August von Cieszkowski - Prolegomena zur Historiosophie (1838)

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~~J.P y o 1 e g* o me B a

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*1

PROLEGOMENA

X~R HtSTORt~SOPMME

VONN

AUGU8T voN CIESZKOWSKI.

BERLIN, 1838.

BKt 1 VRtT T tJNn n CO M P.

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.-r––1

1. Kapitel.

Wtpj~amtamtKatte~ ~Vet~esetttettte.

Die Menschheit hat endlich die Stufe ihres Selbst-

bewusstseins etTeicht, dass sie nunmehr die Gesetze

ihres normalen Fortschrittes und ihrer Entwicklung

keinesweges für Ausgetmrten der Seibsttauschung

eifriger Geistesforscher, sondern wesenthch fur wahr-

hafte Bestimmungen des absoluten Gedankens Got-

tes, für die Manifestation der objectiven Vernunft

in der Weltgeschichte erkennt. Die blosse Auf-

stellung und partielle Durchführung dieses Principesist schon ein grosses Resultat, ganz unserer Epoche

wûrdig, und ihrem Character und Bedùrfoiss am

meisten entsprechend. Aber obgteich wir erst an-

fangen, uns in dem Labyrinthe der Geschichte zu-

recht zu finden, obgteich wir bereits viele Grund-

tagen der Nothwendigkeit ihrer Phasen erkannt

und viele abstracte und besondere Verhaltnisse be-

reits entrâthseh haben; so müssen wir doch im

Allgemeinen eingestehen, dass dieses Resultat haupt-sacMich bis jetzt formell und nurdei'Moglich-keit nach erreicht worden ist. Was dagegen seine

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fuhrung; hctritrt, soDurcit- und Ausfuhrung betritrt, so wie die Au!-

stellung des ganzen tnhaites und die ganztiche Lo-

sung des Tota)prob)ems, ungeachtet der vieten

Schatze, die uns die Philosophie schon vorbereitet

hat; so sind wir noch weit von dersetben entfernt,

d.h. die Mcnschheit hat wohlbegriiTsmassig

diespé-culative Nothwendigkeit und Regeimassigkeit dièses

Foi-tschrittës ëingesehèn, aber diesë!be bis jét~tnoch nicht ~irkHch und seinëm BegritTe gemas~dm'ch déh ganzen thhatt der Geschichte durchge-fûhi't. Sogar der Her~ôs der neuesten Phitosôphië,dei* die vehvickettesten Gedanken-Metam6i~hl~eBin ihrëtu téinen Et<eth€nt, so ~ie aûch în deren

Mà~iféstatiohen it) der rëaten We!t durchforscht

hat, verniochte das We~eh semer Dia!ektik, wetcheser in den Bësondërhe!teh der iGeschtchte matchs

gtucM!ch durcht'ahrte, n~cht !n detn Hàuptriss ihper

Entwicktung, im aUgemëmënund organischen Ver-taufiht'èrtdëe zû ~ërfdtgen, ungeachtet det' ~ross~n

Vërdtenst~, dits èr auf d'ettt I~e!de der PM!osophièdei' Geschichte sich erworbën hat, gte!chsam ats

ob er absichtiich m dieserLebënsfrag~derMensch-heit sëiheh Weg, sëinen Standpù'nkt Und semé

Ehtdeckungen Verlassen woHt'e. Manchër Uebër~gang aus einer Spharë in die andere, die Fo!~en

tterEpbchen undVotkër auf  ëinander; so \vie thren

ge'gënsèitigen Nexus steHt er vortreinich dar; abet

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Welt. Er erkannte jedoch hald, dass das Wesen

Grieciteniands so bedeutend von))rumischen ahste-

che, dass es unmogiich sey, beide Spharen zu

vereinigen, und dass wenigstens solcher Unterschied

zwischen ihnen vorwaite, wie in analoger Weise

zwischen dem Orient und Griecherdand. Eine noch

grësserc Schwierigkeit aber ~m'e die gewesen, dass

der Annahme dieser drci Epochen sogleich der

Vorwurf  entgegentrat, dass wir uns doch noch nicht

am Ende der Geschichte bennden und dass es des-

wegen nicht ertaubt seyn konne, die Geschichte so

zu schliessen und môgUchen Weiterentwicklungenallen Platz zu versagen weit eher ware umgekehrtmit Herbart anzunchmen, dass die bisherige Ge-schichte selbst nur ein

Anfang sey,was

 jedocheben so wenig zutassig ist. Diese Bemerkunghatte schon hinreichen kônnen, ein solches Fach-

werk zu zersturen. Der wichtigste Grund aber,der für dièse Eintheilung Heget's gegeben werden

kann, wâre das Herrschen der Tetrachotomie

in der Natur und im Aeusserlichen ûberhaupt, wo

das zweite Moment sich wieder in sich entzweit,und dadurch die Totalitat als eine Vierheit erscheint.

Hierauf ist die Antwort sehrleicht; denn die We!t-

geschichte ist doch keine Naturstufe, und dieser

hôchste Process des Geistes kann keinesweges das

Geschick der Aeusserlichkeit theilen, P)ato hat

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diess im Timaeus sehr tief  aufgef'asst, wenn er

sagt, dass das Feste zwei Mitten habe, aber

eben nur das Feste, und nicht das absolut Sich-

Bewegende, welches der Weltgeist ist. Weiter

steht Gnecheniand mit Rom -in keinem so gespann-ten Gegensatz Verhaltnisse wie es seyn müsste,

wenn es eine gebrochene Mitte und uberhauptein Gegensatz im Gegensatze ware. Ausserdem aber

kehrt hier wiederum der Einwand zuruck: ,,AIs o istt

es bei dieser vierten Période mit der Ge-

schichte aus, aiso hat die Menschheit ihr

letztes Stadium erreicht"; und dieser Ein-

wand ist, wie gesagt, nicht von der Hand zu wei-

sen. Deswegen nehmen endlich Einige, welche die

speculative Unangemessenheit der viergtiedrigen

Eintheilung einsehen, zu einer anderen Entschuldi-

gung ihre Zuflucht, um die Schwache des Meisters

zu einem Vorzuge zu stempeln, indem sie sa-

gen, dass eben in dieser Besonderheit sich die

Kraft seines Geistes glanzend offenbare, da er,

sich an kein Schema bindend und keine gezwun-

gene apriorische Construction aufsteUend, gar nicht

den tnhatt der Wettgeschichte in die vorausgegos-senen Formen eines pedantischen Schematismus

einzwang, sondern dem freien Laufe der Wirklich-

keit zu huldigen wusste. Daraut mussen wir ent-

gegnen Entweder sind die Gesetze der Dialektik

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aUgemein und unumstossiich, und dann sollten sie

doch in der Geschichte ihre reaten Manifesta-

tionen nnden; oder sie sind schwach, partiellund ungenugsam, und dann dtirfen sie sich auch

in anderen Spharen des Wissens nicht oitenba-

reh, und ùberaU mûsste ihre Deduction aller Noth-

wendigkeit enthehren. Aber diese Gesetze tra-

gen in sich selbst das Kriterium ihrer Noth-

wendigkeit deswegen wird die Geschichte, die-

sér Prùfstein àllér Specutationen, uns dieselben

~M&~cc~<f/TH~/M in der Sphare der T hâte n

ôiTenbaren mûssen. So !ange dièse Gesetze aber

in der Gesehichte ihrer aHergenauesten Réalisation

entbehren, so lange sind sie ihrer sichersten StùtZë

bëraubt. Wenn also die

Phitosophiedieselben in

der Geschichte nicht constatirt, begeht sie entwe-

der einen Setbstmord oder einen Kindesmord, ih-

d'em sie entweder sic!) seibst stûrS!tôder ihre Co-

rôllarien vernic!i)et. Die Absicht abër, einem pe-dantischen ScheTnatis<husàuszuweichen und dadurch

èine vermeinttiche Freiheit aufrëcht zü erhaitën,~ahn in diesem Fatte nur far eine Sëibsttausc!)unggette'n, oder ist in der That nur eine ohnmachtigeAusnucht.

Jedèr,wetcher ein

PrinCip aufste))t, istdamit gezwungen, dessen ausserste Consequenzan-

zuerkennen, wobei es ganz gieichgûttig ist, ob er

selbst oder ein Andrer sic zieht; '<vëhe ihm, wéhn

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dasResultat seinPrincip umsturzt; Ehre aber, ewigeEhre, wenMdas Résultat, xu welchem er vIeHeicht

selbst nicht g~iangt ist, ixader Folge die neue Ent-

deckung best:itiget. Diess isL ebepsowohlHegel'sLoos wie aller derer, welche wir mjederHinsicIttt

gross nennenkOnuen. Et' ~etbst hat zwar nicht ver-

mocht,aUeConseque!)zenseinesStandpunktpsdurch-

zuiuhren, doch thut diess seinem Verdje~stenichtden genog'sten AbbfHch;¡ u~d .derjentge, iwjB~bereinen erkannteti Mangei in .sèmentSystem austuUt,oder sogar einen weiterepJFortschrittaus diesem

Stundpunkte normal entwickeit, wird oluneZweifet

dadurch Hegel's Genius weit mehr imj.digen,ats

der, welcher nur eineAufrechterhattung seiner un-

antastbarenUeberUeferungenbezwef~kt.Und k~nate

der, wetcherdjeGesetae derEntwicktung so kt'ai-

tig deducirt, und dieselben m der Genesis der

Ideen nachgewiesen hat, sich gegen sein eigeu.esWerk strauben?11 DieTotalitat der Weltgeschichte ist also d~rch-aus und absolut unter die spéculative Trichoto-

mie zuiassen, aber, um derFreiheit derEntwick-

iung keineri Abbruch zu thun, ist es kein Theil 1

derGeschichte~ etwader

verflossene,sonderneben

deren Totalitat, die so speculativundorganisch

aufgefasst werden muss. Die Totalitât der Ge-

schichte muss aber bestehen aus der Vergangen-

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heit und aus der Zukunft, aus dem bcreits durch-

gemachten und dem noch durchzumachenden Wege,und daraus entsteht als erste Forderung: die Er-

kenntniss des Wesens der Zukuntt für die Spe-cù}ation zu vindiciren.

Es giebt auch in der Wissenschaft Vonn'theUe,

seiche die ungiûcktiche Eigenschaft haben, sogarbei den krâftigsten Geistern Wurzel zu fassen und

natùrtich den weiteren Fortgang zu tahmen. Wie

oft haben solche theoretische Vorurtheile das Le-

bendigeerstickt, und dieMenschheit dessen beraubt,was gleich dahinter sich vorfand! Konnte irgendJemand von solchen Vorurtheilen frei seyn, so war

es ohne Z\veifel der speculative Geist Hegel's; aber

gerade auf  diesem Punkte verrath dersetbe eine

solche Anomalie. Obgleich er nicht alle Conse-

quenzen seiner Entdeckungen aufstellen konnte,und so noch vieles zu thun ûbrig iiess; so hat er

doch nirgends der Mogtichkeit eines weiteren

Fortganges praejudicirt, so dass seine Fehler fastimmer nur privativ, nicht aber absolut negativsind. Aber eben in der Philosophie der Geschichtehat er so einem negativen Vorurtheil gehuldigt,welches, wie natürlich und unumstossiich es auch

scheinen konnte, nichts desto weniger die normale

Auffassung hinderte. Er hat namjich in seinem

Werke mit keiner Sytbe der Zukunft erwahnt;

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und sogar war es seine Me i n u n g dass die Phi-

losophie in der Ergrundung der Geschichte nur

eine ruckwirkende Kraft besitzen kônne, die Zukunft

aber ganziich aus dem Bereiche der Speculationauszuschliessen sey. Wir unsrerseits müssen jedoch

von vorn herein behaupten, dass ohne die Er-kennbarkeit der Zukunft, ohne die Zukunft

ats einen integrirenden Theil der Geschichte,welche die Realisation der Bestimmung der Mensch-

heit darstellt, unmüglich zum Erkeünen der orga-nischen und ideellen Totatitat, so wie des apo-diktischen Processes der Weltgeschichte zu gelan-gen ist. Darum ist dieFeststettung derErkennbarkeitder Zukunft eine unentbehrliche Vorfrage fur

den Organismus der Geschichte; denn mit der Un-erkennbarkeit der Zukunft bei Hegel hat es die-

selbe Bewandtniss, wie auf dem kritischen Stand-

punkt Kant's mit der Unerreichbarkeit des Absoluten

ûberhaupt, nur mit dem Unterschiede, dass dieses

bei Kant das nothwendige Resultat seines Stand-

punktés und Systems war, wahrend es bei Hegelausserlich hereingebracht und so in der ganzen

Folge storend ist. Wie also die spatere Philoso-

phie auf dem Felde der reinen Speculation wagte,diese Beschrankung Kant's zu durchbrechen, so ist

es jetzt die Bestimmung der Philosophie der Ge-

schichte, dieses analoge Vorurtheil Hegel's ebenfalls

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zu uberschreiteh; und wie wir ohne dièse erste

Durchbrechung nie zum absolutenErkennen in der

PhHosôphieuberhaupt getangenkonnten, so konnenwir ohne <Iie zweitenie das absotute Erkennen inder Philosophie der Gescluchte eiïeichen. Dnr&e

auch in der That dièse Fordepungwertnessenundparadox erscheinen, so ist sie es doch ubet'hauptnicht imehT .aïs die, welciM.den grossenSieg ûber

die knitische Philosophie errang, Wénn es atso

in der Môgiichkeit der VernUnft!iegt, das Wesem

Gottes, der Freiheit und der Unsterbiichkeit zu

ertâssen!, warnm sollte das Wesen der Zukunft

ans dieser Moglichkeitausgeschtossehbieiben? Wir

tègen hier hauptsachUGhden Accentaufdas We s Ctn,

wei*l nur dièses und gerade m diesem F~U der(~ëgenstand der Philosophie seynkann;denn das

nothWendigeW:esenkamisich in einer unendlichen

Me~ge~vonseyenden ZufaHigkeiten oiTenba-t-en,ivelche !!hmerwfHkûhrUchbteiben mussenUtmddaher in ihren Emzeinheiten mcht vorauszusehen

!sind)die aber istetsals das wurdigeunddem Wesen

adaequateReceptacu~umdes tTinemund AMgemeinenerscheinen müssen. Hierih Hegt eben der Vor-

zug der Vergamgenheithinsichtiich der phitiosophi-

schen Ergrûndungder Thaten, weil wir das, wash'i nt er unsschon entwicketttiegt, ats Gesetztesin allen seinenEinzetnheiten durchschauen und so-

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t, i-ff):]-mit bewundernkônn~ ,'wie tfefHich&io das'Ticfe

undAHgemeMe,was sich itt ihr beSndét,ofFenbaftund wie angeinëssendas Seyende seMW'esMt aus-dt*Hc'kt.'MinsichtMchder Z~kunfta]ber kSnnen wirdur das We s en des Fortschfittes ûb~rhattpt ei--

grûnden, indemdie Mt~tichkeit"det' Reattsation~6i6h, die F~eihëtt und ~i'e FuHe'des Gei~s ao

grossisty dass wlr imm~ in Geiah< 'së~nk~nneir,van der besoMdei['6nWit'Mich'k~iteM~ëder ~ibef-trb~eû oder nuf  gëtat~cht zuWrdën. Bei'dieser

Firâge, sd wie 'be! jedM-logischenEt'gr<H'tduft~mU~sën wir genau die' Sphar~ der A'H~en'tëinheitundNoth~ëndigkeit vôh <~ 'der BesûMdeirh'eitUM'dZù-

faHigkeitunterscheiden, um ttachher'in~dët~wahren

Verta'ui'edes~ei~tes 'die concpet~~ynth&tischeFrei-hcit aU~uiasse~ J'edes W~~e~ tau~s ersëh'eitteh';àbei-~ié es Sëtbst Ëi~tS' Uïfdnothwetidig ist, sb istdi~eAt'tsemerOfTenbarUttgviëtfach'UMld!wi'HkuhrtiHh,ùt)d ~enti es nicht M dieser ForM iind Wei8e,~0 wird es in jener ge~chéhen: wenn nient die~ef Ort und diësës Indrvtduun~ MGhda~u eigttet, so~ëi'deh ATïdere~dazttbe~tiuMnitwerdenu.'s. Aûf 

dieser UMersch~i'dungberuhtâ!s<'y die 'KIuft zwiLscheftdëm apec~Mven Er'kennen dei'-~uk~hfit i

und  jenen einz~MenVorauSsagungen, die 'n~tremEm!tr:ithselndërZuku'nft(/)~<M~~), à'bërkëihes-

wegesein Vor~issëti (/?~~8.y<~yi<&)'dèrSëIb&!i'seyn

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kônnen. Es kommtuns nicht auf dasErrathen dieseroder jener Besonderheit, auf das Voraussageneines

bestimmtenHelden oder einer That an: sondern

darauf, dass die eigentlicheNatur der Menschheit

erforscht, die Gesetze ihres Fortschrittes bestimmt,

dessenManifestationenin der Geschichte vernünf-tig erkannt, der zurùckgelegteWegin sich und in

seIneinVerhattnisszum ku.n&igenabgeschatzt, end-

lich die Periodendièses fortwahrenden Sichgestal-tens mitihren bestimmteninhaltigenTypen, welchedie gesetzte Réalisation der der Menschheit ~'r-

tualiter eingepragten Etemente sind, festgesetztwerden; und diess ist gerade das eigentliche Ge-

schâftdeF Philosophie.

Fur Feststellung der Moglichkeit der Er-kennbarkeit der Zukunft mogen nachfolgendeBe-

merkungen dienen. Bekannttich veriangteCuviernur einen einzigenZahn, um ans diesem den gan-zen Organismuseines antediluvianischenThieres zu

erforschen. Es straubte sich Niemand gegen eineso paradoxeBehauptung, und die Naturwissenschaf-

ten, in denen gewôhntich alle apriorische Specu-tationen Verhohntwerden und welche nur der Em-

pirie glauben wotlen, verwandelten,anstatt ihmdenVorwurf einerVermessenheitzu machen, seineBe-

hauptung in ein Axiom, weilsie erkannten,dassdieselbe auf den tiefstenBegriS'der Natur gegrun-

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del'enWipkiichkeit uber: d.h.,wi)'mussennach-

weisen, wie das Bew~sstsein wit'kiichdazu kommt,dieses Erkennen sich anzueigneH.

