

^ Reichspatriotismus und Reichspolitik zur Zeit des Prager Friedens von 1635. Eine Studie zur Geschichte des deutschen Nationalbewußtseins (Veröflfentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 17, Graz, Köln 1955), 7f.

' 1918 - Eine Zeitenwende? in: Custos quid de noae? österreichisches Geistesleben seit der Jahr-hundertwende. Michael Pf l i^er zur Vollendung seines 70. Lebensjahres von Schülern und Freunden dargeboten (herausg. v. Karl Rudolf und Leopold Lentner, Wien 1961) 1-6, S. 6.

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bar gegangen war. Vielleicht sollte man das Wort „unbeirrbar" nicht verwenden, wenn man den Lebensweg eines Angehörigen des Jahrganges 1914 nachzuzeichnen sucht, einer Generation, für die das Won „Schicksal" in der Einordnung in die Geschichte dieses Jahrhunderts wohl seine Berechtigimg hat wie fiiir wenige andere unserer Zeit.

Als dem Major Alois Wandruszka am 6. August 1914, nur wenige Tage nach Kriegsaus-bruch, in Lemberg der zweite Sohn geboren wurde, da gab er ihm den Namen Adam, weil er der erste Sproß der Familie sein sollte, der im erneuerten Österreich geboren war - so zukunfts-gläubig war der Offizier der kaiserlichen Armee, in dessen eigener Familiengeschichte und der Geschichte der Familie seiner Frau sich die Vielfalt der Völker und Nationen des Habsburger-reiches widerspiegelte, wobei in beiden Familien es zumeist die Frauen waren, die italienisches Erbe und italienische Tradition einbrachten. Nur kurze Zeit nach der Gebun des Sohnes Adam vertrieben die Kriegsereignisse die Familie aus Lemberg, schon 1916 fiel der Vater in der Nähe der Stadt, aus der er seine Frau gewonnen hatte, im Kampf gegen jenes Italien, mit dem ihn so viele Familienbeziehungen verbanden, und das neue Osterreich, in dem sich der Sohn nach Ende des Weltkrieges fand, war so völlig anders, als es sich der Vater bei Kriegsausbruch er-träumt hatte.

Gewiß, die Brüder Mario und Adam Wandruszka und ihre ältere Schwester haben die Not und das Elend, die das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit gebracht hatten, nicht unmittelbar erfehren (nicht zuletzt, weil die künsderische Begabung der Mutter vermochte, die karge Witwenpension aufzubessern und den Kindern eine gesicherte Jugend zu bieten), aber sie mußten einfach von dem Bewußtsein der Krisen geprägt sein, in denen sich das Nachkriegs-österreich der zwanziger Jahre immer wieder fand. Trotz allem Bemühen, die Vergangenheit zu bewältigen, ist es der österreichischen Politik und der österreichischen Geschichtsforschung bis heute noch nicht gelungen, das Problem der Identität Klein-Österreichs zu lösen, ganz wesent-lich dadurch bedingt, daß die historisch-politische Publizistik die deutschnauonale Kompo-nente des österreichertums verleugnet und damit die Möglichkeit verbinden, die Geschichte Österreichs zwischen den beiden Weltkriegen aus ihrer sozialen wie wirtschaftlichen Bedingt-heit und ihrer geistigen Prägung zu verstehen. Die Geschichte des Weges zur Zerstörung der Demokratie und zum Anschluß müßte eine Geschichte der Mentalität sein, geschrieben aus den Bekenntnissen jener, die damals diesen Irrweg gegangen sind.