Die Zukunft kann ûberhaupt dfeifach detèr~

minirt wepdeh: durch das SeRih!, dul'ch das Den-

ken und durch den WiUen. Die ers te Determi-

nationist die unmittelbare, natiiriiche, Minde, zu-

funige: daher erfasst!sie meistentheUsnur die'Par-

ticutaritatèn des Seins, einzeIneFacta; – ~ié wird

ahnentl, – sie erzeugt die Sebei') die Prophe-ten. Darum sagt Paufus sehf tief: Unser Weis-

sagen ist Stûckwerk. (t.Cor. 13, 9 etc.!J) Die

zweiteDetermiDation iat einerefleotirte, gëdachte,

theoretische, bewusste, noth'wendige;– daher ev-

p!are gan~tich ior der Zufa!!igkeit zuruck~wetohës Exemplar ebeh

sich ~n eine Menge wUIkuMicher Be~ondGrhoiten auëbreitet, um

naçhher durch semVergchcn wiederum der Nothwendigkeit,Platzzu Aiabhen; und isô ins fhiëMHche fort. – Aûf def anderrt ~ëtte

dagpgen offenbart d<!)sA~saereinattdërseiti und! die Ver~prrctt~itder Natur nur ihre Zufa!Iigt:eit, wahrend deren Nothwendigkeittind aUgemëinës Band nur dem Bcwùsstscih (tes Forsc~ers si~

adfschtt<Ssst. Die Nothwendigkeit, und ;die ZufaHigkeit erscheinen

atso hier ak immer getrennter, nicht aufzulospnder Wjidcrsprucb.Ërst im 6eiste wird dieser ConOict versohnt. Jedes GÏicd des

Gegehsatzës'Wit'd

gleich 'bercchtigtMndthut i!a:s

Seinigë,~)mdie

Tota.litat no)-malzu gestalten, w~retid auf  dep fr~iCKon Stuf~n jedes Moment cntwcdcr unterdt'uckt wurde, oder unterdruckte.Die Natttrnoth~~digkett Mso~ist nur Mnseitig, die Gëtsteshoth~

wet)digkcit.a.bt'rspe'cu!ativ-concret; 'wc~we.gen'aile IndcctioD,enaus der Natorphilosophie in der Philosophie des Geistes ihre

A!)'<vendung(indehko~nen, a~er nith't'uïhgekchrt.i:

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l'asst sie meistentheils die Angemeinheit des Ge

dankens, die Gesetze, das Wesentliche, sie er-

zeugt die Phitosophen der Geschichte. Hier

hort das Stuckwerk auf, wir erkennen nicht

mehr rathseihaft, sondern klar. (L Cor. 13, 12.)

Die dritte Détermination ist endlich die wirklich-praktische, angewandte, voUfuhrte, spontané, ge-wollte, freie daher umfasstsie die ganze Sphureder That, die Facta und ihre Bedeutung, die

Theorie und die Praxis, den Begriff und seine Re-

atitat, und erzeugt die Vollführer der Ge-

schichte. Wenn wir nun aber nach dem Krite-

rium dieser drei Determinationen fragen, so hat

die erste dasselbe ausser sich in der âusserlich

seienden VoUbringungder Verheissung; die zweitehat es in sich, in der Apodikticitât der Gesetze

des Denkens; die dritte aber hat es sowohl in

sich als ausser sich in der objectiven ReaHsi-

rung einer subjectiv bewussten Teleologie. Die

erste ist dem Alterthume eigen, wo das Denkennoch nicht so entwickelt war, und wodie Mensch-heit mehr instinctartig lebte; diess Vorgeûihtalso erzeugtedas,waswirHistoriopneustie oder

Historiomantik nennen konnen. Die zweiteist unseren Zeiten eigen, denn seit dem Auftretendes Christenthumshaben wirkeine Propheten mehr;wir haben aber denkende e Geister, weit die

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Wahrheit durch dasselbe in die Welt gekom-menist, wahrend das AlterthumnurbiszurSchon-

hei t in ihrenverschiedenenModificationengelangte;daher kommenwir jetzt zurHistoriosophic,

und die versiegetien Bûcher Daniels wer-den durch diese Philosophie der Geschichte ge-

oft'net, weil sie nurbis zurvorbestimmten

Zeit, als viele Forscher darüber kommen

werden, und die Wissenschaft sich ver-

mehren wird, versiegelt hleiben soUten. –

(Dan.Xn, 4.). Die dritte Détermination endlich

gehërt der Zukunft an, sie wird das objective,wirktiche Realisiren der erkannten Wahrheit; und

das ist eben das Gute, d.h. das Practische, wet-ches das Theoretische schon in sich enthatt.

Man wird uns vielleicht entgegnen, dass gerade

umgekehrt das Bewusstsein, anstatt den Begeben-heiten vorauszueiten, wie wir es hier bestimmt

haben, denselben gewohnHcherst nachkommt,wo-

durch eben die Begebenheiten erktart und ver-

klart werden. Das ist allerdings sehr wahr,s oba t d wir eine hochst wichtige Unterscheidung

zwischen den Factis oder Thatsachen und deneigentlichen Thaten machen werden, welche, ob-

gleich sie synonym scheinen, doch ganz hétéro-

gène Bestimmungen sind, deren Unterscheidungvon der grossten Wichtigkeit ist. Tha t s a ch e n

2

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~cnnctt wh' dicieni!(fac.ta) namiïch ncnncn wi)' diejenigen passiven

Begebenheiten, die wir gleichsam vorSnden, und

zu wetchen wir uns ganz gtëichgultig verhaltcn,

etwas Daseiendes ohne unsère Mitwirkong und

onser Bewusstsein. Zu diesen muss frei!ich das

Hewusstsein iunzutreten, um sie in diesein)~e))umzuwandetn' und in diesem;:lussct'!t&!t€n J~ascin

em inneres Wesenzu pffoi'sc~Gh. That (ac~M/M)aber ist etwas ganz Andet'es; 6s ist nicht.~nehr

dieses unmittelbare Ereigniss, welches ~Ir bfos auf-

zunebmen und in uns zu reiieetit'en hatten, es istt

schon renecth't, schon vennitteit, schon gedacht,

vorgesetzt und dann vollfuhrt; es ist eine

active Begebenheit, die ganz die uhsrige ist,–

nicht mehr frëmd, sondern schon be~usst, noch

ehe sie verwirkticht wurde. Man kann a)so sagen,dass die Facta natùrtiche Begfbenheiten., die

Thaten aber künstliche sind. Die Facta bitden

eineunbewùsste, also vorthëoretische, die ~Tha-

t8H<aber eine bewusste, atso nachtheorétisehë é

Praxis; weH die Theorie zwischen diese beidë e

Praktiken in die' Mitte tritt, welche letztere,nan'n!ich:die nachthcoretische Praxis, aïs die~ahre

Synthesis des Theoretischen und des unmitteibar

Praktischen, des Subjectiven und Objectiven sichuns oiTenbart, indem das Thun ùbérhaupt diewahre substantieUe Synthesis des Seins und

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1!)

2'

Denkens ist.*) Davon nusfuhriicher im dntten

CapiteL–Wenn wir also die Sphare des Vorge~ihts,

welches demBewusstsem vorausg'ehen musste, langstnberschritten haben, wenn wh' uns bereits in

der Spharedes Wissens

befinden,und

zwar auf dem Punkte, wo das Bewusstsein durch die Hi-

s tor t o sophie eben gamz dieser vortheocetischen

Praxis adaquat wird, sd ist hier ein U m e bl a e n

In das Entgegengesetzte unausweichbar, namiich,

dass das Bewusstsein die Facta ûbereHe, ~ind~ nach~

dem es einen Vorsprung gewonnen hat, die wahre

That erze~ge, namHch die nachtheoretische Praxis,

die derZukù~ft aT)helmfâ)!enwird. Mit derReife

des Bewusstsems ist also eiTlWendGpunMt de rThatsaehen eingetreten, welcher die Facta in

Thaten umzuwaMde!nMat. So istatsogezeigt~ dass

dasBewiisstsein wirkiich zu dieëemWendepunkt

ge!angt, aùf we)chem es sowoht rûckwarts aisvor-

warts schauen kann; um ';die TotaMtat der Welt =

geschichte ztt darchdenken,was ebeTt j e t z t durchdie HIstoriosopMe geschieht. iSo sëhen wir also,

dass die GëscMchte irktich die drei tnstanzen der

Ahnung, des Bewusstseins und .der Thatdurchschreitet,und erst dadurch erkennenwir, wa-

*)DiessistderGrunddcsYon BaIIanche undAnderenbeobach-

tetenVorsprungs der ~o~~M:'OM~vor den ,,Sitteh (~<oe~

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rum bis jetzt die Vergangenheit so trûbe gewesen

ist, warum die Gegenwart AHes mit dem Lichte

der Wahrheit beteuchtet, und warum die Zukunft

so hestimmt bewusst und eigenkraftig sich ent-

wicketn wird. Wenn namjich die Vergangenheit

sich naturUchund gleichsam zufâ!tig darstellte, sodass erst post y~c~M/Mdie Fûgung der Vorsebungzu erkennen war, so soll die Menschheit jetzt,nachdem sie ihr wahres Selbstbewusstsein erreicht,

gleichsam kunst- und ideengemass ihre wahrhaft

eigenen Thaten nunmehr vollbringen, womit kei-

nesweges gesagt werden soll, dass die Vorsehungaus der Geschichte heraustreten und dieselbeihrem eigenen Loose überlassen so!te, sondern

nur, dass die Menschheit selbst eben zu dieserReife gelange, wobei ihre eigenen Bestimmungenganz identisch mit dem gottlichenPlane derVorse-

bungwerden, und dass in so fern die wettgeschicht-lichen Individuen, diese Helden, welche die. Na-tionen vorstellen,. und dieselben so reprasentiren,dass ihre eigenen Biographien fugnch fur allge-meine Geschichtegelten kônnen, nichtmehrbUndee

Werkz e u g e, sei es nun des ZuMs oder der

Nothwendigkeit,sondern bewusste Werkmei-s t er ihrer eigenenFreiheit sein soHen, Nur dann

erst kann Gottes Wille so auf  Erden, wie imHi mme 1 geschehen, d. h., mitLiebe, Bewusstse'n,

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Freiheit, wiihreud er sich bis hieher durchGot-

tes Allmacht, ohne setbstbewusste und

seibstbestimmende Mitwirkung derMensch-

heit verwirkMchte.

Nachdem wir die abst rareté MogHchkeit und

Wirktichkeit der Erkennbarkeit der Zukunft gezeigt

haben, (denn ihre specieU-substantieiie und

bestimmte Nachweisung kann nur nach derwirk-

lichen Ausffihrung des GeschichtsstoB's kommen,)

gehen wir endlich zu deren Nothwendigkeit

über, woraus sich uns erst das hoherePrincip des

Organismus der Geschichte klar ergeben wlrd. Von

diesem hôheren Princip des Organismus ist das

Principdet Erkennbarkeit der Zukunft nur ein b e-

sonderer Fall, und aus jenem werden wir erst

die Inhahskategorien der Weltgeschichte, dann aber

ihren wahren teleologischen Process, entwickeln

konnen.

Die Menschheit hat die Bestimmung, ihren !`

Begriff zu realisiren, und die Geschichte ist eben

die Durchfûhrung dieses Realisirungspro cesses. Die

Frucht dieser Entwicklung kann aber erst am Ende

erreichtwerden,

alle frûheren Stadien sind also nur

Vorbereitungen und Praemissen, aus deren

Gesammtheit der grosse Syllogismus des Wcitgei-stes besteht. Dieser Process ist also eine bestimmte

Ganzheit, undwenn es bloss auf das Formelle der

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Progression ankame, so künnten wir, indem wir

das Bewusstseiu so vieler Jahrjmnderte ihres Laufes

b~sitzeh, die ubrigen Glieder dieser Progressionmit mathematischer Gewissheit feststellen. Da aber

der, ~veltgeschichttiche Process sich nicht auf  eine

so abstracte, fonnelte und gleichsam quantitative

Fartbitdung beschrankt, gondern quditativ-substan-ticUe Bestimmungen fortwahrend entwickelt;, eben

desswegen Iconnen nns hier soiGhe mathematische

hiductionen nicht ganz gemigen, wenn sie auch

immer die Grutidtage des Vertaufs bitden müssen.

Darum wird es die Aufgabe der.Historiosophiesein, die Vergangenheit substantieH zu~erfor-

schen, alleinhaitigen

Elemente dësLebens der

Menschheit, welche..si(;h schon~ept~ickelt haben,tief  zu analysireh, die einscitige und ausschiiessende

Natur Aller, deren Kampf  und wëchs.elaeitigesUe-

bergewiclit zu erkennen, die specieHenSeGtio-nen des aUgemeinen Fadens zu bestimmen, um

da.dwch zu idM Erkenntniss zu gelaïtgen, in wecher dieserSectiotien wir uns bereita befinden,welche se bon durchgemaGht sind und.welché unsnoch zu durchiaufen

ûbrig bleiben, utn die hochsteSpitze der Entwicklung des. Welt~eisteë zu errei-chen. Aiso da, wo wir nur ein bestimmtes

etn&eit-iges Eiement in der Vergangenheit vor-

finden, mussen wir dessen bestimmt ~ntgtCgen-

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gesetztpsMomentin dieZnkunft verachieben;wo wir aber denKampfund dieGegcnsutzein derVergangenheit schon entwickelt fin-

den, was eben der aUgemeine FaH ist, da

werden wir ihre Synthesis erst der Zu-ktintt. anheimi'allen lassen. So werden ~!r

ans dem Chabs di~ser sc!)on entwicketten Antithe-

sfm diespecutattvenSynthesëncohsti'niren, welche

bestimmte Synthesen setbst noch weiter convergi-ren und in etner a))gemelnenSynthesis (~M~A~M

~M/A~t') zur Einheit kbmmen mûssen. Diese

Einheit wird die eigentliche, hôchste und reifste

Frucht des geschichttichen Baumes werden. So

wird der Mangei der Vergangenheit den'Vorzug der Zukunft bitden; das privativeBild der vepË&ssenen'Zeitenwird seibst das af fi r-

mative Bild der zukûnftigen seyn und so erst

werdenwir zu der nothwendigen Erkenntniss

geiangen, dass die Vergangenheit und die Zu-

kunft gemeinschaftlich, sich durchaus bedingend,deix ëxpLicirten Organismus der Wettge-schichte bilden.

Auf diese Weise fuhrt uns das Princip derErkennbarkeit der Zukunft, nam!ich des lnbegriHt{derselben,indieTotaUtatdeswettgeschichtiichenPro-cesseazu deren Organismus undfoiglichzu deren

 \vahren Giiederung, nach den specutativ-vei'Ruat-

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tigen Geset.zen, nach welchen eben die apodiktische

Eintheilung der Geschichte setber sich nur er-

geben kann, eine Eintheilung, die keine andere a!s

die trichotomische, und naher, deren erste

Periode die thetische, die zweite die anti-

thetische, die dritte aher die synthetische

und.voUkommen concreteste ist. Diese Hanpt-formen des Weltgeistes mùssen sich auf dem all-

gemeinen Wege der Geschichte nacheinander r

voHfuhren,ohne deren Nebeneinanderseyn und

wechselseitiges Eingreifen auszuschliessen.

Für das unmittelbare Orientiren auf unseremStand-

punkte, – denn nur das Orientiren ùberhaupt kann

Gegenstandder

Prolegomena seyn,kônnen wir

nur andèuten, dass der Weltgeist sich gegenwartigam Eingange der dritten synthetischenPériode befindet, dessen erste, namUch die the-

tische, das g~nze Alterthum, die zweite~aber,namhch die antithetisch-e, die derselben schroiF

entgegeng~setzte christ lie h-germanischeWeit t

ist. Auf diese Weise sind die drei erstenHaupt-

penoden Hegel's iur nns nur drei Momente der

ersten Hauptperiode ùberhaupt, welche die an-tike Wett ausmacht. Die vierte Periode Hegel'sist also fur uns die z we i t e und diess ist die mo-

derne Wett. Unserc dritte Hauptperiode endlich

ist die zukùnftige, deren eigene Bestimmung

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aus der einseitigen Entgegensetzung der beiden

vorangegangenen zu erkennen ist.

Vor dem Christenthum namtich herrschte in

der Geschichte die Période der Aeusserlichkeitund unmittelbareh

Objectivitat;was aber den sub-

 jectiven Geist anlangt, so fand derselbe sich auf 

seiner ersten Stufe d.h. auf der Sinniichkeit,der objective aber gleichfaUsin seiner unmittel-

bàrsten Gestalt, als abstractes Recht.– Chn-stus dagegehhat das Etementderïnnerticbkeit, der

ReQexion,der Subjectivitat, in die Welt gebraclit.DIeSinnUchkeit hat er zuminneren Bewusstseynùberhaupt, das Recht zur MoraUtat erhoben~ da-

rum ist Christus der Mitte!punkt der verUossenehZeit, weil er es ist, der die RadIcaLreformderMenschheit herbelgeiuhrt und das grosse BIatt der

Weltgeschichte umgeschtagenhat. Gielchzeltig mit

demAufkommendieses neuenPrincips haben auchneue Vôlker das bisherige Feld der Geschichté

uberschwemmtund mit fnschem Blute das bereits

erstarrte und ergraute Geschtecht des Alterthums

verjüngt; und so auf diesem Punkte der Weltge-

schichte iindenwir sowohl eine physische ats auchciné moralische WiedergebmtderMenschheit. Der

Weltgeist hat atso btsher zwei grosse Spharenseiner Entwicktung durchtaufenund diese Spharensind die antike Welt, welche bis zur Votkerwan~

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derung wahrte, und die germanisch-moderne fiber-

haupt, wetche bis aufun.sere Tage fortgeht; denn

wie bedeutend anch dieRet'ormen, welche mit dem

15. Jaiu'hundert angingen, sind, so bezeugen aie

keinen so sChroSen Gegensatz, keinén so radika-

len Umsch!ag id aHen Verhattnissen des Lebens~e jene zwei sich entgegensetzten Perioden. Da

abef eben dieGeschichte noch nicht alle in ihrem

BegriiT URgende Etemente aus sich entwicke!t hat,indem uns ciné Zukunft bevorsteht, wetche

wir nach den Pt'amissen der verRoSsenen Zeiten

zu erkennen habcn/  so mùssen wir sagen, dass'keine

derausscH)ëisendenundeinseItigenEIemente,we!chëbis   jetzt aufgegangen smd, eben in dieser Einsei-

tigkeitnnd ausschHessendcn Discrétion, der Mensch-

heit genugen konnen. Vielmehr' drangensiesichaus dieser Discrétion in eine hôhereCo n c r e t

heit, \ve!che eben der wahre Standpunkf:, so wie

die Krone aller vorangëgangenen Bestimmungen seynwird, die sie danach aus ihrenmechanischen

Verha!tn!ssen un d c he misc he n Entgegensetzungenzum organischen Concursus und Consensus

herauff&hren wird.° ïndem die Periode des A!)erthums die Sphare

derUnmittetbarkeit bildet, so istdieEmpi'indunga!s Psychisches, das Schone und die Kunst als

Absolûtes, in ihr dasHen'schcude. Mit dem Chri-

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stentimm tos'te sich aber die unmittejtbareEin-hei<. und naturtiche~ tdentitât der attenWettdialektischauf, dIePai-ticularitaten nahmendas

Ueborgewicht und diess Ist der weMiche Charactei-

des.Mjttelalters utid .des FeùdaMsmus,wetchei-selbst

zu semeot eigenen,Gegensatze der l'eUgiusenmne-t'en AUgemeinheitsich gegenubet' stetit. Das ïn-

dtviduum, indem es a bs t r a c t e r Me n s c h~'ird,

gerath mit sich seibst in Wlderspruch, seine Pflich-ten und Triebe ~Ind,itn wechselseitigenKampf miteiDander,was ,im .Â.tt.erthun)nicht der EaU seynkpnnte, da das ~nnefeBewusstseynder nioraHschenPHichten~so wie das gelstige innere Leben uber~

haupt npch nidtt geweckt, und bloss etnë Instinkt-

tnassigcI~mpnndung:der SittUchkeit vorhandea 'war.Die Wett ~ar~ mu'iEin~e,:kein J,easeits war .Vor-

I~andeû, oder-~enigstens war es nur, anticipations-weise vo raus g.e.fuhlt, Seiches Traumwissehke!-

nenpractisphen EtnSuss auf das -Lëben batte. Diezweite përipde steht aber nicht bloss ini)Gegen-satze zu der 'vorigen, soNdernsic zerlaHt auch! insich in einen inneren Gegensatz, von; dem dasDiesseits undJenseits

dieaUgememstenGlieder's!nd. Diess ist der Grunddes chemischeu An

tagonismus,. weLchen die zweite wettgescbicht-tichë Pënode ih sich schUes~én muss. Nichtbloss das Negiren des Principe der an tiken

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nch das sich selbst wectWelt, sondern aucit das sich selbst wechselseitig

Negirende ist also der Character der zweiten

Epoche.*)Also in diesem allgemeinen inneren Antago-

nismus musste sich die Idee der Schônheit, welche

im Alterthum herrschte, auiïësen, und die unmit-

telbare Intuition in die Renexion und Analysis über-

gehen. Die Emptindung erbOhete sich zum

Wissen, der unbewusste Trieb zur Schôn-

heit wurde zum bewussten Forschen der

Wahrheit. Die reeUenWiderspruche derWirk-

Hchkeit haben sich gleichzeitig mit den IdeefieH

des Denkens entwickett, aber ht dieser zweiten

Periode sind

dieWidersprûche

nur als gesetzt vor-

handen, wahrend sie in der frûherenWe)t nur an

sich waren. Das Unzureichende ist also beiden

Epochen gemeih. Dort war die Menschheit der

Materie fast aussch!lessilch ergeben, hier aber war

sie von dieser fast ausschliesslich getrennt. Frei-

lich ist ein grosser Fortschritt von der Empnndungzum Wissen, von der unmittelbaren Objectivitat zur

*) AIsReligionist wohldasChristenthumntchtbloss antithe-tisches, sondemauchunstreitigsynthetisches Moment.Esistnamliehdiewu'HicheVersohnungdesSchopfersmit der Schop-fung,Gottesmit demMenschcn,darumist seinStifterwahrerGott-Mensch gewcsen,und in derReligionhat unsderselbediehochste Wahrheit offenbart.Aberin demwettgeschicht-lichenProcesseist diechristlich-germanischePériodedas dialerktischantithetischeMoment.