Adam Wandruszka zählte zu den wenigen Österreichern, die nach 1945 ihre Vergangenheit nicht beschönigt oder gar verleugnet haben, sondern offen zugaben, daß sie Nationalsozialisten waren. Es gehörte viel Mut und innere Ehrlichkeit gegenüber sich selbst zu diesem Bekenntnis - oder war es die Berufung als Historiker, die Wandruszka erkennen ließ, daß man als Wissen-schaftler das Bild der Vergangenheit nicht aus subjektiven Gründen verfälschen dürfe? Wie auch immer, seine Ehrlichkeit gibt uns die Möglichkeit aufzuzeigen, wie die Verstrickung seiner Generation in Faschismus und Nationalsozialismus sich vollzogen hat, und jene Blockade der historischen Einsicht zu überwinden, die in jener judiziellen Haltung der Sieger begründet liegt, aus der heraus die Zugehörigkeit zur nationalsozialistischen Organisation kriminalisiert vmrde, statt sie als ideologisches Versagen in den Gesamtzusammenhang des politischen Ge-schehens der beiden Jahrzehnte zwischen den Weltkriegen einzuordnen. Wandruszka und seine Generation waren Gefolgsleute des Nationalsozialismus geworden, weil sie auf Grund ihrer hi-storischen Bildung Österreich nur im deutschen Raum, nur als Exponent einer deutschen Auf-gabe in Mitteleuropa zu sehen gelernt hatten. Im Anschluß an das Deutsche Reich sollte das kleine Österreich der Antipode Preußens sein - es spielte manche Reminiszenz an die Tradition von 1848 in diesen idealistischen Wunschvorstellungen verhängnisvoll mit.

In dem Widerstreit dieser Ideen hatte zu Ausgang der 1920er Jahre der Mittelschüler Wan-druszka seine ideelle Heimat im Umfeld der Jugendbewegung gesucht, war er - nicht zuletzt durch persönliche Freundschaft geleitet - zur SA gestoßen und dann in der Illegalität weiter ak-

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riv gelieben. Nach der Matura im Sommer 1932 begann er an der Universität Wien Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren und war schon bald von dem damals das Fach Geschichte an der Universität Wien dominierenden Dreigestim Srbik, Bauer, Hirsch angezo-gen, wobei er schon in den ersten Semestern von Vortrag wie Interpretation der Lehrveranstal-tungen Heinrich v. Srbiks besonders beeinflußt wurde. Wie stark die Wirkung Srbiks auf Wan-druszka wurde, wie sehr Wandruszka als d e r Schüler Srbiks gesehen werden muß, bezeugt die einfühlende Würdigung, die er zum 100. Geburtstag seines Lehrers dessen Leben und Werk in einer Feier der Wiener Akademie der Wissenschaften gewidmet hat^. Von Srbik erhielt Wan-druszka das Thema seiner Dissertation über Karl Moering', an der er in den Jahren 1935/36 ar-beitete, gleichzeitig aber auch den Kurs des Instituts für österreichische Geschichtsforschung besuchte, wo er nach Fertigstellung der Dissertation als Hausarbeit das Thema „Reichspatrio-tismus und Reichspolitik zur Zeit des Prager Friedens von 1635" als zweite wissenschafUiche Arbeit fertigstellte^. Im September 1936 war Wandruszka nach Ablegung der Rigprosen bei Srbik, Hirsch und Sedlmayr zum Dr. phil. promoviert worden, im Jänner 1939 hane er die Abschlußprüfung zum Kurs des Instituts für österreichische Geschichtsforschung abgelegt und im März 1938 ein Stipendium der deutschen Forschung^meinschaft zur Ausarbeitung seiner Arbeit über den Reichspatriotismus angetreten. Die Weltereignisse machten die Pläne einer wissenschafyichen LauiWw schnell zunichte, im Herbst 1938 mußte der junge Historiker ein-rücken, im Frankreich-Feldzug wurde er verwundet. Vom Wehrdienst freigestellt, ging Wan-druszka noch eiiunal zur wissenschaftlichen Arbeit zurück, wurde am Deutschen Historischen Institut in Rom als Forschungsassistent angestellt, doch schon bald wieder, vor allem seiner Kenntnisse des Italienischen w ^ n , von den Zwängen des Krieges eingeholt. Dem deutschen Afrikakorps zugeteilt, geriet Wandruszka im Frühjahr 1943 in amerikanische Gefangenschaft, aus der er 1946 in die Heimat zurückkehrte. Es war im Lager Concoidia im Staate Kansas in den USA, wo Wandruszka gewissermaßen seine akademische Lehrtätigkeit begann - zu seinen Hörem zählte damals Karl Dietrich Bracher, den Wandruszka gerne als seinen ersten Schüler gerühmt hat.

Nach Österreich heimgekehrt, fand Wandruszka Unterkunft bei seiner Schwester in Inns-bruck, wo er zunächst als Gärtner arbeitete. So viel in den letzten Jahren auch schon über die „Wiedergeburt Österreichs" geforscht und geschrieben wuide - die Geschichte des Sich-Fin-dens jener Generation, die erkennen mußte, wie unrecht sie gehabt, getan hat, ist nicht nur nicht geschrieben, sie ist überhaupt nicht bedacht, aus der Erinnerung und damit vielleicht sogar aus der Geschichte verdrängt.

Persönliche Verbindungen halfen Wandruszka, als Journalist Fuß zu fjssen, Kontakte nach Wien wurden hergestellt, zur „Furche" und zur neubegründeten „Presse", in deren Redaktion er schließlich nach seiner Rückkehr nach Wien die materielle Sicherheit einer festen Anstellung gewann, wo er einige Jahre nach der Umwandlung der Wochen- zur Tageszeitung 1953 zum Leiter der außenpolitischen Redaktion avancierte - und 1958 zum Jubiläum eine Geschichte ihrer für Österreich und den Südosten fuhrenden Vorläuferin, der „Neuen Freien Presse" schrieb^. Schon vorher war Wandruszka einer Familientradition gefolgt und hatte - eine Italie-nerin geheiratet, Lina Fessia, eine AngÜstin, die er 1947 als Teilnehmer des ersten Kurses des Seminars in American Studies in Schloß Leopoldskron bei Salzbui^ kennengelernt hatte. Fami-

Heinrich Riner von Srbik - Leben und Werk, in: Anzeiger der phil.-hisc. Klasse der österreichi-schen Akademie der Wissenschaften, Bd. 115 (1978), Nr. 1-12 (Wien 1979) 352-365.

^ Karl Moering, Ein deutscher Soldat und Politiker aus dem alten Osterreich. Masch. Phil. Diss. Wien 1936. Abgedruckt in: MIÖG 53 (1939) 79-185.

' Siehe Anm. 2. ' Geschichte einer Zeitung. Das Schicksal der „Presse" und der „Neuen Freien Presse" von 1848 zur

Zweiten Republik (Wien 1958).

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lientradition. Ehe, persönliches Erleben der italienischen Gegenwan während der Kriegsjahre und Interesse an italienischer Geschichte seit seiner Arbeit an seiner Dissertation wirkten zu-sammen, um Wandruszka in den folgenden Jahren zum Bindeglied und zum Verminier zwi-schen österreichischem und italienischem Journalismus und später zwischen österreichischer und italienischer Geschichtswissenschaft werden zu lassen'.