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inneren Subjectivitat. Aber dieses sind nur immer

Abstractionen und Einseitigkeiien, welche erst in

ihrer gegenseitigen Versohnung ihren Grund und

ihre wahre Wirklichkeit sicit erringen konnen. Wie

also in der antiken Welt der objective Geist es

bloss zum abstracten R e c ht bringen konnte, so ister !n der modernen mit dessen, Gegensatz, namiich

mit der Moral!tat, bezeichnet. Recht und Mo-

ralitât sind aber nur abstractePraemissen der wah-

ren SittUchkeit. Durch diesenProcess Ist das

unmittelbare Individuum desAIterthums zur Wûrde

des Me n s e h e n und des Su b j e ct überhaupt

erhoben, welche Bedeutung aber erst in der con-

cretën Sittlichkeit ihre Abstraction und Leerheit

abstreifen und sich concret als G1 i e dd er Me n s c h-

heit in der Familie, im Staat etc, darstellen wird.

Was also die Empnndung vorgefiiMt und das

Wissen erkannt hat, das bleibt demabsoluten WH-

ten zu realisiren ûbrig; und diess ist mit einem

Worte die neue Richtung der Zukunft. Die Idee

der Schonheit undWahrheit im praktischen

Leben, m der bereits bewussten Welt der Ob-

 jectivitat zu realisiren, aile einseitige und sich ein-

zeln oHenbarende Etemente des Lebens der Mensch-

heit organisch zu fassen und zur lebendigen Mit-

wirkung zu bririgen, endlich die Idee des a b s o1u-

ten Guten und der absoluten Teteologie auf 

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unserer Welt zu verwirkiichen, -– diess ist die

grosse Aufgabe der Zukunft. –.1 Um aber diese Aufgabe zu losen, um die neue

Période durch eine grosse physische und anthro-

po!ogische Begebenih&it zu erëSnen, ist wied~r r

eme Vô!kerwande!rung nëthig, -aber dasUm-

~ekehrte der VerRattnisse macht auch dièse Noth-

wendigkeit zu einer ganz ~ntgegen~esetzten, d. h.

die neue Voikenvandenm~ muss eine Réaction

~e~eï) die Mthere seyn, und von den ci vi}i s i r t en

Vô !kèrn ansgehen, um die noch barbaïtschen

St~thmë zuuberschwemmen. BeidererstenVo)-

kerwanderun~ hat also die ToheNat~i'kraft ubër die

nocb nicht zu 'sich gekommeïte Kraft des Geistes

dën Sie~ daVon gétragen, aber dieser Sieg eben

hat nur ironisch dazu gedient, deA Geist selbst

zu regeneriren. Jetzt aber wird die geistigeKraft die seibst in sich! zerfa!)ende und zum Hô~

heren s~ch sehnende Naturkraft angrei~n und der

Sieg des!Geistes wh'd selbst wieder ~ur R'e g'en è~-ration d&r Natur diënen. Die Erhebùng det'

Naturvulker namiich zu der von uns schon en'eich-

tenGeisteSstufewirdumgekehrt fur uns se!bat eine

Erhebùng ùud Rénovation unserer entarteten Natur

seyn. Dièse Revanche des Weltgeistes, d. h.

die zweite umgekehrte Vôlkerwanderung wird ein

unenthehrMcher Uebergang zur dritten Période.

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Es ist wirMich mer~witrdig, dass mah bisjetztnicht auf  dièse tt'ichôtomische Eintheilung des we!t-

geschichtiichen Organismus ~etroiïeh ist, da man

so oft Christus ats den wahren Mitteipunkt der

WeJt~'eschichtc angesehen hat. Und m der That

steht die vorcMr.isttichie und nachchristHche

Weit m' einem sb schro~eii Wid<'Bspi'uch uhd hat

mit Christo einën' so wichtigen Wendepunkt !&t'-

reicht, dass wir, wie es auch~spater ~eschehen so!i,m atten specitischel) Etementen des Lebcna dèr

Menschheit~ eine besttmmte Sich-Entgegensteihnig

dteser'.beiden Epochen anerkennen mûssen.

In e!ner abgelegenen SteUe der HegetschenSchi'IfteHh{indenisich eini~e merMwùrd!ge SteHen,wciche sowohi von

Anderen ûbersehen, atsàuch

von Hegel seibstverg'essen zu seyn scheinen und

welche doch unmittelbar auf die von UBSangege-bene Aui!'assuï)g' der Weltgeschichte hingefûht't .ha-

bem wurden. In der Abhandiung ûber das Ver-

haitniss dërNatùrphilo~ophiezur Philosophie tuber~

ttaupt {HegeL'ssammtL Wërke Bd. I. S. 311–31:5)ist'der Gegensatz der antiken und moder~nen Wtolt ab's o'lut aufgesteilt, und es fcM(.enui'

dasPl'Inôi}~ dei'1Erl<enT(barkeitder Zukunft, d. h. dieAutTassung der Zu~unft~ais eines 1 n t e g r 1r e n denGliedes der TiOtatitat, um zu der Aufstettèng

und specutativen Dûrchtûhrung des Orgânismus det-

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Weltgeschichte zu ge!angen. Dieses nahe Heran

rücken HegeFs zu unserem Standpunkte ist ebeneine Garantie fur dessen BegriFs- und Zeitgemussheit,weit in dem normaien Enhvicktungsgange des Gei-stes keine neue Richtung eingeschiagen und kein

neuer Standpunkt aufgesteUt werden kann, wenner sich nicht in derVergangenheit durch lichtvolle

Andeutungen, die das VorgefùM ihres Bedurfnisses

bezeugen, tegitimirt hat. Ist denn nicht die Me-

thode Hegel's die Sehnsucht von Jahrhunderten

gewesen? Und wenn wir z.B.Jordano Bruno lesen,

glauben wir uns nicht an ihrem Einweihungstage

angelangt zu seyn? Von Jordano Bruno also biszu Solger offenbart sich uns ein bestandiges Auf-

decken der Méthode, ein stetes Ringen nach ihr,bis endlich Hegel die Entdeckung vollbrachte und

so selbst zu diesem wichtigen Stadium des Geistes

wurde.

So haben sich also nacheinander die Einseitig-keiten der antiken und modernen Welt in der Ge-

schichte manifestirt und folglich der dritten synthe-tischen Periode, welche der Zukunft ange-hort, dieLôsung der nur erst aufgestellten Gegen-

satze ûberiassen. Auf diese Weise fügen wirden Inhalt der Weitgeschichte setbst unter diewahre speculative Trichotomie ohne weder der

Vergangenheit noch der Zukunft Abbruch zu thun,

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3

inden) wir der ietztern ein so weites un<tso rei-

ches, aber doch voraus zu bestimméndesFeid <otfncn. So ~enii~'enwir ~)eichMts beiden entge-

gen~'esetztenForderungen, namHch die Totaiitntder Weltgeschichte einerseitsideell zu urnschties-

sen, ohne andrerseits die Môglichkeitder kûnfti-g'en Fortbitdung abzuschHessen; welches Di-iemma nur auf dièse Weise ûberwunden werden

konnte, undfür jede andereEintheHungeineScy)!aund :Chai-ybdisgewesen ware. Denn entwedermüsstematiin die unspcculative und btoss unmit-tetbat' vorgei'undeneEintheihmg der Weitgeschichtewie z.B. in die viergtiedrige~Hegersveriatten, oderden Geschichtssto~ auf  gezwungene Weise der

aprioristischen Construction anbequemen. Hegelhat es vorgezogenin die Scytta zu faHën, und'mitRecht, denn in diesem FaUe ist die Rettung ausibr integrirender; wenner aber seine versuchtedt'eifacbeEintheilung angewandt hatte, so wûrdedie Strandung an der Charybdis des leeren Sche-matismusgefahrUcherfur seine Ehre gewesenseyn.Jetztaberistesfûi'Ihn gewissEhre genug, diePhilosophie der Geschichte bis zu diesemPunkte

durchgetuhrt zu haben, besonders da er das Haupt-schIB'der Philosophie aïs sotcher so giucktich biszum Hafen einzuführen.vermochte.

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Aus dem organischenAuffassen desattgemei-nen Laufes des Weltgeistes sotfen wir  jetzt in

dessen Besonderung ûbertreten, um endlich zu

dessen Einzetnheit t zu geta~gën. Da aber diese

letzteren Begiiffe schon richtiger im Bewusstseyn

der Menschheit sich entfaltet haben ais der ihresaHgemeinen Processes, so dûrfenwir uns hier

kurzer fassen.

Aus der abstract diatektischen Genesis des aH~

gemeinen Fortschrittes der Menschheit müssen wir

 jetztzurspeciettenAnatysis ihrer integraten Stufen

herabsteigen, welche letzteren im kleineren Umfangeuud in miniaturartigen Umrissen den grossen Strom

der aHgemeinen Fortbiidung se!bstaueh abzuspie-

geh haben. Diese Stufen biiden die besonderenVôlker und Nationen, deren  jede ihre eigene Ent-

widdung nach dem Typus des Ganzen durchmachen

und seine special relative Endbestimmung erreiGhen

muss. So ist der besondereVôlkergeist den nam-

tichen (Mektischen Gesetzen wie der allgemeine

Weltgeist unterworfen, nur mit demseiben Unter*

schiede, welcher eigentlich zwischen dem Beson-

deren und Allgemeinen immer obwatten muss, d. h.

dass  jenM, indem es seine Begrânztheit und be-

stimmte Endtichkcit immer anerkennt, bestandig

negirt wird, und in d'en Fiuss dep AUgemeinhe'ttsich mündet, welche AUgemeinheit ihrerseits nur

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3'

durch jene besonderen Strome ihre Wirkiichkeit

erfangt. Wenn aber der Character der AHgemein-heit die ewige Continu itat ist, und umgekehrtdie bestimmte Discrétion den derBesonderheit

ausmacht; so erkennen wir leicht, warum ans die-

sembestandigen und homogenen Fliessen des

aMgemeinenNacheinanderseynssich auf  jeder Stufe

derEntwicklung heterogene und unabhangigeKreise berausbilden, deren Ft~chentotatitat

wieder, ini Gegensatzezur Langentotatitat des

Nacheinanderseyns, das Nebeneinander-

seyn darstellt. Diess ist die logische Grundiageder simuitanenVielheit der Nationen und Staaten,

welche selbst wieder inihrem

Nebeneinanderseyndas Nacheinanderseyn vorstellen, Indem diese ver-

schiedenen coexistirenden Vôlker selbst verschie-

dene Stufen des Weltgeistes bilden und sich auf 

verschiedenen Stanjelnder allgemeinenFortbildungbennden. So zeigt sich in jeder Gegenwart die

Concentration der Vergangenheit und Zukunft,denn bei den Volkern, deren Weltbestimmung noch

ferne liegt, wahrend bei anderen dieselbe zur

Reife gelangtist, mussen sich die Keimederkûnftigen Grosse bereits vorfinden, Keime, welche

denselben die légitimeNachfolge in der Welthe-

gemonie sichem, – mit deren Erlangung sie

aber so lange warten mûssen, bis wieder der a

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3~

gemeine Fot'tschriit der Menschheit eben im

Ga n z e n dièse Idée Crtangt, welche sie s p e c i e )i

zu repraesentiren haben. Deswegen mussensiebit.

dahin in den nebeihaftenLimben einernoch nicht

aufgescMossencî) Geschichte verweHen und durfen

nicht in die Wettbegebenheiten eingreifen, wenn

sie nicht dadurch threr etgenen Sache emen be-

trachtiichen Abbruch thun wo)ten. Diess ist sei-

nerseits der Grund dicser starken Macht des Be-

stchenden und Gegenw:h'tigen, gegen weiches

kein Zukûnftiges etwas at~zurichten im Stande ist,

so iange es noch setbst Zukunftiges ist, d.h. so

tange es sich den Bedurfnissen der Gegenwaft nicht

ao eng angeschlossen hat, dass es bereits iûr ein

derseiben ganz Entsprechendes angesehen werden

muss. Man kann sogar geradexu behaupten, dass

attes Zukunftige, es mag auch noch sovernûnftig

und conséquent au~fa))en, gar keine Wh'kung ge-

gen das Besteliende hat, sondern, ehe es setbst ein

 jBestehehdes wird, schon em Bestehendes seynmuss. Diese scheinbare Antinomie ~ird erk!artich

durch die Wiederhohmg jeder Ncuerung, seiche,indem sie sich zuerst in

det'Rea)itâtaufsteUt,noch

immer demFrûherbestehenden weichen muss, aberbeim zweiten Eindnngen in die Existenz, ais etwas

schon D a gw e s e nes mit innerer und nussercr,

gteichsam physischcr und moraiischer Kraft ausge-

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rfistet, die  jetzt Un-gebuhrendeWelthegemonie eendlich zu bëhaupten weiss. –DasBësiegte aberwird keinesweges vei'nichtet, sohdet'n sein eigent-)iches Rësuttat und seine \vahrë Frucht wird ebensûWoh! i dea i t eals Moment in das Neue

aui'ge-hoben, als es alich reaUter einen abgetebten Win-ket im Nebeheinanderseyh nndet, wo es sich con-

stituirt, umats unmitteibarérZeuge derVet-

~angenheit zu diehen. Auf dièse Weise konneh

wir IdeeU in  jedemAugenblickeundaufjedentSchritte der Geschichte die TotaHtat des aUge-

meinenOrganismus wieder erkennen, und obg!eichdas Uebergewicht und die grossere Beteuchtdngdem

eigenttichen Eleinente der Periode angehort,obgieich das Vo!k, welches dasselbe verwirkMcht,uber die anderen hervorragt; so besitzen wh-dochunmittetbar in  jeder Gegenwart die besonderen

Vergangenheiten und Zukùnt'te dersetben.So kommenwir zu derErkenhtniss, dàss das, waswar, ist und \\Ird, und das, was seynwird, ist

und war,– nur immer entweder implicite oder ex-

plicite, mit intensiver oderextensiverBëdeutung.*)

') Montesquieuscheintdiess geabnetzu haben, wenn crsagt (Espr. d. L. L.I. 'ch.l): "Chaquediversitéest uniformité,chaque changementest constance;"wenn aus dem Zusam-menhangedessen, wobei diessgesagt;wordenist, hicht c~l-leuchtete,dassdieserSatzbloss eine geistrcicueIntuition,aberkein speculativabgeleitëterGedankesei,

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a

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rh- .J TNachdem so aus dem Langenprospect derhistorischenLinie in denQueerschnitt t derselben,aus ihrem aUgemeinenF lusse in ihre besonderen

St a nd pu nk t e, endlich aus ihrem quantitativenin ihren

qualitativenProcess,

ûbergegangenworden,woraus die zeitliche und raumiicheBegrenzung der

Staaten, so wie andere wechselseitigeFluctuationenabzuleitenwaren, bliebe noch das dr i 11eMo me ntzu untersuchen, welches die subjective Einheit unddas Mass des vorhergehenden bildet.

Solche wirkliche Individualisirungen der Att-

gemeinheit und Besonderheit in der Geschichte

sind die grossen Manner, welche wieder ganz

genau jene entgegengesetzten Richtungen in ihrerEinheit absplegein. Das weitgeschichtiicheIndivi-

duum ist nâmtich einerseits der Reprasentant der

allgemeinen historischen Idee, andrerseits des be-stimmtenCharacters seines eigenenVolks; aiso die

Allgemeinheit und die Besonderheit sind in ihm

concentrirt, personificirt undprototypirt,– immer aber mit derBeibehattung der eigenenEinzehiheiten, die es aïs seibstandiges Indivi-

duum besitzt. Die Bedeutung eines grossen Man-nes bleibt aber noch nicht hierbei stehen, weilderselbe sich nicht nui- in wesenUichemVerhatt-nisse zu seiner Zeit, sondern auch zu den vo-

rigen und kûnftigcn n Jahrhunderten befindet.

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!COLU. ~Ïnn». nnf r ÎruWenn ein grosser Mann auf  die Weltbuhne treten

soit, fühlt man langevorherdessen BedûriMiss;–wenn er dieselbe verlasst, geniesst man tangenachher noch der Frûchte seiner Wirksamkelt;

daher die Erwartung desselben in der Ver-gangenheit, dieKfàft t desselbenin der Gegen-wart, und derRuhm desselben m derZukunft.