Wandruszka entfaltete eine rege journalistische Tätigkeit, nicht nur in der „Presse" und an-deren österreichischen Blättern, sondern auch als Korrespondent italienischer Zeitungen. Und doch war der Wunsch nach wissenschaftlicher Arbeit nicht aufgegeben. Noch in der Innsbruk-ker Zeit hatte Wandruszka die Beziehung zu seinem verehrten Lehrer Srbik aufgenommen, der in Ehtwald Zuflucht gefiinden hane und ihn zur Weiterarbeit in der Geschichtsforschung er-munterte; nach Wien zurückgekehrt, wandte er sich der Fertigstellung des von ihm in Rom be-gonnenen Bandes der Nuntiaturberichte aus Deutschland zu und b e g ^ n bei den nun das Fach Geschichte betreuenden Professoren der Universität wegen der Möglichkeit einer Habilitation zu sondieren. Aber „reichliche und r^elmäßige Mitarbeit an Zeitungen ist auch heute in den Augen der zünftigen Fachgelehrten ein Verdachtsgnmd gegen die wissenschaftliche Gründlich-keit" hane Konrad Biutiach 1923 geschrieben'; in Österreich war diese Beobachtung auch drei-ßig Jahre später noch gültig. Der Verfasser dieses Aufsatzes war Ohrenzeuge, als Leo Santifaller im Herbst 1953 auf die vorsichtige A n f i ^ e von Hugo Hantsch nach einem Habilitationsver-fähren fiir Wandruszka mit der Feststellung reagierte: „Der schreibt viel zu gut, um wirklich ein gründlicher Forscher sein zu können!" Die wissenschaftlichen Arbeiten, die Wandruszka in den folgenden Jahren vorlegte, die Edition der Nuntiaturberichte, die überarbeitete Fassung seiner Institutsarbeit, vor allem aber sein inzwischen zimi Klassiker der österreichischen Paneige-schichte gewordener Beitrag über „Österreichs politische Struktur" in der von Heinrich Bene-dikt herausg^ebenen „Geschichte der Republik Österreich" überzeugten die Zunft, und mit der letztgenannten Schrift habilitiene sich Wandruszka im Jahre 1955 für Geschichte der Neu-zeit an der Universität Wien'®. Doch eine weitere wissenschaftliche Karriere an einer österrei-chischen Universität schien aussichtslos, nicht weil man ihm seine journalistische Tätigkeit, wohl eher, weil man ihm seine politische Vergangenheit nicht verzeihen wollte - oder waren es doch noch andere Gründe? Es ist auffidlend und sollte wissenschafbgeschichdich in seinen Fol-gewirkungen untersucht werden, daß das Nachkriegsösterreich jene Kapazitäten, die, aus wel-chen Gründen und in welcher Form auch immer, aus dem österreichischen Universitätsleben exiliert worden waren, erst dann in die Heimat zurückholte, wenn sie in ihrem Gastland sich zur Ruhe setzten, und gleichzeitig tatenlos zusah, wenn jüngere Kräfte die Heimat verließen: der brain drain der 1950er Jahre hane nicht nur in der Attraktivität des westdeutschen Wirt-schaftswunders seine Ursache. Auch Wandruszka ging den Weg in die Bundesrepublik, im Jahre 1959 wurde er auf den Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Köln berufen, und seltsam: der Historiker, den man in Wien gerne mit dem Etikett eines längst überwundenen Jugendengagements klassifizierte, wurde in Köln zum Repräsentan-ten Österreichs in seiner Person und seiner Art, in seinem politischen Engagement imd seinem wissenschaftlichen Oeuvre. So oft es seine Verpflichtungen zuließen, fuhr er nach Wien (als ty-pischer Wiener hane er seine Wohnung behalten), um in den Schätzen der Archive zu forschen. Drei Versuche, ihn zu Beginn der sechziger Jahre nach Österreich zurückzuholen, scheiterten,

' Österreich und Italien seit dem Zweiten Weltkrieg. Persönliche Erinnerungen eines „Beschwich-tigungshofiats", in: Gerhard Botz , Hans H a u t m a n n , Helmut K o n r a d , Geschichte und Gesell-schaft. Festschrift für Karl R. Stadler zum 60. Gebunstag (Linz 1974) 163-186.

' Konrad B u r d a c h, Wissenschaft und Journalismus. Betrachtungen über und für Hermann Bahr. Preußische Jahrbücher 193 (1923) Heft 1, 17-31, S. 17.

Österreichs politische Struktur. Die Entwicklung der Parteien und politischen Bewegungen, in: Geschichte der Republik Österreich (herausg. v. Heinrich Benedikt, Wien 1954) 289-485.

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doch nach dem Tode Alphons Lhotskys übernahm er im Jahre 1969 den Lehrstuhl fiir österrei-chische Geschichte an der Universität Wien, eng verbunden mit dem Institut für österreichi-sche Geschichtsforschung, dessen Absolvent zu sein er immer mit besonderem Stolz betonte.

Nach seiner Rückkehr nach Wien war Wandruszka praktisch in allen Gremien, welche Forschung und Lehre in österreichischer Geschichte betreuen, tätig, in vielen Fällen in führen-der Position: und er hat zahlreiche Ehrungen im Inland wie im Ausland erfahren, die aufzuzäh-len zu weit fuhren würde. Doch einige wenige Tätigkeitsbereiche seien herausgehoben, weil sie die Schwerpunkte seines Wirkens charakterisieren und weil sie die Würdigung seines wissen-schafUichen Wirkens ermöglichen:

Von 1971 bis 1985 war Wandruszka Vorsitzender der Südostdeutschen Historischen Kom-mission, von 1972 bis 1984 war er Herausgeber der österreichischen Hochschulzeitung, nach dem Tode von Hugo Hantsch war er bis 1995 Vorsitzender jener Kommission der österreichi-schen Akademie der Wissenschaften, welche die große, vielbändige Geschichte der „Habsbur-germonarchie 1848-1918" herausgibt und hat in dieser Funktion entscheidend mi^ewirkt, die Zusammenarbeit mit den Historikern der Nachfolgestaaten zu fördern. Er war M i ^ i e d der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Seit Mitte der 1950er Jahre nahm Wandruszka regelmäßig an den Tagungen des Istituto per la storia del Ri-sorgimento italiano teil, glänzte mit seinen Vorträgen und Diskussionsbeitiägcn, war von allen Lagern der italienischen Geschichtswissenschaft geachteter Vertreter Österreichs und mit den fuhrenden italienischen Historikern, wie Valsecchi, Valiani, Ghisalberd, Filipuzzi befietmdet. Wie sehr er von seilen der italienischen Geschichtswissenschaft geschätzt wurde, bele^ auch das Faktiun, daß er als erster österreichischer Historiker zum Mitglied der Accademia dei Lincei in Rom gewählt worden war. Wandruszka war Gründungsmi^ed des Istituto storico italo-germanico in Trient und hat als Präsident des wissenschaftlichen Beirats dieses Instituts nicht nur prägend das Forschungs-, Tagungs- und Publikationsprogramm gestaltet, sondern auch da-für Soi^e getragen, daß die nachrückenden Generationen österreichischer Historiker in die Ar-beit des Instituts einbezogen wurden. Als Vorsitzender des Kuratoriums fiir das österreichische Historische Institut in Rom war Wandruszka im Rahmen der Akademie der Wissenschaften für die Lenkung der Forschungsaufj^ben dieses traditionsreichen römischen Instituts zuständig. Nur kurze Zeit nach seiner Berufung an die Universität Wien hat er nach einer publizistischen Diskussion mit Ettore Petta im „Corriere della Sera" über die Mißverständnisse und Mißdeu-tungen der Geschichte zwischen Italienern und Österreichern österreicfiisch-italienische Histo-rikergespräche organisiert, die dem Ausgleich der nationalen G<^ensätze dienen sollten. Mitder zu sein zwischen italienischer und deutscher Kultur, Vetmitder zwischen österreichischen und italienischen, politischen wie historischen Gegensätzen, beizutragen zur Überwindung histo-risch bedingter Ressenriments, war Wandruszkas persönlichstes Anli^en.

Und doch: so sehr Wandruszka sich als Italocante verstand, so sehr er sich um die Zusam-menarbeit italienischer und österreichischer Historiker bemüht und verdient gemacht und ganz entscheidend dazu beigetragen hat, die beiderseitige Haltung der „Etbfeindschaft" zu überwin-den (die „Doppelconference" zur österreichischen und italienischen Geschichte, das „bilaterale Geschichtsbuch", das er gemeinsam mit Silvio Furlani schrieb, ist die Frucht dieser Bemühun-gen") letzten Endes stand nicht Italien im Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Interesses, sondern Österreich und hier wieder war es die Frage nach den Möglichkeiten und Wirklichkei-ten einer Erneuerung, einer Reform des Habsburgerreiches.

Es ist bemerkenswert, daß diese Thematik schon in seiner ersten wissenschaftlichen Arbeit, seiner Dissertarion zur Diskussion stand: gewiß, Wandruszka hat dieses Thema nicht selbst gewählt, es wurde ihm von seinem Lehrer Srbik gestellt, doch in der Lebensgeschichte Karl

" Silvio F u r l a n i und Adam W a n d r u s z k a , Österreich und Italien. Ein bilaterales Geschichts-buch (Wien, München 1973).

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Moerings, „des deutschen Soldaten und Politikers aus dem alten Österreich", wie es im Unter-titel heißt, lassen sich bereits jene drei Elemente feststellen, die für den Historiker Wandruszka charakteristisch geworden sind: das Thema der Reform - charakteristischerweise hat auch der Genieleutnant Karl Moering seinen jugendlichen Radikalismus, der sich in seiner oppositionel-len Schrift „Sibyllinische Bücher aus Österreich" niederschlug, in gemäßigte konstruktive Re-formarbeit umgewandelt, der vor allem die militänechnische Erneuerung seines Vaterlandes am Herzen lag; die Beziehung zu Italien, wo Moering in den verschiedensten Positionen in den habsburgischen Ländern Italiens tätig war; und Kenntnis der technischen wie konstitutionellen Modernität der Vereinigten Staaten von Amerika.