Alle diese Accidenzien seiner Substanz sind um

so bedeutender, je wichtiger die Verhaltnissesind,die ihn bervorrufen, je tiefer und umfassender die

Ideeist, welche er verwa'kMcht. Der ganze Lauf der Geschichte muss mitsolchenIndividuen echei-

tonnirt seyn, und wenn es von den grossten nur

sehr wenige giebt, so soilte man,doch den kleine-ren Sternen auch nicht allen Glanz absprechen.Sie müssen wirklich eine Kette bitden, wobei der

Untergang des einen den Auigang des folgenden

verktmdigt, denn die Menschheitkann ihrer durch-

aus nicht entbehren. îhre Ungkichheit ist durch

die Ungleichheitder Standpunkte begrundet, und

besonders dadurch, dass der Riesengeist demjeni-

gen, welcher nur etwas ûber das gewôhnUcheMass

emporragt, wenig zu thun, oft nur sogar die réi-tere Ausiuhrungûberhaupt ûbrig lasst. Atso unter

diesen lebendigenDenkmatern des von der Mensch-heit durchgemachten Weges scheinen einige nu)'

Satelliten der anderen zu seyn. Je hôher aber

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cnies sich erhebt, desto umiassender wn'd sein be-

schirmender Schatten, desto umfangreicher wird

die Parabet seiner Wirksamkeit, desto langer wan-

dert auch die Menschheit unter seinem Einflusse

oder wenigstens desto schwierigere und wichtigere

Abwege wn'd sie zn machen haben, da seine Grossemcht nach der Zeit, sondern nach der Bedeutungdes erretchten Résultats zu messenist.

Auss dem bereits Gesagten folgt' von aetbst,

dass,wetin dièse ungeheure Bedeutung emes uni-

versellen weltgeschichttichen Einfiusses nur ausserst

wenigen Individuen zu 'Theil werden kann, und

yvenn dieselben sich in einer mehr ausgedehntenDiscrétion otTenbaren, so ist  jedoch dié partiéll

beschranktere, aber immer wirklich geschichtiicheBedeutung jener Individuen nicht zn verkënnen,die gleichsam continuirtich dieindividuatisirungdes AUgeineinen und Besonderen mspecieiien Krei-sen ausmachew. Efst aus diëser synthetischen Sub"

 je~ttvitât und côncreten Ind!viduaHsirung erkesnehwir' die wahrhait geschichttiche Bedeutung derVôlker- oder Staatsoberhaupter, die ebendiese

reichhaitige Spitze ihrer Zeit und ihres Volkes s

bilden. Sie theilen namlich, wenn auch im be-schrankteren Sinne, diese grosse Bedeutung der

,veltgeschichtlicheri tndividuen, wit-kliche P t-oto-

t y pen zu seyn, und dadurch wird es erktârlich,

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~armn wir Ofter aUgemeine Geschichte lur biosse

Biographien der Monarchen und sonstigen Volks-

leiter, oder umgekehrt ansehen kônnen. Es ist

aber nicht bloss abstract a Dr/or/ wahr~ sondern

die Empinezeigt uns dieselbe

Erscheinung,dass

das Staatsoberhaupt immer den wahren-Geist se~ner Nation aut' dieser bestimsatea Stuie ihrerEnt-

~icklung darstellt, und sich mit diesëm Geiste ni

einer absoluten Wechseiwirkung be6ndet, in-

dem es einerseits dessen pàssiver Rep~asentant:

ist andrerseits aber einen, activeh Einiluss aut'

denselben ausübt, so dass es auch umgekehrt rich-

tig ware zu sagen, das Volk sey der ausgedehnte

Reprasehtantder Idee seines

Mtmarchen. DièseConcentration des Voiksgeistes im tndividuum ist

eine so grosse geschichtuGhe Noth~endigkeit, dasswir auch die Republiken sowohl der antiken ais

der modernen Welt ihr huldigen. sehen, uud auf 

dem ganzen Wege der Geschichte ein continuir-

tiches Leiten der Menschheit durch Individuen

erkennen. Dadurch aiso kana die Geschichte als

Geschichte der tndïviduen erscheinen und nichts

desto weniger die Geschichte der Menschheit biei-hen, weit ein solches Individuum, wenn es auch

seine ganze EigenthumUchkeit behalt, doch zugteicheinerseits das ~MKC/M/M ~o'ï~ eines besonde-

ren Volkes und andrerseits einen speciHSGhenKnoten

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in der aHgemeinenLinie der Fortbildung der

Menschheit ausmacht.

So sind wir dazu gekommen, den Organismusder Weltgeschichte dreifach anzudeuten und diess

aus demGesichtspunkte der Allgemeinheit,Beson-derheit uhdEinzeInheit.

1. Ats allgemeinerOrganismus imNach-

einanderseyn der Weltgeschichte, wo wir die

totaleEntwicklung des Weltgeistes für einen leben-

digenProcess,dessenStadien durch einanderbedingtsind, in seiner speculativenGanzheit ats trichoto-misch gegliedert anerkannt haben.

2. Ah besonderer Organismus im Ne-

beneinanderseyn der Weltgeschichte, wo wirden continuirlichen Process sich haben dirimiren

tassen,was dasAntithettschezumVorigenbiidet. Als

Antithetisches aber ist es selbst in sich nicht bloss

unterschieden, sondern der Unterschiedunterschei-det sich noeh in sich selbst, und so nnden wirauf dieser Stufe eine doppelte Strahlenbrechungdes primitiven Organismus, namHch:

a) jedesbesondere Volk

spiegeltin sich selbst

den Organismusder Ganzheitab, welche Spie-getung sich wieder selbst

a) in Nacheinanderseyendesund

 /~) in Neheneinanderseyendestheilt.

 /') Die ToUdit.âider coexistirenden Vôlker dage-

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gen ist wieder selbst eine Spiegelung itn

Queerschnitte e des allgemeinen Nachein-

anderseyns.3. Ais einzeiner Organismus im Con-

centrirtseyn der Wettgeschichte, wo w~r den

Process desWeitgeisteszu semerconcretestenSpitze

getriebenhaben. DasConcentrirtseyn numlich

ist die speculative Identitat des Nacheinander-

seyns und Nebeneinander'seyns, seiche beide

nur dessenabstractePramissensind. Diese beiden

verlaufen sich unbestimmtin unterschiedener Rich-

tung, und sind allein betrachtet jedweden Brenn-

punktesberaubt. DasConcentrirtseyn ist iebendiess gesuchte Centrum, dieser.Schneidepunkt der

beiden Richtungen, und diess ist eben das, wasdie Bedeutung, des \veltgeschichtHchenIndividuumssowohi fur seine Nation, a}s auch für die Mensch-

heit uberhaupt ausmacht, so dass dieses, in jenem

doppeltenVerhaltnissestehend~dochselbst bei sich

bleibt, d. h. an und fur sich ist und denkt,und aus sich selbst wirkt. Diess ist der Or-

ganismus in seiner wli'kiichsten und concretesten

Gestalt, die absoluteBedeutung

derwcitgeschicht-lichen Persôniichkeit.

Aus diesem ersten Kapitel wird es schon ein-

leuchten, warum wir unsere Auffassung der Phiio-

sophie der Gcschichte Htsioriosophie genannt

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haben. Zuvorderst haben wir deren phaenomeno

togische Abteitting angedeutet, indem wir diesctbe

in Gegensatz zur HIstoriopneust!e steHtOt,a)so in die Mitte zwischen dem Ahnen und de)!)

Vo!!fuhren der Geschichte, auf den Wende-

pUhkt des UmscMagens der Facta in Thaten,

wetche'' WendepUnM dânt) die Théorie, 'das ab-

sotuteWissen dër Geschichte und, objectiv ausge-

drûckt, dieWeisheit derWèttgeschichte ist.

– Danh aber haben ~ir<turch dleAutsteUung des

BegriFes des ge~chicht!ichen0rganismus ein nettes

Recht zu dieser'iBenennûng ert'ungen, weil daraus

et'hellt, d:tss die bisherigën Phitosophien der Ge-

schichte ebett hWvor!au(ige Système,

ùnd Ablei-

tungen von geis<ireichën Philo~ophëmen gewe-sen sind, aber këinesweges eine streng specùtàtivè

Entvtdcklung derWettgeschichte in ihrerorganischen

ïdealitat, wie es Heget für die Philosophie a)sso)che

gethan hat. Wenn es atso von Pythagoras bis

Heget nurPhiiosophie gab, welche aber beim

!etzteren zur Sophie ~ecT' e~o~~heranreiite; so

haben wir hier in anatogerWeise (von Seiten der

Méthode) das Problem behande!t, wodurch ebendie bisherige Philosophie der Geschichte selbst

zur Historiosophie e heranreitcn muss. Das

Weitere, so wie die Hervorhebung der a nd e r c n

Seiten im ioigenden Kapitel.

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i

II. K&ptict.

)&<t<~<MtCM<ter Wettg<'<M'Mett<<WieaiïëssichzumGanzenwebt,Einsindemando'nwirktMKdlebt!Wie HimmelskrafteaufuudniedersteigenUndsichdie goldnenEimerrciciten!Mit segcnduftendenSchwingenVomHit~mel.dm'chdie Erdedringen,HarmonischaH'das AUdurchkiingen!Harm,onischall' das t111,

Goethe.

.Obg!eich wir im ersten Kapitel die Allgemein-

heit, Besonderheit und Einzeinheit des geschicht-iichen Orgamsmus auigestelt< haben; sa ist diess

 jedoch wledel' nur einseitig geschehen, indem wir

b!css das Formelle des Processes und nur uber-

haupt das Wie der Entwicklung des Weltgei-stes herausgehoben haben. Diese ganze Betrach-

tung ist a)so wieder btoss a)s AUgemeinheK t

zu fassen.und wir ~oiten jetzt zu deren Bes o n-

derung ùbergehen, namtich zu den bestimmten

inhaitigen E!ententen, die zur concreten Ent- \Yict(!ung des Lebens der Menschheit concurriren

müssen. Das abstracte Wie muss sich also hier

zum specinschen Was besttmmen; denn, indem

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m)f <1!f T<'nf~!f'Hnn<r ~rnt'wir wissen, wie (lie Entwicklung vor sich geht,mussen wir jetzt erkennen, was sie eben zu ent-

wickeln hat, um nachher endlich nach dem

Warum d. h. nach der absoluten Teleologie der

Weltgeschichteüberhauptzu

fragen.Bei der hohen

und concretenAusbildungderPhilosophie alssolcher,wie sie bei Hegel zu finden ist, musste ein grosserTheil dieser Elemente ihrem Begriff ganz ange-messen auf die Weltgeschichte angewandt werdenaber es fehlte wieder bei diesem an der systema-tischenDurchführung desselben in dem Geschichts-

stofe, mit einem Worte an einem inhattigen

Organismus der Kategorien der Geschichte;

we!cheï)urchfuhrung eben den zweitcn Hauptpunktttnsrer Untersuchung ausmachenwird.

Das Bewusstseyn der Analogie, welche in allen

Spharen des Universums wattet und deren Spitzedie Identitat des Denkens und Seyns ist, welche

sich schon bei Spinoza in dem Satze: ~0/v7ocoMM~o K~a!y'M??ï  /~c/Mest ac ordo et coMM~a'z'0

r~M/M",so bestimmt ausspricht und welche durchdie letzten Leistungen derWissenschaft zurEvidenz

gebràcht worden, ist eigentlich der grosse Fundder neuesten Philosophie. Alles spiegelt sich in

Allem wieder ab, weilEin Grundgedanke das We-sen von Allem durchzieht. Schon aus diesem un-

mittelbaren Gesichtspunkte der allgemeinentdentat

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mûssten wir dieWeltgeschichte a!s einenMikro-

kosmus ansehen,in welchemafieSpharendesSeyns,des Denkensund des Thuns einen bestimmtenAn-

klang und eine eigentliche Manifestation erhaiten

dürften. Aber das Weitere ist, dass die Weltge-

schichte das Fetd der wirklichen That über-haupt ausmacht,und da, wie wir es frûlter bemerkt

haben, die wahrhaft substantielleldentitat des Den-

kens und Seyns das Thun ist, (was im dritten Ka-

pitel etwas umstandHcher erortert werden wird)so muss das ganze Wesendes Seyns undDenkensauf demSchauplatz der Weltgeschichte in der Ge-statt vonThaten 'auftreten. Da aber der Welt-

geist die hochste Spitze der Geistesentwicklung

bildet, namiich die unn~itte~bare Einheit dessubjectiven und objectiven Geistes; somüssenwir vielmehr die Weltgeschichte nicht Mi-

krokosmus,sonderngeIstigenMakrokosmus ùber~

haupt nennen, der alle niedrigerenBestimmungen insich absorbirt und dann erst in sich begriindet.So zeigt sich uns die Weltgeschichte a]s die Spitzeund das Ziel, nicht bjoss des Geistes, sondern des

ganzen Universums überhaupt, und aus dieser Be-

trachtunggeht hervor, dassalle moglichenabstractenund realen Bestimmungen,welche die Philosophiezu entwickeln hat, sich in ihrer letzten Instanz, indem Weltgeiste, oiTenbarenmüssen, um da erst

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zn iltrer wnrdigsten Manifestation sich emporzu-

sch~vihgen.*) Heget war sehr nahe an diesen Schiuss

gelangt, deh M' jedoch in seiner vollen Bedeutungnicht gezogen hat, indem er sagt: ,,Der Geist ist

,,abëi' auf dem Theater, auf dem ~ir ibn betrach-

“ ten, in der WettgesChichte in seiner conci'ete-

,,stën Wirktichkeit; dessenungeachtet aber oder

,,dieserWeise seiner concretenWiFMichkëit wegen

,nùssen wir der Natur desGeistes einige abstracte

,,Bëstimmungen vorausschicken.) Wir aber ma-

chen den SchJuss umfassender und sagen: nicht nur

einige e Besthnmungen sind deshatb voranszu-

schicken,sondernsie sind es all e, welche, mogensie auch selbst in sien ganz concret seyn, doch

in Ihrem Verhaitniss zum Geiste der Geschichte

immer a btract bteiben werdenundebenwegendieses Characters seiner concretesten Wirkiichkeit,kënnen und mûssena))e demsetben btoss aïs Mo-

menteoderKategorien dienen.

Auf diesem Unserem Standpunkte atso bekom-

*) Die Geschichteist nichtbloss eineanalogischeVorstel-tung von Unten, sondernein wahrer Begriff  von Oben.(VorstellungundBogrMnehmenwir hier in ihMfhochstenob-

 jcctivenBedeutung).AïsmakrokosmischerBegriff ist ~iea!soUebersteHung, nicht mehrVorstellung, wahrendsicalsinikrokosmischeVorstellungnur ein Eingriff, norh nifht Be-griff ware,,dennwas v or-gestel,lt,ist, grei.ft wohi in dasHoherecin, aber es begreift esnicht.

*")Einleitungzu denVorlesungenuberPhHos.d. Gesch.S.20

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4

men wir eine totale Kategorien-Taf'e! der We)t-

geschichte, eveil Alles., was sonst im Universum

fursich besteht, in letzter Analyse In dièse zu-

sammeniauft, und alle Stufen der Entwicklung des

Denkens 'und

desSeyn~

endlich mirMomcnte des

W~Itgeistes sind, und erst hier erlangen sie selbst

?!* ) sich mndfur dièse hocj)ste Sphare ihrë wahr-

!)aft concrèteBedeutung. Atso aite ~togische, phy-

sischeundpïteumatischeEntwIcHungs-Bestimmtmgenmüssen in der Geschichte aisMomente e derselben

aufgefasst werden und~dadurch entstehen ihre drei

Kategorien-Ktaasen nach diesen dreiHauptentwick-

lungs-Mothenten des Universums.

1. Das, was wlr!ogischeKategorien

der

Weltgeschichte nennen, ist überhaupt von alléi) tie-

feren Philosophen der Geschichte, besonders aber

von Hegei, meistéhtbeits in ihr nachgewiesen, unddiess macht eben Hegel's grossies Verdienst um die

Philosophie der Greschichte.! Die fogischeBerech-

tigung der Begebenheiten, das tief  gedachte Be-

grûnden dessen, was sohst fur bloss natûriich Da-

seyendesgegolten hat, ist eineAufgabe, die.Hegel

glùcktichzu

losenwusste,und wenn er nochmanche

Lucke und manche nicht durchgearbeitete,Stetieim Genechte der Thaten ubrig liess, so kànn es nur

aIspartieUer Mangel und Unvollkommenheit gelten,die   jedoch taglich zu verbessern sind. Aber was

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sein Herausgeber ihm für ein Haupt-Verdienst an-

rechnet und was es in hesonderer Hinsicht auch

wirklich ist, namlich das natürliche Ge!tenlassen

der Empirie und Erscheinung, ohne derselben die

Gewalt einer apriorischen Construction der That-

sachen aufzubürden, ist doch in einer anderen Hin-

ein wIrkMcher Mangel. ln der Historiosophie, und

selbst amEnde des in.Kapiteis unserer Prolegomena,wird es kiar werden, wie wir diesen beiden ent-

gegengesetztenAnfordeningen zu genûgen gedenkennam!ich der Empirie ihren natûrtichsten Lauf zu be-

lassen und zugleich die Strenge der logischen De-

duction wirklich und systematisch durchzufûhren;

  ja selbstin diesem

Kapitelwird es bei

Getegen-heit der psychischen Kategorien klar werden, dass

wir keinesweges dem Geiteniassen der Besonder-

heiten a!s solcher in der Geschichte abhold sind.

Hier aber müssen wir bemerken, dass wenn man

nicht das ganze System der logischen Kategorienim Substrate der Geschichte auffasst, man immer

Gefahr laufen wird, ein nicht ganz concretes, or-

ganisch gegiiedertes und vollkommen abgeschlosse-nes Ganze zu bilden.

Hegelweiset

gewohnnchdie tiefere logische Bedeutung der Begebenheiten,die sich ihm g!eichfaHs in dieser aussertichen Hülle

darbietet, nach; er beschrankt sich aiso auf ein

solches aposteriorisches Verfahren mit dem

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4*

Speculativen; wShrendwir es zu behaupten wagen,dass von der apriorischen Déduction, wenn

man mit ihr namlich Ernst machen, und dieseibe

nicht a!s Schreckbild henutzen wi! nicht so argzu denken

sey,und dass ihre

ganzlicheWegtassungmmer aïs ein Fe hler u nd als eine Einseitigkeits-sünde zu betrachten ist. Man muss durchaus die

Ideen in denBegebenheitea aufsuchen und sich

nicht passiv auf das beschranken, was diese

selbst oiTenbaren. Um diess aber zu erreichen,muss man das ganze System der Kategorien sich

diatektisch in der Geschichte eritwickeln lassen;dann erst werden wir zu einer totalen Enthûiiungdes

Logosder Geschichte

gelangenund den Ka-

tegorien-Nexus sowohl explicite ats auch im-

p Hcite nachweisen, d. h. nicht bloss die dyna"mische Fortbildung des Weltgeistes von einer

Kategorie zur andern, von einer niedrigern Bestim-

mung zur hoheren und reicheren,sondern auch die

statische, zeitlose innere Bedeutung derselbenin speciellen Stadien oder Kreisen. Darum ver-

langenwirein System dessen, was Hegetgteich-

sam unmittelbar und natürlich, also nur partiellgeleistet hat. Darum verlangen wir ein systema-tisches Suchen des Logischen in der Weltge-schichte, wahrend wir bei Hegel nur ein specula-tives Finden derselben anerkennen konnen. Es

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ist wohl anzuhehmen, dass Hegel sich in der Er-

kenhtniss derGèschichtegevfiss oft activ verhalten

hat und das manche tiefe Begrundung der That-

sachen einem apriorischen Ausgange ihr Daseyn

verdankt; aber doch uniaugbar ist es, dass; wennwlr den normaten Faden der logischen Kategorienin seinen Vorlesungen verfolgen wollten, wir be-

trachtiichen Lùcken und Abbréchungen begegnenmôchten. Sotche Lûckett xu vermeiden, ist' das

specieMe Postulat, welches wir der Historiosophiefur diesen Fall auf legen. Man braucht dazu kei-

~esweges die Greschichtë anders zu schaifen,–sie ist schon vernünftig genug geschaiTen, um das

normale Denken nie Lügen zu strafen, – und in-demwir gar nicht behaupteh, dass Alles gieich von

vorne herein vollkommen ideenmassig begnmdetwerden kSnne, steUenwlr doch dieses Ziel der Phi-

tosophie auf,-mit der Bemerkung, dass eine absolute

Nichtûbereinstimmung der Gedankendeductionen mit

der Entwicklung der Thaten oft 'auf eineii MangeloderFehter in  jenen, manchmal aber auf eine un-

zulangliche Kritik dieserzurûckweisen konnte. Also

auf  beiden Seiten kann der Fehler iiegen.Um nur an etwas sehr Bekanntes zu erinnern,

sind z. B. die aetiotogischen Forschungen in der

Geschichte, welche untangst noch fur etwas so

Tiefes und Vortreiniches galten, bei Hegel fast

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ganznch, gewiss einer phiiosophischen Réaction

wegen, zuruckgedrangt; die Kategorie derUrsache

.sottte aber ein gleiches Recht mit den ûbrigenbehatten und sie istauch durchausfahig, besonders

aber bei Zuziehung der Kategorie der Wechsei-wirkung, âusserst wichtige Anfschtûsse zu Hëfern.