Seine erste Anerkennung als Historiker erhielt Wandruszka allerdings mit einem anderen Thema: für die Geschichte der Ersten Republik, ein Sammelwerk, das unter der Leitung Hein-rich Benedikts 1954 herausg^eben wurde, hatte Wandruszka es übernommen, den Abschnitt über die politischen Parteien zu bearbeiten. Es war ein heikles Tliema, denn noch waten Mitte der 1950er Jahre jene Wunden nicht vernarbt, die die weltanschauliche Feindschaft der Zwi-schenkriegszeit geschlagen hane. Doch Wandruszka vermochte nicht nur in au^eichender , den Intentionen aller Parteien gerecht werdender Interpretation gleichsam die erste überpanei-liche Geschichte der Parteien zu schreiben, sondern er hat mit seiner These von den drei „La-gern" der österreichischen Massenpaneien, des chrisdichsozialen, sozialdemokratischen und deutsch-nationalen Lagers, von denen jedes ein Element des Erbes des österreichischen Libera-lismus fortführte und die sich in militanter Ideologie bekämpften, die Grundstruktur des öster-reichischen Paneiwesens bloßgelegt. Die österreichische Innenpolitik der Zwischenkriegszeit blieb eines der Forschungsgebiete Wandruszkas, zu dem er immer wieder zurückkehrte, wie etwa als Mitherausgeber der Protokolle des österreichischen Ministerrates'^ oder mit seinem Aufsatz über Bundeskanzler Schober". Das Hauptgewicht seiner Forschungstätigkeit verlagerte sich allerdings noch im selben Jahr, in dem seine Lager-These allgemeine Anerkennung fand, auf eine andere Periode der österreichischen Geschichte. Über Wunsch eines Verlages hatte er ein - wie er es später immer wieder bescheiden nannte - „kleines Büchlein", „Das Haus Habs-burg. Die Geschichte einer europäischen Dynastie" geschrieben - für ein historisch interessier-tes Publikum eher als für die Fachwelt. Es ist seither mehrfiich übersetzt, in Neuauflagen und als Taschenbuch erschienen, weil es nicht nur zu den lesenswertesten, sondern auch zu den les-barsten Geschichtswerken zählt'^, ein Buch, das deutlich herausarbeitet, welche Bedeutung den Herrschern aus dem Hause Habsburg für die kulturelle und wirtschaftliche Einigung des euro-päischen Südostens zugekommen ist.

Daß Wandruszka nicht nur ein guter Geschichtsschreiber, sondern auch ein gründlicher Geschichtsforscher war, zeigt sein Hauptwerk, die zweibändige Biographie Leopolds IL" . Sie hatte ihren Ursprung in dem Habsburgerbuch, als Wandruszka mit Verwunderung feststellte daß es für den jüngeren Sohn Maria Theresias, der im italienischen Geschichtsbild seinen fe-sten Platz als Repräsentant des aufgeklärten Absolutismus hat, keine wissenschafdich erforschte Biographie gab. Die Arbeiten an der Biographie Pietro Leopoldos führten Wandruszka mitten hinein in die Untersuchung der Reformen des 18. Jahrhunderts, die Biographie Leopolds wurde zum Leitfaden, der durch die Zeitströmungen des Jahrhunderts führte, immer wieder wurde in der Schilderung des Lebenslaufes die Wechselwirkung mit den Tendenzen der Zeit er-

Protokolle des Ministerrats der Ersten Republik 1918-1938 (herausg. v. Rudolf Neck und Adam Wandruszka, Wien 1980ff.).

" Johannes Schober 1874-1932, in: Die österreichischen Bundeskanzler. Leben und Werk (herausg. v. Friedrich Weissensteiner und Erika Weinzierl, Wien 1983).

Das Haus Habsburg. Die Geschichte einer europäischen Dynastie (Wien 1978). " Leopold II. Erzherzog von Österreich, Großherzog von Toskana, König von Ungarn und Böh-

men, Römischer Kaiser. Bd 1 (1747-1780), Bd. 2 (1780-1792) (Wien, München 1963-1965).