DasWerkMontesquieu's ûber die Grosse UDdden

VërfaU Roms beruht hauptsachtich auf  dtesey; Ka-

tegorie. So ist \vleder, um ein dagegen noch nicht

bekanntes Beispict anzufuhren, vom mathematischen

Elemente mHegers Geschichte ntcht die geringste

Spur. Die mathematischen Kategorien aber, wenn

auch vieUei~ht unter den logischen die, armaten,

ermangetn jedoch keinesweges einer uTtgeheurenBëdeutung, hauptsachitcli was das abstract Formelle

der Geschichte anlangt und aus diesem Gesichts-

punkte mussen sie in aMe Vei-hal~tnisse des Uni-

versums eingreifen und die erate Grundtage dersetbenbilden, ohne sie jedoch erschëpfen zu konnen, wa&

pineweiterëFrage ausmacht.

Dieser Forderung eines systematischen Aufsu*

e h e ns der togischen Kategorieu in der Wëltge-

seliichté sehen wir schon den Vorwurf  entgegen-treten, dass es bioss ein pedanti~cher FormàUsmus

vvare. Diesen weisen wir durch die Erwiederungzunick, dasa diess det'setbeVor~'urf  sey, den fauLe

Schiitcr iin'em viel forderruden Lehi-er zu machen

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pnegen. Ft'eitich dart es nicht so nusser)ichund

rnechanisch geschehen, wie diejenigen es meinen,welche diesen Vorwurfmachen; denn es darf dabei

nicht vergessen werden, dass die Kategorien eben

nur Kategorien sind, also nur dienende Momente

ftir den sich entfattendenWeltgeist, der auf dieser

Stufe ihr concreter Grund ist und also nicht um-

gekehrt ihnen dienenkann. Der Pedantismussteckt

eben nur in der Absorption des hôheren Concre-ten durch das bloss Abstracte und Formelle.

2. Die physischen Kategorien derWeft-

geschichte sind dagegenbis jetzt gar nicht aufge-steHt worden.Ungeachtet des grossenAufschwungs

derNaturphiiosophie,ungeachtet dessen,dass schon

Novalis sagte die Natur ~are nur einIndex des

Geistes," ein Ausspruch, der so tief wie treffend

ist, denn die Natur im Verhaltnisazum Geiste kann

es eben nicht weiter bringen, als der In d ex des-selben zu seyn, ungeachtet dessen, dassbereitsmehrere Philosophen der Geschichte in ihren In-ductionen sehr nahe daran waren, wie z. B. unterden atteren Herder, unter den neueren Bûchez z–

dass sogar Naturphilosophen selbst, wie z. B.Schubart, so wichtigeMaterialien dazu lieferten,hat man bis jetzt noch nicht die Naturbestim-

mungen fur symboiischverhtillteT y p e n der Weit-

geschichte angesehen.

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Die Natur hat z~'ar keine Vorstellung vont

Geiste, aber sie i ssetbstVorsteiïung des Gei-

stes, sie ist eine verworrene Vorstellung, denn

ihre Form ist das Auseinander. Um a!so zu

zeigen, dass die Natur wirklich objective Vor-stellung des Geistes ist, wollenwir die Sache

beispielsweise durchztifuhrensuchen, da, wie ge-

sagt, die wIssenschaftMcherschopfende Durchfûh-

rung nur im Werke der' Historiosophie gegebenwerden kann. Die fotgendenAndeutungenwerden

 jedoch genugen, um wenigstens eine subjective e

Vorstellung dieser objectiven Vorstellungder Natur zu gebeh, und daherwoiïen wir diese

Andeutungen an etwas schon Bekanntes knupfen.Es ist bereits zu einemGemeinpiatzegeworden,

Persien ats das Land des Lichts zu bezeichnen.

Man ist wegen der wirklichen Lichtanbetung der

Perser darauf gekommen aber aufserdemist dasLicht

der wahrhafteT ypu Persiens. Manhat jedoch nicht

bemerkt, dass andereVoiker, Reiche oderEpochenauch ihre eigenen, so zu sagen einheimischen

oder patronartigenNaturkrafte besitzenkonnen,

ohne sic deshalb anzubeten, und dass es leichttnogtich ware, dass jede Periode in der Weltge-schichte eine ihr entsprechende Stelle in der Na-

turentwicklung behaupte, welche das ausseriiche

Symbotihrer innerenBedeutung abgebe. So kônnte

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es z. B., wenn es nue)) vieiieicht Niemanden be-

fremden mochte, den Mechanismus s ats dem

chinesischen Geiste entsprechend darzusteHen, –

doch nicht so leicht fassiich seyn, warum wir etwa

die Et e kt r i c i t at ats den wahrhaften Naturtypusdes griechischen Geistes betrachten, wobei insbe-

sondere Athen der dyn a mi s c h e n, Sparta aber

der statischen Etektricitat entsprecheti wm'de,~'etche beide sich endHch Im etektromagneti-s ch e n Système des grossen macedomschen Reictts

vereinigen, und, obgteich schon in sich selbst einen

Gcgensatz bildend, doch jnsgesarnmt und bestimmt

sich derLichtregion Persiens s- gegenüber-stel-

)en, und sich so biszum

schroiïstenWidersprucheder onentatischen und classischen Welt erlieben

würden, bis sie endtich dm'ch die éxpansive und

absorbirende Kraft der Warme, welche ihrerseits

das natùrphHosophischeSymbot vonRom bildet,setbst mit dem innern und âusseren Gegensatze indieselbe Tubergingen. Die weitet'e fur   jetzt blossassertoMSche Fortfuhrung dieser Principien, um

wenigstens einen Ueberb!ick des Ganges, den sie

machen sollen, voranzudeuten, ware den c h e mi-schenProcess in der Welt der Particuiaritâten

des Mittetatters zu erkennen, \velche Particu-

taritâten mit ihl'en b~sonderenVerhaItnissen, anfangsden unterschiedenen chemischen Eiementen,

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d. h. deh Radicatën entsprechend, stch dattti zùm

wit'kMchen~Gegensatzë' der Saure und Bàsis

im DtiàUsmusder geistigèti uhd wettlicheh Macht,

d. h. der Kirche und des Staats et'heben und coTi-

cèntrireh sollten, UmendHch die ~ynthetisch-neutl'àteti

Objecte, tulniMch die modërnen Staâten hervol'zu-

bringen,welche ~edoëh' 'këinèsWege~ organische,

sûndetti hur berëits në~tralg'ëWot'de'në ehefni-

sche'G'bmbi~atIcfUen;sind, 'die,' '!iachdetndël' eigeïtt-

McMechèmîsChe Procèsa uberwïmden ~vërden ist,

zWarstnthetische, abei' ddch wieder t n d t ffere t~te

Stibstrate' bildeh, wobei dëf  Mëchânismùs, 'diesier

Ruck'kehr der IhdiSerenLZwegeît, ~'ieder' aùftauchen

iMttss. JDiësën neuerwahntenn MeC~amamUs erkeh-

tiëhwirnichtb~s:

<~)~Ései~ich, 6x~i(titë ini' (~ieichgewi'cbt dM

Staàtensy~ntS in' der Viëtheit deï' Stààtëh

'Mtdërtt"aueh' ~<h-,

~j liitiertich, 'Mpiiette ih de~ BatanciMng~ dei-

~Staatsgë~altè~ in derEinheit desStaAtes ~etbst.

Hauptsachiich aber 'ini scheihbar'indiFerentén

hSûhsteh 'Vel'cattniss des S~aates zùr Rirché

"ûberhaUpt"Dieser Mechanismus aber, a)s nicht auf  seiïtem

eigentHchenPtatze', sotidern 'aïs Zeugede8 berëits

dttrchgemâchten chemischen KaiM~fes, atsû nui' aîs

Reactibn gegeï) denaeiben, atseine Restitution,

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die aber hôher seyn sou als das primitive ï nte-

grum, muss dem organischen Leben, welchem

dassynthetische gewordene, aber indifferente Ob-

 ject des Chemismusnur zum Substrate dienenwird,weichen. Das lntegrum nâmlich ging durch das

Urtheil hindurch, und nachdem diess kassirt twurde, kam es zur Restitution, die aber immer

nur iur eine montentane und négative Uebergangs-

p~sis angesehen werden kann, und die nur dazu

dient, dem Processe selbst einen hoheren Auf-

schwung zu verleihen. So auf demRand der Ge-

genwart angelangt werden wir erkennen müssen,dass die organische Naturweit in der ganzen Na-

turvorsteHungder Weltgeschichte, erst der Zukunft,

namUch der synthetischen Periode, anheimfa))enwird, die einen wirklich concretenOrganismusauf-

stellen wird,im Vergleich zu dem die bisherdurch-

gemachtenStufen nur Abstractionenund Elementar-

Bestimmungenwaren; so wie uberhaupt die phy-sische und chemische Naturwett nur die beiden

abstracten Pramissen der organischen bilden.

Die chaotischen Bewegungender Gegenwart wer-

den wir eben aisdann für den elementarischen

Pr o c e ss des organischen L eb e ns erkennen jaman konnte sagen fur eine ~M~o <ï~~M~oc<j',die, indem sie noch ein grosses Geheimniss der

Natur ausmacht, vieileicht von Ihrem Anaiogon

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im Geiste aufgpktart werden wird. Umgekehrt

sogar mag es uns ertaubt seyn zu schtiessen, dass

das Wesen der Fermentation und Biogeniedarum nur bis jetzt verborgen geblieben ist, weil

wir die ihm entsprechende Stufe im.Geiste nochnicht erreicht haben; gleichsam wie die Ge-schichte der Chemie m der chemischen

Geschichte des Mittetaiters erstihren An-

fang nahm,wahrend die Phy s i k imph ys i s c h e nAtterthum schon zumBswusstseyn derMensch-heit getangte.

Wir haben uns erlaubt, diesenvor!aungenasser-

torischen Ueberblick der physischen Kategorien-

reihe in ihrer Manifestationauf dem aUgemeinenWege der Menschheit zu geben, weil, wie gesagt,eine solche naturphilosophischeSymbolik der Ge-schichtebis  jetzt nochgar nichtaufgestellt wordenist.Bei den logischenKategorien habenwir dièss nicht

nôthig gehabt, da ihre Anwendung bereits bekannt

war; es kam uns also nur darauf an, die ganzee

Systematisirung und Ableitung dei'setben in der

Geschichte zu verlangen. Die eben gegebenen nur

provisorischenAndeutungen sollen aber dazu die-nen, diese neuen physischen Kategorien der We!t-

geschichte vor der Anschauung und Vorstellung zu

tegitimiren,deren wirklicheund vernùnftigeDurch-

führungaber durch denganzenEntwicklungs-Process

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choh bemerkt. dass LWir haben schon bemerkt, dass bei den phy-sischen Kategorien der Weltgeschichte nicht bloss

die symbotisch typischenzubetrachten seyen, son-

dern auch die realen, unmittelbar in das Leben

der Menschheit eingreifenden, wetche die naturli-

chen Einwirkungen und die physischen Gntndiagender Geschichteausmachen. Dièse soUeîiûberhaupt

der organischen Natur angëhSreh, und sind ofter

(aber, gleich den logischen, nie ganz complet,) in

der Philosophie der Geschichte, zuerst besonders

von Montesquieu und Hèrder bërùcksichtiget wor~

den; .diess sind namMch die geographischeh und

klimatischen Verhaitnisse, die miheraMschén, vege-tabiHsehen uhd animaiischen Bodenerzeugnisse, die

Raçenunterschiede, physische Lëbenswéise der In~

dividuen etc. etc., Wàsfreilich schon in die anthro-

pologisèhen Kategorien, wenh dièse ûberhaupt hier

aïs geistige zu betrachten sind, eingreift, zu wel!-

chen wir jetzt ùbergehen.

3) Hier erst treten wir auf ùnsern wirklichen

und dem Weltgeiste angemessenen Boden. Die

Geisteskat,egorieri sind nicht bloss symbolische Ty-

pen, nur etwa denGeschichtsphasen analog, oder

bloss passive und materielle Grundlagen derseJben,wie die physischenKategorien; sie sind auch nicht

bloss abstracte Begriirsbestimmungen, allgemeineideelle Grundiagen der Thatsachen, wie die logi-

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schen Kategorien, sondern sie sind active und

concrète e Selbstmanifestationen desGeistes, welche

unmittelbare specifische Elemente der Geschichte

ausmachen, wahrend die vorigen nur deren mittel-

bare Momente waren. Aber wenn wlr eben die phy-

sischen Kategorien tiberhaupt nur ats der Entwick-

)ung des Weltgeistes analog betrachtet haben, und

nur wen!gc für wirklich mitbestimmende aner-

kannten, so verhalt es sich mit den geistigen Ka-

tegorien gerade umgekehrt, indem sie hauptsachlichwirkliche und specielle Offenbarungsweisendes Gei-

stes bilden und nur wenige b1osanatog sich in

ihm absptegetn. Zu diesen letzten gehërt z. B. die

Vergleichung des Laufs der Geschichte mit dem

Menschenalter und dergieichen, und sogar dieses

wird zu einem unmittelbar WirkUchen, sobald wir

die ganze Menschheit individualisiren, was im Aus-

drucke Wettgeist zu geschehen pflegt. Denn

das, was wir Individualisiren der ganzen Mensch-

heit als Weltgeit nennen, kennen wir schon aus-

iuhrMcher unter der Benennung des allgemeinen

Entwickiungs-Vertaufs der Geschichte, und wenn

es uns hier als ein synthetischesEmporsteigen,sobald wir vom einzelnen Geiste ausgehen, er-

scheinen mochte, so ist es doch an sich seiner

logischen Bedeutung nach nur das abstract AH-

gemeine.

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Auf diesem Punkte entsteht die neue Forde-

rung, die ganze Reihe der Geistesbestimmungennic!)t mehr in ihrer abgeschlossenen Bedeutung,wie sie an und für sich cind, zu entwickeln, son-

dem dieselben in Ihrer Bedeutung fur die Ge-schichte aufzufassen. Aufdiescrhoherentnstanz

:ds Wettgeschichte mussen wir diesetben gleichsam

negiren, und zeigen, dass sie erst in der Geschichte

ihrer hôchsten Bedeutung und Wahrheit, so wie

ihres Grundes theilhaftig werden – und dass die

Gettung, die sie bis dahin hatten, wohl in sic h

concrète, aber im Verhattnisse zum Weltgeiste

ganz abstracte waren; weswegen auch die

an und für sich schon wirklichen und concretenBestimmungen des Geistes fur die Geschichte nur

a!s Kategorien dienen müssen. So werden alle

anthropologische und psychoiogische Entwicklungs-momente auf  die ganze Menschheit, aufbe-

sondere Votker und auf einzelne Indivi-

du en angewandt; in allen diesen Spharen aber

werden sie zugleich simultan, also zeitlos – und

dann im eigentlichen Sinne mo me n t a n, also zeit-

lich, indem sie fiir d i e s e Moment das speci-nsche movimentum ausmachen also immer,theils wirklich, theils typisch ihrer Stellung

und Vorstellung nach erscheinen. Auf diese Weise

sind z. B. die anthropologischen Bestimmungen des

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Alters und des Tempéraments in de:' Geschichte

so zu benicksichtigen, dass.das Alter nicht bloss

unmittelbar in das Leben der geschichtiichcn In-

dividuen machtig ein~reift, sondern dass auch~ wie

Herder schon aufsteitte, ein Alterslauf  der ganzen

Menschheit selbst inharire, und was ausscrdem nochhinzuzusetzen ware, besondereVûtker auf besondereu

Stufen besondere und verscMedene Altersstationen

verkùndigen~ so dass die ganze Entwicklung- desAlters nicht bloss extensiv auf der totaienMnie

der Geschichte sich oifenbare, sondern auch in-

tensiv auf ilu'en besonderen Stationen alle, ihre

integrirenden Monaente In simuitaner Entwicklung

entfa~te~– Desgteichen mit den Temperamenten,

welche nicht b!oss die Individuen, sondern auchdie Votker untërscheiden und sogar dièse Untpr-

schiedë im atigemeineHF~rtscht'eiten der Geschichte

behaupten, da das Leben der Mënschheit selbst

eincmTemperamentenwechsel untenvorfen ist.– Ja,die noch am meisten mit der Naturtichkeit behaf-

tftenBestimmungen, wie z.B. dieJahres- und Tages-Wechset, sogar der Wechseizustand des Schtafes

undWachens, muss in der Geschichte berucksich-

tigt werden, was freilich tropisch zu geschehenpilegt, aber dadurch eben dièses Characters der

speculativen Nothwendigkeit und dialektischen Ab-

leitung entbehrt, die wir ihnen hier vindiciren woUen.