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kennbar: Carl Anton Martini, der große Jurist, als Lehrer des jungen Fürsten; die Physiokraten und die Auswirkungen ihrer Lehre auf die wirtschaftlichen und administrativen Reformen in der Toskana; Reform des Sanitätswesens, Interesse für Naturwissenschaften, das toskanische Verfässungsprojekt von 1779 - Liebe zu biographischem Detail und Einsicht in die grofSen Linien der Geistes- und Kulturgeschichte formten ein eindrucksvolles Bild des Zeitalters der Reformen. Wandruszka sah das Konstruktive, das Positive der historischen Leistung im aufge-klärten Absolutismus, auch die kleine Schrift über „Maria Theresia. Die große Kaiserin" ist aus dieser Haltung geschrieben'^.

Diese seine Haltung, Weltanschauung könnte man sagen, die - vielleicht aus der Einsicht seines persönlichen Lebens gewonnene - Überzeugung, daß nicht der Radikalismus, sondern die Moderation die eigentliche historische Kraft ist, fand seine eindrucksvolle Formulierung in einem kurzen Diskussionsbeitrag im Rahmen des Internationalen Historikerkongresses in Wien im Sommer 1965, der an sehr versteckter Stelle gedruckt ist'^: In der Sektion, die der Ge-schichte der Revolutionen gewidmet war und in der Redner aller weltanschaulichen Lager das Loblied von der schöpferischen Kraft der Revolutionen sangen, hatte Wandruszka den Mut, aufzustehen und die Frage aufzuwerfen, ob nicht die Revolutionen mit ihrer Gewalt und Zer-störung weit mehr Unheil angerichtet, die Entwicklung unterbrochen, ja zurückgeworfen ha-ben, als wirklich Neues zu schaffen. Und er wies auf den Tenor der Französischen Revolution hin, der Angst und Schrecken verbreitete, wodurch die seit der Jahrhundertmitte eingeführten Reformen in ihrer Wirksamkeit um Jahrzehnte gehemmt, nicht gefördert worden sind.

In all den kleinen Schriften, die als Nebenprodukt der Leopold-Biographie im Laufe der Jahre erschienen sind, erwies sich Wandruszka immer wieder als typischer Vertreter der Wiener Historiker-Schule: gründliche Forschung in Archiv und Literatur, solide Verankerung seiner Aussagen in konkreten Quellen und Dokumenten (wobei Wandruszka sehr wohl die Bedeu-tung von Bild und Bauten als Zeugnisse des Geschehens und der Mentalität zu schätzen wußte), die Bereitschaft, aus den erarbeiteten Fakten interpretative Schlüsse zu ziehen, das war seine An der Geschichtswissenschaft, der abstrakten Hieorie stand er immer fremd, ja abwei-send gegenüber, das Philosophieren über Geschichte überließ er anderen. Doch so oft er sich -auf den ersten Blick betrachtet - im antiquarischen Aufstöbern zu verlieren schien, virie etwa bei der Entzifferung des Geheimtagebuches Leopolds, eine Leistung, auf die er mit Recht beson-ders stolz war", oder bei der Analyse des Freskenzyklus der „Pietas Austriaca" in Florenz", er-gibt die nähere Betrachtung, daß das vermeindiche Detail nur deshalb aufgegriffen worden war, weil es symptomatisch ist, etwas Wesendiches dokiunentien. „Seine Forschungs- und Darstel-lungsmethode war wesendich bestimmt durch den in seiner Jugend am Institut für österreichi-sche Geschichtsforschung ausgebildeten Stil scharfsinniger kritischer Einzeluntersuchungen ... So kann man auch die Leistung der großen Werke nur verstehen auf dem geistigen Unterbau der unzähligen Einzeluntersuchungen", so urteilte Wandruszka über den von ihm verehrten Lehrer Heinrich v. Srbik^". Wenn diese Aussage hier für ihn selbst übernommen wird, so des-halb, weil Wandruszka mehr noch als von dem Stil des Instituts für österreichische Geschichts-forschung von Heinrich v. Srbik geprägt worden ist. In einem kurzen Rückblick auf seinen

" Maria Theresia. Die große Kaiserin (Persönlichkeit und Geschichte 110, Göttingen 1980). " Comit^ International des Sciences Historiques. Xlle Congris International des Sciences Histo-

riques, Vlenne, 29 Acut - 5 Septembre 1965, Vol V. Actes, 548-549. " Die „Geheimstenographie" Leopolds II., in: Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Studien zur

Geschichte. Wilhelm Treue zum 60. Geburtstag (herausg. v. Karl-Heinz Manegold, München 1969), 64-68.