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5

'Wie oft sind noch atigemeine geschichttiche Ah-

nungen, Traumwissen und Traumhandeln bei denVë!kern und der Menschheitzufâttig bemerkt wor-

den wie oft hat man besondere tdiosynkrasien,

A.nlagen, trübe Leidenschaften aïs herrschend in

besonderen Epochen angesehen? Wir verlangenalso, dass die ZufaUigkeit dieses Ansehns abge-streift und die wahre philosophische Bedeutungaller dieser Bestimmungen fur die Weltgeschichteanerkannt werde. So muss es wieder characteri-

stiscite Epochen des GetuMs, wie auch des Wis-sens undWotlens geben, und docb auf  jeder Stufemuss man alle die IntegratenMomente des Geistes

wieder antreiTen; – so ist auch andrerseits die

phanomenologischeEntwicklung des Bewusstseynsin den drei benannten Kreisen verschieden an-

zuerkennen, Indem es bei Individuen und Vôlkern

wohl alle seine nothwendigenPhasen durchgemachthaben mag, ohne dass darum die Menschheit~e-

reits zu dieser oder jener Phaais~<XT'e~o~~ ge-

iangt ware, weit bei den Individuen wegenihrer

Concretheit schon etwas actu sich entwickelt

haben kann, otttte in der abstracten Sphat'e der

Menschheit anders ats nur ~o~M~'<xvorhandenzu seyn. Dièse Entwicklung des Bewusstseyns in)

Individuo, ist nicht bloss objectiv wichtig, sondern

auch subjectiv ausserst intéressant, und wir machen

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(!6

diese Bemerkung absichttich, uin die  jetzt tast ver-

kannten Rechte der Unmittetbarkeit und des zu-

faUigen, sogenannten kieinlich Psychologischen der

Geschichte zu revindicsiren, weH man aus Furcht vor

Einseitigkeiten selbst in Einseitigkeiten faiit und vor

dem Watde die Baume nicht sieht. Ja, wir dürfenuns gar nicht gegen diese nnmitteibarePsychoto~iein der Geschichte so sprode stellen, denn der Mangetdaran ist es eben, der unsere atigemeinen Geschichts

darstellungen dieses Sympathieerregenden beraubt,welches wir in den Werken derAften so oft, sehrselten aber in den modernen antreffen; und für das

Leben der Idee brauchen wir. gar nicht das Leben

des Lebens zu todten. Wenn Hegel aiso- sagt, die

blossen Particutaritaten der Individuen seyen amentferntesten von dem der Geschichte angeho-

rigen Gegenstande; sokonnen wir woh) diesenSu-

pertativ ge!ten lassen, um wenigstens den abso-

tutan Pô sitiv nicht zuzutassen. Die ganzIicheVer-

weisung derselben in den Roman, wie Hege! *) es

vertangt, kônnte nur dazu beitragen, die Geschichts-

philosophie noch weiter von der Geschichtskunstzu entfernen. Nichts aber moctfte wûnschenswer-

ther seyn, a!s ùberall die Tiefe der Ideen durchdas Lebendige ihrer DarstëHnhgaufzuschtiessen.

') Encyciop.der philos.Wissënsch.3.Ana.§.549.Anmerk.

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5~41

Diese BenMrkttBgen haben bloss den Zweck,

die Réhabilitation der durch Reaction ausgestos-sehenEieméhte zu befôrdern; denn sowoht im Gei-

stigen, ats auch ImLogischen mHssen wir  jetzt das

ffûnei'VerHa~hte und deswegen spâter atsunbrauch-

bar und vertrocknet Heraùsgeworfene, wieder auf-

quiUen lassen, dasselbeneu berechtigen und auf  sei-

nem eigehtiiehenPtatze tiefer begrùnden. FpeiMchdarf es in dais Wesentliche der Gesetze nichtem-

gfeifen~and nicht da bestimmend auftreten, wo es

mtr untergeordnet sey~ hann. Seibst Hegel hat

es ausgesprochen, da~s die Geschichte z un ac h s t

ais derKampf  von Leidenschaften, partHeliichen In-

teressen u.s. attZMsehensey, deswegën

abër bei

der specuiativen ErhebHng über dièse Pafticuian-.

tâte~ ut)d ZuMtigkeiten wir keinesweges den un~

mittelbaren Standpunkt g a nz t i ch a b we is e n, und

so statt einer wahrhàftenIdentification desDetikens

ùnd Seyns der AHgemeinheit des Denkens ëin ent-

schiedenes Uebergewi cht {tber die BesoBiderheit dés

Seyns geben dürfen. ScMiess!ich fugen wïr noch

dèn schonem ~nd tiëfen Ausspruch Herbart's ben

,ie Psycho!ogiebteibt immer

einseitig,so~

langesie den Menschen aïs allein stehend betrachtet *).'i;– Es muss also eine Psychologie der Menschheit

*) Herbart's Psychologie. Letxtea.Capitet.

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und derVô!ker, so wie des individuellenMenschen

geben*).Die weiteren und immerh~herenMomente des

Geistes werden endJich die wirklichen und wich-

tigsten Elemente der Geschichte ausmachen. Re-

Mgion,Sprache, Kunst, Wisspnschait, Recht, Staat

etc., das sind die eigertUichenErgebnisse der Ge-

schichte, weil sie zugleich auch die hôchsten Be-

stimmungen des Geistes sind. Zu deren weltge-schichtlichen Ableitungd. h. zu deren AuNassungnicht in ihrer eigenen Bedeutung, sondern afs

integrale Momente des Weltgeistes sind schon

sehrschiitzbare Beitrage vorhanden**). Es bleibt

aiso dieAui'gabe der Historiosophie,alle dièse Eic-

mente, dietheihveisebereits organisirt,meistentheilsaberjwhzu organisiren sind, fur unseren Stand-

punkt zuvindiciren und diesem gemass sie ab

zuleiten.

tn dieser Betrachtungsweisee!'scheinen uns; aUe

Momented~s pbHosophIsf'hen Systems In ihpcrr

specialen Beziehung und Amvendung zurGeschichte derMenschheif, und dasaus dem

Grunde, weil dieGeschichte,

wieiruher gesagt,

*)Zu dieser Aufgabe habcn Condorcet und Kant bereits schatz-

bMeBeitrfigegeMefert.**) Von den Choryphaeen der Berliner, Munchener und Wienet-

Schule, in Deutschland; nicht zu gedeuken mancher sehr wich-

tigen austiindischen Monographien.

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 \vegen ihrer hôchsten und concretesten SteUungin der Entwiciktung des Geistes den Makrokosmus

bildet, zu welchem alle niedrigerenDeterminationen

convergiren mûssen. So ist die Weltgeschichtedas ~/Mor/M/7ï co~MM/ïg des Universums. Eins

nur steht ûbci' der Weltgeschicitte, das ist der

absolute Geist, Gott. Deswegen, so wie Alles in

der Welt der Geschichte unterworfen ist, so ist

dieselbe wiederum nur Gott unterworfen. Wie

die Wettgeschichte das Weitgericht ist, so ist

wieder Gott der Richter der Weltgeschichte, und

dièses Wa!ten Gottes in derWeItgeschichte, wah-

rend die Weltgeschichte selbst über Alles wattet,

ist eben unser letztes Ergebniss, welches zugleichauch das erste ist, und in diesem Faite, wie

irnmer, wird es das Alpha und das Oméga seyn.Darum haben auch die zwei ersten JBegrunder der

  jthilosophischen GeschichtsdarsteUung, der heilige

Augustinus und Bossuet, dieses gottliche Walten

ais Princip der Weltgeschichte aufgestellt, darum

werden auch die letzten Bearbeiter dieses Feldes

zu den namMchen Resuttaten gefangen, da diess

zugleich Princip uud Resultat ist. Dieses Waltenist bis )etzt meistens nur assertorisch aufgestellt

 \vordeH; wir aber hatten es in seiner dreifachen

OirenbarungsYveise zu statuiren.

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1) unmitteibar in derVergangenheitdurchdieVer-

wirkiichung der gôtttichen Verheissungen im

besondern Antaute der Geschichte;

2) mittelbar in der Gegenwart durch die Entdek-

kung der gottlichen Vemunft im aUgemeinenVerlaufe der Geschichte;

3) zweckmassig vermittelt in der Zukunft dm'ch

die Erreichung der gCtt'ichen Endbestimmungder Glückseligkeit, in dem bestimmt voilfuhr-

ten te!eo!ogischenAustau(e der Geschichte.

Die erste Art von (Menbarung wird sich in

dem empirischen Theite der Historiosophie fa-

ctisch beweisen und sie bildet das specifische Ete-

ment desGtaubens; – die

zweite wird im

specuhtivehTheile abstraet und genetisch abge-

leitet wobei die Kategorien, von dehen wir nur

ein ûûchtiges Schema gegeben haben, die bestimm-

ten Entwicketungs-Momente ausmachen; diese da-

gegen bildet das specifische Etement des Wis-

sens;– die dritte aber soU Im synthetischenTheil concret, frei und wirktich der inneren

Teleologie des Geistes gemass entwickelt werden,

und diese bildet das speciiische Element' des hoch-sten Cuttus, denn die t ha tige Erhebung der

Menschheit zu Gott ist gewiss der Erhebung im

Gefuhte oder im Gedanken ùber!egen. So wird

dièses machtige Eingreifen der Gottheit in die Ge-

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sctn~hte, dièse angenounueneveruùnitigeV~rsehungkeinesweges ein leerer Gedanke bieibe~; sonderu

begnirstnassig;und bestimmt diaeseLiclltsaulebiiden,deren dieMenschheit nur zu folgen hat imNameu

`

des Vaters, des Sohncs und desheiligen

Geistes.

Wie wir ini ersten Capitet die Forderung auf-

gestellt haben dieVernunft, welche fur die in der

Weltgeschichte waltende Macht ausgesagt wlrd, or-

ganisch zu entwickeln und dieselbe selbst vernûnf-

tig d. h. den bestimmten Vernunftgesetzen gemasszu deducircH, also von dieser i'ormellen Seite e

die Geschichte seibstats eine ideelle Totatitat zu

systematisiren;– so

haben ~'Ir jctzt die zweiteForderung betrachtet, wonach derinhalt derGe-

schichte und die denselben bestimmenden Katego-

rien, die eben seine Elemente und Momente aus-

machen sollen, selbst gleichfaHs in ihrer unterschie-

denen Totalitat zu organisiren sind. Wie dort also

der eine aUgomeine speculative Gesichtspunkttur die Totalitat der Weitgesôhichte zu vindiciren

gewesen war, so war es uns hier wieder darum zu

thun, die Totatitat der vieten be s onde l'en Ge-sichtspunkte hervorzuheben, also dasselbe für den

tnhaft, wie fur die Form und Methode der Ge-

schichte zu thun. Wie wir also im ersten Capitelden ideellen Organismus des allgemeinen Laufes der

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Geschichte und der objectiven Méthode derselben

aufgestellt haben, so stellen wir hier die gleiche For-

derung eines ideellen Organismus der Kategorien der

Geschichte auf. Dadurch haben wir auf  beiden

Seiten gar nichts weiter geleistet, a!s die Philoso-

phie der Geschichte ihrer Méthode und ihrer In-

hattsdurchfûhrung nach dem Hege!schen Standpunktder Philosophie überhaupt adaquat gemacht, weil

es aus dem bisher Gesagten genug erheUt, dass

Hegel.'s Philosophie der Geschichte dem eigenen

System überhaupt nicht angemessen war. Was wir

also bis jetzt abgehandett haben, ist für das Systemder Philosphie a!s solcher nur eine VervoUstandi-

gung und Vergleichung gewesen. Was aber im drit-

ten Capitel foJgen wird, soU dagegen über das allge-meine System selbst hinausreichen, atso nicht mehr

eine Ausfüllung des Standpunktes, sondern einen po-sitiven Durchbruch desselben ausmachen. In der

Folge werden wir also Hegeln nicht mehr der In-

consequenz, oder wenigstens nicht volistandiger Ab-

leitung undDurchfuhrung auf  diesem Fetde seiner

eigenen Principien beschuidigen konnen, sondern

umgekehrt werden wir ihn für

streng conséquentanerkennen, aber eben darum ihn vertassen mussen.

Also, sowohl wegen ïnconsequenz, ais auch wegenConsequenz mussen wir ihm entgegentreten. Esist nicht zu bez~eifein, dass, wenn, ~ie schon oben

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bemerkt, Hegel dazu gekommen ware, seine Vor-

lesungen ûber die Philosophie der Geschichte zu

einem Werke umzugest:Jten und diese hohe Stufe

des Geistes noch tiefer, als er es bereits that,

zu durchiorschen, sich ihm die bereits aufgestelltenFordenmgen selber aufgeschlossen hatten, und so

ware uns ein weit mehr organischesWerkmit der

strengsten und durchgefuhrtesten Diatektik einerseits,und mit der concretesten Entwicklung der Elemen-

tarbestimmungen andrerseits geworden. Den Man-

gel der Hegelschen Philosophie der Geschichte

aber, we!chen wir im. dritten Capitel auseinander

zu setzen haben, hatte Hegel dagegen nie zu he-

ben vermocht, weil wir ihn dort auf seinem ange-messenstenPiatze seiner allgemeinen philosophischen

Stellung ausserst getreu finden werden*).

*)Das zufattigMerkwurdige dabei besteht darin, dass eben das,was wir weiter bei Hegel zu bekampfen haben werden, was wirihm aber nicht zur Schu!d anrechnen konnen, weil es die treu-ste Consequenz seines philosophischen Standpunktes überhauptist, sich gcrade in dem Theite der Einleitung in die Vorlesun-

gen ilber die Philosophie der Geschichte befindet, welcher nachder Angabe seines Herausgebers ganz von ihm herriihrt und vonihm seibst vottstandig zum Druck umgearbeitet war. Diesesware also nicht me))r zu verandcrn gewescn. Derselbe Umstand

berechtigt uns aber zu glauben, dass er die Consequenz seines

allgemeinen philosophischen Standpunktes überall bei einer letz.

ten Umarbeitung durchgefuhrt hatte, um) einem Spaterkommen-den nicht mehr die Ausfutlung, sondern bloss die Durchbrechungseines Standpunktes gelassen batte.

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Die Forderungen, die wir iu diesen beiden Ca-

pitetn für die kunftige Historiosophie geltend ge-macht haben, erschweren nicht nur unendiich die

Aufgabe, sondern würden diesëtbe sogar unmoglich

machen, wenn man nicht auf die Mitwirkung con-

vergirender Monographien zu rechnen berechtigtware. Wenn wir nur z. H. die Durchiûhrung der

Kategonen in dem Geschiehtsstoffe betrachten, so

ist uns die Schwierigkeit desto einteuchtender, jentehr wir überzeugt sind, dass diese Kategorienselbst an und iur sich noch nicht ihre absolute

und durch das ganze System dm'chgretfende Ab-

teitung erlebten. Dieses Voiffuhren des philoso-

phischen Systems selbst ist  jetzt eben die wirkliche

Aufgabe der thutigen Denker, das System seibst

also muss, wenn man so sagen konnte, erst m sich

fertig werden, bevor es seine relativ hôchste Be-

grûndung und Probe in der Weltgeschichte zu fin-

den im Stande ist. Diess ist uns ein wichtigerGrund fur die AufsteUung der Aufgabe der Histo-

riosophie gewesen.Wir haben bei der Andeutung dieserKatego-

rienkette sehr

oft auf Denkergetroffen,welche die

eine oder die andere von diesen besonders hervor-

gehobfn haben, uud diess a!s den Cuhninationspunktibrer Betrachtung gesetzt, ~as wir hier in den

Zusamrnenhang des Gnnzen aufzunehmen forderten.

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Dièse AufsteUungen von stpecieiten Priucipien iund

das Erschopfen ihrer Bedeutung fur die Weitge-schichte ist die ebenvet'Jangte~ihyirkung, welche,

obg'ieich sie schdn viel Terrain gewonnen und viele

Positionen eingehommen, dessenuHgeaGhtetnicht~e~niger nocb kûnfttg einzunehmen bat. Wie namiich

der allgemeine dialektische; Organismus der We!t-

geschichfeso zu sagen kunst- uud ideegem~ss von

em6m Gbsse in haj'momscher Architektonik auizu-

stellen ist:,–so ist wieder das System! der par-ticuiaren Elemente dei' Geschichte gleichsam wie

gothiscbeBauwerke, nach uhd nach von ver-

schiedenen Seiten und durch verschiedene Indivi-

duen zur vollendeten Ganzheit zu bringen. Wieaber die Kategorien sëibst in sich einen vollstan-

digen und gegtiederten Organismus bilden, so,istihre zeitliche Aufstellung selbst ein speculativer Pro-

cess, der, obgleich weit entfernt beeudigt zu seyn,doch seinen ganzen Vertauf woM zu begreifen er-

laubt. Also selbst die Geschichteder Philo-

so p h i ed er Ge s ch i ch t e ware organisch zu Jas-

sen, und es bHebe fur sie das Anabge zu leisten,

was Hegel fur die Geschichte der Phiiôsophie atssotcher geieistet hat. Indem aber in diesem zwei-

(.en Capitel der Plan dièses gothischen Gehaudes

der Historiosophie (im Gegensatze zu deren k l as-

s i s c h e mBauim ersten Capitel) aufgesteitt wor-

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den ist, so ist es   jedem kûnftigen Baumeister teicht,das Moment zu wahien, was er bearbeiten wi! um

so nach und nach das Ganze aus so heterogenen

Beitragen auszubi!den, wobei sich wohl ergebenkann, dass mit der

Foigeder Zeit und also mit

der Entwicklung des arbeitenden Geistes, der pri-mitive Plan sich selbst entwickle, – eine Erschei-

mjng, die wir an mittelalterlichen Bauten iast immer

erkennen, und die gar nicht zufallig, sondern dem

Begriire der Particularitatsbildung ganz entsprechendist. Darumzweifeinwirdurchaus nicht, dass die be-

reits gegebene Uebersicht der Kategorien, obgleichsie dem gegenwartigen Standpunkte der Philoso-

phie ganz entspricht, sich doch in der Folge voll-kommener entwickeln werde, ohne indessen das

Wesen seiner Gestalt anzugreifen. So ist also die

ciassische Architektonik der Weltgeschichte, die

wir iin ersten Capitel aufgestellt haben, gar nicht

zu verandern, denn sie ist die wirkliche dem Ge-

schichtssto~e ganz angemessene Form. Die roman-

tische Architektonik unseres zweiten Capitets aber

kann wohi viele Abanderungen erleiden, denn es

kommt bei ihr auf eine Menge Spitzen und Ge-wo)be an, welche alle fur sich zu bearbeiten sind, uud

deren icteeller Nexus nur ein atfgemeiner seyn kann.

Zu dieser Arbeit lordern wir also die einzelnen

denkenden Geister aui', um nach der teitenden Idee,

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in der Zeit und mit der Zeit, den Tempe) der Ge-

schichte aus so verschiedenartigen Materialien auf-

zubauen.

Auf diese Weise, nach der Aui'stettung des

Wie und des Was des Organismus der Weltge-schichte, gehen wir zu dessenWarum <iber, wel-

ches gteichfaUs in einem genetischenProcess aufzu-

fassen ist.

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Ut. Kapiiei.

TTe]teot<~ie AefW~e)tjse)s)eM~t<Mir HIftder Geist!Awfeinmatseh"ich Ràthh

Undschreibegetrost amEn d e wi r d die ThatGoethe.

Nachdem die leere Perfectibilitâtstheorie dem

philosophischen Bewusstseyn der Weltgeschichte

ungenûgend erschien, trat die erste teleologische

Grundansicht hervor, wetche, dasie Rbendieerstc e

war, auch die unmittelbarste und die niedrigste in

der Entwicklung der Idee seyn musste. Die Te-

leologie der Weltgeschichte hat namlich auch ei-

nen Entwicklungsgang durchzumachen und die Be-

stimmungsstadien der Idee einzeln und stufenmas-

sig festzusetzen. Den Organismus dieser Sta-

dien, d.h. den complet speculativen Vertauf der

Teleologie müssen wir hier wiederum zu erken-

nen suchen.

Die Idee in ihrer Unmittelbarkeit, in ihrer

ersten âusserlich natürlichen Gestalt ist die Idee

des Schënen und der Kunst. Dieses ist von

Hegel in der Lehre vom absoluten Geiste sehr rich-

tig aufgefasst, obgleich logisch nicht mit solcher

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KJarheit abgeleitet worden. Diese Unmittetbarkeii

bleibt die wahrhafte ;Stellung' des Schonen und der

Kunst, wenn man auch spater, ~Ie z.jB. Weissee

ihrer Idée eine andere Stellung anzuweisen ver-

suchte, und wenn man auch sogar vonder anderen

Seite die Idée der SchOnheit iur die specutativeEinheit der Idee desWahren und desGuten, atsof(ir die Synthesis des Theoretischen und Practi-

sehen ansehen wollte. Jener hrth~m hat seinen

Grund darin, dass man dem Denken die Prioritat

vindiciren wotite, wodurch die Schonheit zu ihrer

Voraussetzung die Wahrheit haben muss, was je-doch tmigekehrt sich gestattet, indem die Wahr-

hëit eine weitere und hôherë, wehn auch in Ge-

gensatz zu der ersten tretende Bestitmmmg iat,

was schon von Hege) sehr richtig im Uebergangévon der Kunst zurPhitosophie nachge~iesen WOr~

den ist. Der zweite tn'thum aber ist gewiss ausdem Missversteben dessén, was Heget in der Ae~

sthetik (S. 145-–148)sagt, ëntstanden, wo er daa

Schone wohl aïs die Vereinigung der~beideitu Ge-

sichtspunkte der endiichen IntelHgenz und des

endiichenWoUens bezei~hnet, was esauch wirk-iich ist, aber auchmir dièses, und keinesweges die

Einheit des a bs ot ut Wahren und GrutëH. Ans-

serdem noch hat diese Aunassung gewtssërmâs-sen Recht, wenn sie das Schône fur eine solche

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Einheit anninnnt,nur mit der Unterscheidung, dass

diess eine unmittelbare, unaufgeschlossene,a)so

thetische, aber keineswegessynthetische und

absolut vermittelte Einheit ist, dass sie aber

nur eine natürliche Indifferenz bildet, welche den

Process der Diremtion noch nicht gemacht hat,aber nur an sich diese Einheit ist.

Die Idée des Schônen also a!s das erste Sta-

dium des teleologischen Processes der Weltge-schichte aufzusteUen,lag in dem Wesen der Idee.

Ihre nahere Bestimmung als weltgeschichtMchist:

Cultur, Humanitât, asthetische Bildungdes Menschengeschleclits. Der erste Den-

ker,welcher den

teleologischen Standpunkt derGeschichte festsetzte, trat auchsogteich mit diesen

Begriffen hervor, und wenn auch die Idee derCultur noch vorHerder durch Iselin aufgestelltwurde, so geschah es in so unbestimmter Weise,dass demsetben in der Darstellung der Entwick-

htng der geschichtlichenTeleologie nur ein Ehren-andenken zu Theil werden kann. Was,aber Is e-lin unbestimmt, abstract und gleichsam instinct-

massig in die Weltgeschichte einfûhrte, das hatHerder bestimmt, concret und bewusst durch

den empirischen Stoff der Weltgeschichte durch-

gefûhrt, bis .endlich SichiHer dassetbe specu!a-tiv und ganz ideenmassigausfuhrte, –in wet-

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6

t'herAusFûhrung zugleich die Herausfûhrung

m einenhôhernundweiternStandpunkt lag. Bevor

wir zu diesem zweiten ùbergehen, mûssen wir uns

kurz mit derBedeutungdes ersten vertraut machen.

Indem die Kunst die ers teVersohnung

des

Geistes mit der Natur und überhaupt des durch-

greifendenHaupt-Gegensatzes desUniversums aus-

macht, ist die ihr in der Weltgeschichte entspre-chende asthetische Bildung und Humanitat die er-

ste Bèstimmung der Menscitheit. Das ist der

Kern der SchiUerschen und Herderschen Welt-

ansicht, welcher selbst bei Schiller ganz bewusst

ausgesprochen wird *). Die schon wirklich syn-

thetische und beiden Seiten des Gegensatzes ihrRecht widerfahren lassende Versohnung ist die

absolute Forderung dieses Standpunktes, – ,,da-

her soU es jederzeit von einer mangelhaften Bil-

dung zeugen, wenn dersIttiicheCharacter nur mit

Aufopferung des Naturlichen sich behauptenkann **). Diese Versohnung indessen, wenn auch

schon absolut, aber doch in dieser Absolutheit als

die erste und unmitteibarste, muss sich in der Form

der naturHchenEinzeInheit zurExistenzbrin-

*) In dessen so sehr wichtigem und im Verhaltniss zu dieser

Wichtigkeit fast verkannten Werke ,,Ueber die aesthetische

Erziehung des Menschen."

'") Schiller, aesthet. Erziehung Brief  4.

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gen. Es konnte auch nicht anders ausfallen bei

den Phitosophen"des unmittetbaren Wi s s e ns,"welches von der ,,empfundenen Wahrheit"

und von dem ,,Glauben, ats Resultat der Er-

fahrung, dem die Vernunft zu gehorchen

hat," ausgeht, sowiebei demDichter-PhiIosophen,dessen philosophische Weltanschauung immer

poetisch und künstlerisch sich gestattcn musste.

Die ,,Coincidenz der Gegensatze" ist woh!

auf dieser Stufe auch für die Geschichte a!s Cu!-

minationspunktangesehen, aber, wie der Ausdruckselbst bezeichnet, ist dieselbe mit ZufaHigkeitundBesonderheit behaftet. Es ist nâmtich nur Coin-

ci denz, keinesweges aber speculative tdentitat.

Darum wird diese Einheit auf natûriiche und sinn-liche Weise in der Erfahrung gemacht und ge-funden, darum ist auch die Bildung blossB i du ngEinzeiner. Daher ist es Herdern, absehend vonder Substanzialitdt des Staates, um die individuelleHumanitât zu thun, und daher ist die Fortbildungder Menschheit zu dieser Humanitât ats eine zu-

fallige betrachtet worden, die wohl andershutte ausfallen konnen; wenn aber derMenschin dieGesellschaft tritt, so ist es, weil er dazu g e-boren Ist*).

HecdersIdeenzueinerPhilos.derGesch.derMenschheitBch.tV.Cap.6.

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6*

Dieser Zweck der Menschheit ist ausserdem

noch aus der physischen und sinnlichen Or-

ganisation des Menschen abgeteitet. Die Organi-sation ist fur ihn das Kunstwerk, aus wetchemer seine teleologische Bedeutung hervorthut. –

DasHochsteist im Sinnlichen vorhanden, und

 jede KteinHchkeit der sinnlichen Organisation istder angemessensteAusdruck oder Fingerzeig fürdie Bestimmung der Menschheit. Diess, wir

mtissen es anerkennen, ist der achte Stand-

punkt der Kunst, auf die Weltgeschichte übertragen.Analogfordert Schiller fur die Volker, wasHer-

der fSr die Individuen fordert, aber ausserdemerhebt er diese künstlerische

Anschauungzur ho-

hernAlIgemeinheit,indemer sagt: "Totalitat desCharacters muss bei dem Volke gefunden wer-

den*). Bei der kunstlerischen Bildung des Voi-

kes erkennen wiralso in dieserForderung derAuf-

behaltung aller Mannigfaltigkeitender Vôtkernatureben dasselbe Kunstkriterium fur den Weltgeistvindicirt, welches Hirt fur das Schône ûberhauptaufstellte, und welches, der formellen und abstra-

cten Seitenach,

dasrichtige

ist. Schiller bleibt

aber dabei nicht stehen, und geht zum Inhaltigenfort, welches er in der Versôhnung des universel-

') Schiller a. a. 0. 4. Brief.

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ten Antagonismus durch die Kunst vornndet; und

hier sehen wir ihn bereits mit Schelling zusammen-

fallen.

Aber nicht bloss die te)eo!ogische Weltan-

sicht dieser subjectiven Denker haben wlr auf 

dieser ers<.enStufe zu erfassen, was nur ein Zweck

an sich, alsVorgesetztes, w:in'e,'Sondern der-

selbe ist in dei'Wit'kiichkeit. aïs Gesetztes s noch

aufzuweisen. Der Weltgeist auf der Stufe der

Kunst ist der griechische Geist; die griechischeGeschichte und das griechische Leben sind k)as-

sisch par excellence. Dieser Kunststandpunkt in

der Geschichte aïs etwas bereits Vergangenes ist

gteicl)fat)s von Schiller aufgefasst, und daher sagter so wahr: "Die Erscheinung der griechischenMenschheit war unstreitig ein Maximum, das auf 

dieser Stufe weder verharren noch hoher steigenkounte. Nicht verharren, weil der Verstand durch

den Vorrath, den er schon batte, unausbleiblich

genothigt werden musste, sich von der Empfindung

undAnschauung abzusondern, und nach Deuttich-

keit der Erkenntniss zu streben; auch nicht

hôhersteigen,

weil nur ein bestimmter Grad von

Klarheit mit einer besthnmten Fülle und Warme

zusammen bestehen kann. Die Griechen hatten

diesen Grad erreicht, und wenn sic zu einer hô-

heren Ausbitdung fortscbreitcn wollten, so muss-

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ten sic, v\ic ~vir, die Totatita~ ihres Wesens

aufgeben, und die Wahrheit aufgetrenntenBahnen verfbtgen *)."

Indem so Schiller sehr klar erkennt, dass diese

natùrHcitvorhandeneEinheit sich aufschiiessen undin Widerspnich gerathen nmsste, bleibt er dabei

nicht; mindcr stehen, und nachdem er den Wider-

spruch als das Loos der Gegenwart angesehen hat,

stellt er fui' die Zukunft die Forderung einer neuen

hôheren Einheit, und das Ziel auf, eine h ô hèree

Kunst t an die Stelle der ersten, die zerstort

n'urdc, auszubitden.

Mit dieser Forderung hat es, indem wir sie

mit unserem  jetzigen Bewusstseyn betrachten,nachsteltende Bewandniss. Der schune und kunst-

gemâsse Standpunkt des Weftgeistes in Griechen-

land war ein natûriicher Zu stand. Die Sub-

 jecttvititt wlrkte zu seiner Hervorbringung und Er-

haltung gar tncht, weil sie selbst noch nicht ent-

wickett war; – es war also ein rein objectiver

Zustand, welcher eben darum nur seyend war,und der, sobald er antmg gedacht zu werden,

dadurch eben in sich zerneL Jetzt aber hat sic!)das Denken selbst durchdacht, es hat sich

mit dem Seyn versohnt, denn es wird ja selbst

') SchUter,Aest.Erzichungd. M.Br.6.

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zum Seyn, aber nicht ats Zu stand, sondern a!s

Ausbitdung, welche eine durch dasDenken be-

reits übergegangene, also vermittelte Kunst her-

vorzubringen hat. Das Kunstleben der Vergan-

genheitalso verhalt sich zu dem der Zukunft wie

Thatsache zur That (Factum zuActum)*).

A. W. Schlegel Dennt die griechische Cultur sehr

trefflich eine vollkommene natürliche Erziehung.Nach derenZerfaHen ist also eine künstlerische e

Erziehung zu Stande zu bringen eine that-

sachtiche Kunsthildung ist durch eine thatge-masse zu ersetzen; das ist das Hochste, wozu

es Schiller bringen will, und es ware dasselbe

wirklich dieses, wenn die Kunst ats sotchedas Hochste seyn kunnte.

Auf diese Weise sind von Herder und Schiller

die Grun dlagen der wahren Aesthetik derWeJt-

geschichte e aufgestellt, auf  welcher Stufe das

Leben der Menschheit eine Kunstbildung, die Staa-

ten und Individuen Kunstwerke, die grossen Man-

ner endlich Staatskünstler sind. tndem wir aber

 jetzt zum zweiten Stadium ûbergehen, werden wir

erst der wahren Philosophie der Weltge-schichte begegnen, auf  ivelcher Stufe wieder das

Leben der Menschheit eine Fortbildung des Be-

*) Man vergl. das erste Kap. diescr Frolcgomena.

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wusstseyns, die Staaten Ideen, die grossen Man-

ner endlich (wir meinen es gar nicht ironisch) Staats-

phitosophen sind. Hier also muss die astheti-

sche Bildung der philosophischen Bildungweichen.

Ats Uebergang dient uns wieder ein AusspruchSchillers, der selbst zum Bewusstseyn der Unzu-

iângUchkeit seines Standpunktes kommt, und diesen

aïs Mittel und Uebergang fasst. Er sagt namUch

,,Die Schônheit ist es, durch welche man zu der

Freiheit wandelt *). Dieser Satz ist sehr w ah r

und zugleich sehr fa aiseh. Die Schonheit nur ais

Uebergang betrachten, hiesse die Kunst beeintrach-

tigen die asthetische Bildung der Menschheit ist

aber nicht nur Mittel, sondern auch Selbstzweck,wirkliche Bestimmung des Weltgeistes, aber sie

ist Seibstzweck in noch unmittelbarer, also u n z u-

tangHcherForm, unddiessistwieder das Wahre

des Satzes. DieKunst ist schon diese absolute

Vei'sëhnung, dièse*hohe synthetische Bestimmung,die nicht bloss Mittel und Durchgangspunkt, son-

dern wirkliche teleologische Bestimmung ist. Aber

die Synthesis selbst ist eine TotaHtat, die wie-

der verschiedene Entwicklungsstufen in sich

enthalt, deren erste für unseren Fall hier, namlich

Schiller aest.Erziehung.2. Brief.

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fiir die Weltgeschichte, die asthetische Bildung ist.

Also, obgleicli.sie an sich schon das Hôchste ist,

weisst sie  jedoch auf  etwas noch Hoheres, und so

diiTerencirt sich das AUgemeinbochste, indem es

selbst in sich Niedrigeres und Hôheres enthâlt.

Um aber bei dieser Stufe g)eichfaHs, wie spa-ter bei der foigenden, es nicht mit dieser bloss for-

meUenATierkennungihrerBei-echtigung ais Seibst-

zweck bewenden zu lassen, sondern auch denset-

ben in der That aïs Seibstzweck zu statuiren, wer-

den wir nach der Aufweisung des abstracten Ver-

laufes der teleologischen Entwick!ungen, so wie

deren concreteren ReaUtât in der Geschichte, (wiedas bereitshier,

dur ch Aufstellung

der asthetischen

Teleologie und ihre real entsprechende SteUungdes Weltgeistes in der griechischen Cuttur zuerst

geschehen ist) dieselben Stufen zum dritten male

am concretesten aufnehmen und dieselbe ~<XT'

~o~~ in der absoluten Teleologie der Weltge-schichte begrùnden. Diese hochste ideenmassige

AutTassungwird erst die  jetzt vorangehende, logisch-

begriilmassige, so wie deren einseitige Objectivititt

vermitteln,und so wird diese absolute

Teleologiedurch das Factum in der Geschichte und durch

dessenBewusstseyn in der Historiosophie durch-

gehenderst zurwirkiichcnThatgciangen. – Diè-

ses kann aber nicht etier gesciiehen, ais bis wit-

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die ùbrigen Formen dieser abstracten Te!eb!ogie

durchgegangen seyn werden.

Indem die Schonheit so als nicht mehr genû-

gend, weil sie nur das NIedrigste des Hoc b-

sten ist, sich erfasst, mûss sie in ihr Gegentheil

dialektisch umschiagen. DasUmschIagen geschiehtnun durch dasHervorheben <lessen,was eben das

WesentUche in ihr ist, und da dièses sich als un-

angemessen erwies, muss umgekehrt das Entgegen-

gesetzte als angemessen hei'vortreten. Das We-

sentliche der Schonheit und der Kunst ist eben

die Unmittetbarkèit, die naturhche und kûnstliche

Aeusserlichkeit, in welcher das Hôchstespontan,aber nicht

seibstspontan(d.h. wohi

spontan.in dem Sirine von ~M~'o~'o ~OM/aM~O!, aber

nicht ~Mûc.~OM/<?)zur Existenz kommt. Darans

entspl'ingt also das BedurEniss des Entgegengesetz-

ten, des Reflectirten fur sich,rder übersinnii-

chen hinerlichkeit, in welche,dieses Hochste nun-

mehr in .der. Form des Denkens uud des B~e-

wusstseyHS sich hel'auszuentwickeln hat. So

wird das Schonc wil'kiich zum Durcngangspunkt,welches Verhaltniss

Hegel*)sehr

richtigbezeich-

net, indem er sagt, das Kunst\vei'k stehe in der

Mitte zwischen unmittetbarer Sinnlichkeit einerseits

*) Vorlesungen uber Aesthetik S. &i.

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und demideellenGedankenandrerseits. Hegel aiso

konnte erst das klare Bewusstseyn über die vor-

angegangeneStufe aussprechen und darum erkennt

er dasKunstschone ais ,,eineder Mitten, wel-

che jenen Gegensatzund Widersprnch des in sich

abstractberuhendenGeistes und der Natur auHossteund zur Einheit zuruckiuhrte *)."

Nicht minder wie Schiller bleibt auch Hegelbei dieserRuckwartserkenntnissnicht stehen, son-

dern schreitet vorwarts zu der we i t ere n Mit te,welche sich uns wiederspâter a!s die eigentlicheMitte der Mitten ergeben wird. Bei ihm

ist “ die hOhereForm, – der Darste!!ung durch

das )-!inn!Ichconcrete gegenùber, das Denken

das zwar im relativen SInne abstract,aber nicht einseitiges, sondern concretes Denken

seyn muss, um wahrhaftigesund vernûnitiges Den-ken zu seyn *~).

Das ist eben der Punkt, zu dem wir für  jetzt

ge!àng6n wo!tten, und welcher für unsern Gegen-stand die Begrûndung der wahren Philosophieder Geschichte, im Gegensatz zur vorigen Ae-

sthetik der Geschichte bildet. Wie bei dem

ersten teleologischen Standpunkte die Geschichte

nur Ihrer individtf~Henund natürlichen Gestaltung

*-)a. a. 0. S.711.") a. a. 0. S. 93. 94.

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nach aufgefasstwar, so ist sie es jetzt ihrer obje-ctiven Attgemeinheit nach. Die Schonheit ist in

die Wahrheit übergegangen, das Kunstleben der

Menschheit ist in seine philosophischeIdee absor-

birtworden,

und statt der Humanitatund schë-

nen Bildung, ist das wahre Bewusstseyn des

Geistes von seiner Freiheit, ats ,,Endzweck der

Welt" ausgesprochen*).Dieser zweite Standpunkt der Teleologie der

Geschichte, nâmlich der wahrhaft philosophi-

sche, welcher in seiner gediegenstenKlarheit erst

von Hegel aufgestellt ist, muss zunachst dem e r-

sten asthetischengegenùber, anerkannt und

in seiner Wahrheit erkannt werden,um

nachherseibst wieder ûberschritten, und in einen ho-

heren dritten aufgelost zu werden. Ueber das

Wesen dieses Standpunktes aber kënnen wir uns

ûbe~aupt kûrzer fassen, da derselbe eben den

 j et z i ge n Standpunkt der Wissenschaft ausmacht,und ausserdem die beiden ersten Capitel dieser

Schrift als Beitrâge zu seiner VervoUkommnungund ganzHchenAusbildung anzusehen sind (nach

deren Erreichung ihm nichts weiter übrig bleibt,aïs sich aufzulosen und einem hôheren Piatz zu

machen). Wir brauchen bloss Hegels Definition

') Hcgel'sVorlesungeniibcr Philosophie der GoschichteS. 20und an anderenOrten.