" Ein Freskenzyklus der „Pietas Austriaca" in Florenz. Mitteilungen des österreichischen Staats-archivs 15 (1962) 495-499.

® Heinrich Ritter von Srbik - Leben und Werk (wie Anm. 4) 363.

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Page 8: Adam Wandruszka †

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Werdegang, in „Persönliche Erinnerungen eines Beschwichtigungshofiats"^', hat Wandruszka ein Scherzwort Ono Brunners zitierend, der Srbik „eine Art österreichischen Beschwichti-gungshofrat in der deutschen Geschichtswissenschaft" genannt hane, den Gedanken geäußert: „Insofeme bin ich vielleicht doch auch ein echter Srbik-Schüler, als ich mich im Laufe meines Lebens immer wieder in der manchmal eher unbequemen Position des .österreichischen Be-schwichdgungshofrats' . . . zwischen gegensätzlichen Positionen befend". Tatsächlich hat Wan-druszka dieses ausgleichende Abwägen des „Sowohl - als auch", diese Grundhaltung der Ge-rechtigkeit, des Gerecht-sein-Wollens gegenüber anderen Positionen von seinem Lehrer über-nonunen, vielleicht sogar zu weit getrieben. Als Forscher wie als Lehrer war Wandruszka von dem Wunsch beseelt, nicht abzuuneilen, sondern zu verstehen, vor allem tolerant zu sein in ei-ner Zeit, in der eine jüngere Generation von Historikern wieder geneigt ist, in der Intoleranz ihrer Urteile, ja Venineilungen, Extrempositionen zu beziehen. Lag die Grundhaltung des „Verstehens", die Wandruszka auszeichnete, in der Weisheit des um die Relativität der Erkennt-nisse wissenden Historikers begründet - oder entsprang sie den Erfährungen des eigenen Le-bens, in dem er gesehen hat, vvrie Ungerechtigkeit, Unduldsamkeit gegenüber Andersdenken-den und Andersartigen, Unverstand gegenüber dem Fremden eine ganze Generation in schreckUche und schuldhafte Handlungen verstrickt hat?

Erlebte Geschichte — fiir einen österreichischen Historiker des Jahrgangs 1914 ergaben sich aus den Wechselfiillen des Geschehens, in denen er in seinem Leben hin- und hergeworfen wor-den war, Erftdirungen, die ihn nach-sichtig machten im Uneil über vergangene Perioden. Die umstrittene Geschichte Österreichs mit ausgleichendem Verstehen der darin wirkenden Ge-gensätze zu schreiben und zu lehren, immer wieder als Historiker auch publizistisch Stellung in aktuellen Fragen zu nehmen - das war die wissenschafUiche Haltung, aus der heraus Adam Wandruszka sich engagierte bis zu dem Augenblick, als ihn kurz vor seinem 80. Geburtstag eine Erkrankung aus seiner rasdosen Tätigkeit riß. Doch umsorgt von seiner zweiten Gattin, Helga Haupt, blieb er in wacher Anteilnahme dem wissenschaftlichen wie politischen Gesche-hen bis zuletzt verbunden. Er war ein im Ausland wie in der Heimat hoch geachteter Vertreter der österreichischen Geschichtswissenschaft und Verkünder der Größe der österreichischen Ge-schichte^^

Fritz F e l l n e r

Österreich und Italien seit dem Zweiten Weltkrieg (wie Anm. 8) 165. " Dieser Nachruf ist eine geringfügig veränderte und ergänzte Fassung der aus Anlaß des 70. Ge-

burtstags von Adam Wandruszka im Südostdeutschen Archiv 26/27 (1983/84) 5-14 erschienenen Wür-digung.

MIÖG 106(1998) Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

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