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derWettgeschichte, welche sichS.22 seinerVor-

lesungen ûher die PLitosophie der Greschichte he-

findet, in JBetracitt zu ziehen, um den ganzen Stand-

pùnkt in seiner gediegensten Ktarbeit attfznfasscT).

Sie tautet so: ,,Die Wettgeschichte istder Fort-

schritt iin Bewusstseyn der Freiheit, – ein Fot't-

schritt, den wir in seiner Nothwendigkeit zu e)'-

kennen haben." Die Anaiysis dieser Definition

und derenVer~leichung mit der ver~nngenenStufcwird uns das ganze System aufschiiessen; und dar-

um ist diese Définition für den Standpunkt HegeFsvoi'trëfnich zu nennen.

M) Auf  der vorigen Stufe fanden wir die Er-

kenntniss eines natùrtichen, sinniichen und ausser-

lichen Fortschrittes in der schënen Cultur, hier

umgekehrt finden \vir nur die Erkenntniss des Fort-

achrittes im Bewusstseyn, welcher (um diese

Dèimition durch andere Beiegsteuen zu erkiaren)der ,,ImputsdesgeistigenLcbens i n sich setbst,

die Rinde der NatûrHchkeit, SinnMchkeit und Fremd-

heit seiner selbst zu durchbrechen, und zum Lichté

des Bewusstseyns, das ist zu sich seibst, zu kom-

nien" – ist. Die Entgegensetzung hier ist so

worttich, dass man nichts mehr hinzufugen kann.

b) Auf der vorigen Stufe fanden wir weiter die

Annahnie der ZufaHigkeit dieses Fortschritis,– die Fortbildung zur Cultur konnte uach Her-

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der so uder anders ausf'aiten, die Totalitat der

characteristischcn Besonderheiten war nach Schi{-

ler das WesentHche. Hier dagegen fordert He-

gel dieErkenntniss der Nothwendigkeit t dieses

Fortschriites, der keinesweges eine Gallerie voneinzelnen Kunstwerken, sondern eine apodiktische

Verkettung allgemeiner Ideen ist.

c) Was eudiich die Freiheit anbetnS't, so ist

deren Begriff, wie Hegel selbst anerkennt, so sehr

Missverstandnissen ausgesetzt, dass wir eimge Er-

tauterungen hier vorausscliicken müssen. Eitiem

dieser Missyerstandnisse glauben wir von Hause

aus vorzubeugen durch die logische .Bestimipuug'

der Freiheit, die keinesweges aïs einseitigesGHed eines Gegeusatzes und also im WIderspruçl)mit einem Entgegengesetzten, etwa mit der Noth-

wendigkeit, zu nehmen ist, sondern welche selbst

schon eine wahre syntlietisehe Bestimmung ist,indem sie namiich die voUbrachte Identitat der Zu-

falligkeit und der Nothwendigkeit, also auf  einer

hohern Stufe die AuSosung und wirktiche Versoh-

nung der Willkûhr und des Zwanges enthatt. Jene

faische und doch im gemeinen Bewusstseyn ammeisten eingewurzelte Annahme der Bedeutung der

Freiheit ist der Grund der meisten Incongruenzen,die sich um diese Angel drehen. Ein Weiteres

ist wieder, den Begriff  der Freiheit selbst als eine

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in sich unterschiedene Totalitât zu fassen, wonach

er selbst in seinem Werden sich gegen die ver-

schiedenen ihn constituirenden Richtungen wech-

selseitig hinneigt, um erst am Ende wahrhaft und

rein zu sich selbst zu kommenund sich festzuhal-

ten. Es wird also Niemanden befremden, noch fur

widersprechend gehaltenwerden kônnen, wenn wir

die Freiheit setbst in: ~) zufattige Freiheit,

b) nothwendigeFreiheit und c) freie Frei-

heit unterscheiden. In diesen Worten scheinen

zwar lauter Widerspruche zu liegen aber specu-lativ gefasst sind sie schon aufgetost. So, um die-

ses naher zu bestimmen, ist der Geist a;) indem

er Kunshverke erzeugt, gewiss frei, aber seineFrei-

heit ist eine zufaUige, weil sie zufallig abbangt

a) subjectiv, von dem individuellenGenius und

denidiosyncrasien desKunstiers, /?)objectivabervon den verschiedenen Beschaffenheiten des sinn-

lichen Materia!s; A) indem der Geist dagegenGedanken erzeugt, ist er nicht minder frei, aberseine Freiheit ist eine nothwendige, weil sie

nothwendig abhangt von der speculativen Dia-lektik der Sache, von der allgemeinen

Objectivitatdes Denkens. Es ist aber von beiden Seiten eine

abhangige Freiheit und eine freie Abhan-

gigkeit, und obgleich sie in dieser Hinsicht das-selbe sind, sindsie dessenungeachtetsich entgegen-

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gesetzt. Auf die freie Freiheit aber, welche die

NothwendigkeitundZufaIligkeitin sich~c<T*e~o~~zu vereinigen hat, werden wir spater zu sprechenkommen.

Die FreiheitHegel's

ist also eine wahre und

wirkliche Freiheit, welche jedoch mit einem Ue-

bergewicht der Nothwendigkeit behaftet ist, des-

sen Grund im Principe des absoluten Idealismus

seibst liegt, was wir sogleich zu erortern haben

werden. So steht sie der Schiller'schen, mit un-

mittelbarer Zufaiiigkeit behafteten Freiheit abstract

gegenüber. Auf die Erkenntniss dieses Punktes

liesse sich die ganze Berechtigung der bekannten

Polemik gegen die Hegelsche Freiheit reduciren,welche insofern faisch ist, aïs nicht das Resultat,

sondern das Princip anzugreifen war; denn eine

im Denken begrûndete Freiheit muss durchaus a!s

nicht nichtseynkonnende aufgefasst werden. Dass

aber Hegel's Freiheit noch mit der Nothwendig-

keit behaftet ist, und somit, wenn auch eigentlich

concret, doch partiell einseitig bleibt, ist eine so

bekannte, anerkannte, und verkannte Thatsache,

dass wir für  jetzt nicht langer dabei zu verweitenbrauchen.

So ist auf dieser Stufe: das Denken die hoch-

ste Form des Geistes, die Vernunft das Lei-

tende und das Ob~ectiv-Wahre der Geschichte,

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desseu Bewusstseyn end!ich dus hochsfe Ziet und

Bedurtniss der Menschheit. Damit hangt es zu-

sammen, was zunâcitst fur zutattig angesehen wer-

den konnte, dass die Entwicklung des Weltgeistesin der Geschichte aïs CoroUanum der phanomeno-

logischen Entwicklung des Bewusstseyns aufgefasst

wurde, und dass die Entwicktung des Wettgeistessich zuerst ganz nat(ir!ich an die Critik des Be-

wusstseyns anschloss Das Bewusstseyn ist nam-

lich bei Hegel das Alpha und das Omega, von

dièse ni leitet er das ganze System seiner Philo-

sophie überhaupt ab, zu diesem sehen wir ihn

hier den ganzen Process der Weltgeschichte hin-

führen, und das ist übrigens das, was die grosse

Bedeutung der Phanomenologie in der Ge-

schichte der Philosophie setbst ausmacht, namlich

dass der, unter der Form des Denkens sich aus-

bildende Geist mit diesem Werke, mit dieser Ge-

nesis des Bewusstseyns eben selbst zum Be-

wusstseyn ~c;~ ~o~y angelangt ist, d. h. dass

der Standpunkt Hegels selbst in der Gescbtcttte

der Philosophie diese Stelle uberhaupt angenommenhat, welche das Bewusstseyn a!s solches in dem

Systeme der Philosophie selbst einnimmt. Dammist da~ Bewusstseyn der specifische Kern der He-

gelschen Philosophie; und obgleich seine Entwick-

tung selbst den ganzen Process der Geschichte .'h

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extenso begleitet, so faMter doch erst bei Hegel in-

tensiv mit sich zusammen; und darum ist hier

das Bewusstseyn Bewusstseyn xecT*e~o~f.Dieses Zusammenfaiten kann wohl wieder aus ein-

ander fallen, aber das Resultat des vollbrachten

Zusammenfallens ist schon ein gewonnenes Resul-

tat darum wird die Trennung nicht mehr einAus-

einanderfallen, sondern ein Aussichse)bstfort-

gehen, d. h. eine immer mit sich identisch blei-

bende Trennung. Damit eben ist schon der Keim

der AuMosung dieses Standpunktes gegeben, und

damit auch zugleich angedeutet, warum wir uns

eben jetzt bei dem weltgeschichtlichen Wende-

punkte des Umschtagens der Thatsachen in Thaten

befinden. Das Bewusstseyn namlich nimmt eine

bestimmte Stelle im wahren Systeme der Philoso-

phie ein, mitihmaIsoschliesstdasUniversumnicht. jWas vor ihm (dem Gedanken nach) liegt, ist un-

bewusst, d.i.Thatsache, was aber hinter ihm, muss

sich bewusst entwickeln, und das ist die That.

Durch die absolute Eroberung des Bewusstseynsa!so wird sich nunmehr der Geist mit einer ganzandern Bestimmtheit auf seinem weiteren

Wegeentfalten, und von  jetzt erst wird er sich in seinen

objectiven und absoluten Metamorphosen einhei-

misch zu Hause finden.

Wie wir aber auf der vorigen Stufe der ge-

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schichtHchen Teleologie uns nicht mit dem Auf-

weisen einer vorausgesetzten Ansicht begmig-ten, sondern diesetbe aïs gesetztein der sich

entwickelnden WirkHchkeit erkannten, was wir ats

das Schon& in der antiken Welt und hauptsachHch

mdergnechischen vorfanden; so ist auch dasselbefur diese Stuie zu thun, obgleich nach dem cben

Gesagten es klar einleuchten muss, dass die ihr

entspl'echende rea!e Entfaltung des Geistes eben

die moderne ist. Zwar hat fur die Philosophie

uberhaupt diese Sphare bereits in der Aristoteli-

schen ~o~o'fg ~o~ceajg ihren Anfang, aber auchweiter nichts aïs ihren Anfang, dessen weitere und

absolute Durchfuhrung erst die christllche PliHoso-

phie, die Philosophie des Denkens, in seinem wah-

ren innern Elemente zu leisten im Stande war

und dessen wIrktichesEnde und wirkticheVo)!iuh-

rung der zweite Aristoteles unsererTage erst kürz-tich voUbracht hat. Wie also das classische AI-terthum und besonders Griechentand dieWett derKunst und der uninitteJbaren Schonheit ~var, so istdie christlich moderne Epoche wieder die Weltdes Denkens, des

Bewusstseynsund der Philoso-

phie. Diese Welt, welche Aristoteles mit demDenken des Denkens eroJTnete, hat Hegel con-creter mit dem Denken der Identitat desDenkens und des Seyns geschiossen; denn

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9!)

7*

diess ist auf dem Standpunkte Hege!s die hochste

Definition der Philosophie *). Diese Welt aber,selbst aïs Abstraction und aïs schroH'er Gegensatzzu der vorigen, muss sich selbst auftosen, und in

der Forderung einer d r 111e n Wett ihren formel-

len Uebergang finden. In dem Erkennen aber, dass,wie gesagt, das Bewusstseyn nicht das Hochste

ist, sondern selbst uber sich hinaus und noch

nchtiger aus sich iortschreiten muss, Megt das

Inhaltige des Ueberganges, welcher sich ats die

Forderung einer substantIeHenEinheit desDen-

kens und des Seyns darstcllt, die nicht bloss an

und fur sich seyn, sondern auch aus sich ein

Substrat hervorzeugen muss.

Um dieses Ueberganges willen mtissen wir aber

die specietteren Betrachtungen über die Historio-

sophie gegen eine aUgemeinere und viel umfassen-

dere vertauschen.

Indem Aristoteles sagte; “ die Théorie sey das

Vortrefflichste," hat er eben durch diesen Ausspruchder Kunst den Todesstoss gegeben. Er wurde

zwar in einer ganz andern Hinsicht gegeben, nichts

*) Wenn er auch dieselbe nicht so worttich hingestellt hat,soist sie doch nichts destoweniger diewahrhaft seinige.Ausserdem stimmt die gegebene Definition, dass: "die Philoso-

phie die Wissenschaft der Vernunft sey, insofern diese ihrerselbst ats alles Seyns sich bewusst werde," mit der vorigeniiberein.

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"1 1.desto weniger ist dessen absolut geistige Bedeu-

tung dieser Rûckschiag auf die Kunst gewesen,

nach welchem die Inthronisation der Philosophie

auf  deren Stelle erfoigte. So, indem die Kunst

aufhorte das Hôchste für den Geist der Menschheit

zu seyn, ist diese Bedeutung, namUch das Hôch-ste zu seyn, dem innern Denken, der Theorie,

mit einem Worte der Philosophie anheim gefaUen~).

Die hochste Bedeutung der Philosophie hat sich

bis zu unseren Tagen erhalten, wo die Epoche der

Intelligenz ihr Apogeum erreichte. Das sehen

wohl diejenigen ein, welche sich keine klare Re-

chenschaft geben konnen, was nach der Entdek-

') Von Religion kann hier nicht die Rede seyn, denn dieReligion enthalt, wie sie wahrhaft begriffen werden muss, und

wie Hegel sie auch im §. 554. der Encyclopadie 3. Aufl. im AH-

gemeinen erfasst, was spater von Richter in seiner "Lehre von

den letzten Dingen" sehr klar hervorgehoben und ausgefiihrtworden ist, die ganze absolute Sphare des Geistes, in welcher

Kunst, Philosophie u. s. w. nur specielle Stufen sind. Die Reli-

gion ist also keinesweges cin denselben assimilirtes und beige-ordnetes Moment, sondern eben das hochste Substantielle der

ganzen Sphare, und sie waltet absolut über diese Stufen, indemsie sich in ihnen bestandig reflectirt und sich nicht von denselben

aïs etwas Unterschiedenes scheidet, wie es sonst Hegelund seine Schule gewohntich annimmt. Wenn wir aber sagen,

dass im AIterthume die Kunst das Hochste war, so ist auch da-mit die Religion als Kunst gemeint, so wie die spatore Opposi-tion der Philosophie sich auch unter der Gestalt der Religionkund giebt, indem die christUche Religion der antiken gegenuberaïs die philosophische, gedachte, geglaubte und bewusste sichdarsteHt.

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kung der absolutenMethode noch der Philosophiewesentlich zu thun übrig bleibe. Die absolute

Methode ist erreicht und diese ist der Kern der

Philosophie, darum hiesse es wirklich die Grosse

und weltgeschichtlicheBedeutung Hegels verken-

nen, nicht in ihm wenigstens (nach Weisse's An-

wendungdes TalleyrandschenWitzwortes)denAn-f ang des Endes der Philosophie zu sehen, wie

in Aristoteles, wenn nicht deren eigentlicherAn-

fang, so wenigstens das Ende des Anfangs zu

setzen ist. Ja, in Hegel hat das Denken seine

wesentticheAufgabegetost, und wenn auch dessen

Entwicklungslauf damitkeineswegesbeendigt ist, so

wird es jedoch von seinem Apogeum zurûcktreten

und partiell dem Aufgange eines andern Sternes

weichen. Gerade so wie die Kunst, indem sie dieclassische Form erreicht hatte' über sich selbst

hinaus ging, und sich in die romantischeKunst-

form auflüste, aber auch zugleich die Weltherr-

schaft an die Philosophie abtrat, so steht eben in

diesem Augenblicke die Philosophie selbst auf ei-

nem so classischenPunkte,wo sie sich selbst über-

schreiten muss, und dadurch zugleich die eigent-licheWeltherrschaft an einAnderes abzutretenhat.

Aus diesemGesichtspunkte erkennenwir erst, dassdiejenigen, welche noch sehr viele Umge-~statttut~e& und Fortschritte der Philosophie ver-

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sprechen, als auch diejenigen, welche mit demBe-

wusstseyn der Wichtigkeit des gewonnenenStand-

punktes eine absolute Seibstgenûgsamkeit fur die-

selbe fordern, beiderseitig Recht haben. Denn

Umgestaltungen in der Philosophie und sogar sehr

wichtige sind wohl noch zu erwarten, aber das

WicMgsteistvoruber, undje mehr sie fortschrei-ten wird, desto mehrwird sie sich setbst entfrem-den und von ihrer Classicitat sich entfernen. Nichtsdesto weniger aber wird diess ein Fortschritt desGeistes seyn, so wie die Romantik, der antikenKunst gegenüber, auch wirklich ein Fortschritt der

Idee des Schonen war.

Die AuSosungdesgegenwartigenStandpunkteswird sich ergeben, sobald wir ihn klar aufgeiasst

haben werden. Dazuwollen wir uns hier der ganzangemessenenWorte des Prof. Michelet bedienen,welcher sagt: ,,dass der allgemeine Character allerneuen Systeme der Philosophie nicht mu'ûberhauptdie innige Durchdringung von Seyn und Denken,

Subject und Object sey, sondern eine solchee

Durchdringung, wo das Denken oder die Idee atsdas

Princip, und,nach

einem Aristotelischen.Aus-drucke, aïs das Vortrefflichste der beiden in Ver-haltniss stehenden Momenteanerkannt ist. – Derbesonderé Character eines  jeden dieser Systëmekann also nur aïs ein so oder so sich gestattender

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Idealismus aufgefasst werden Hegel end-

lich, welcher den Idealismus mit dem Rea-lismus aufs innigste verbindet, hat die Philosophie))!s zu dieser Hohe der Ausbildung gefuhrt, wo ihrderName des absoluten Idealismus

beigelegtwerden kann *).Die Einseitigkeit diesesStandpunktes tritt hier

in ihrem voUen Lichte hervor, denn es wird aus-

dmckMchgesagt, dass dièse"Identitât desSeynsund Denkens nicht nur überhaupt ah)solche, son-

dern mitdemPradominirendes Denkens,atso ei ne s

G) ie dedieses Gegensatzesbehaftet ist. Sie bleibt

aiso eineideaHstische Identité wenn auoh die-

serïdealismus aïs absolut bezeichnet wird;–

er ist wohlabsolut, aber in seiner Sphare fur

sich, also nur als Ide,alismus ist er absolut;'aber eben deswegen, weil er Idealismus bleibt,kann er nicht absolut das Absolute seyn.DieEinseitigkeit ist hier sogar nicht verhehlt, son-

dern o6'en ansgesprochen und aïs Vorzug geprie-sen. Dièses hat wohl seine Berechtigung in der

nothwendigen Silchentgegenstellung des absoluten

Idealismus der Philosophie dem unmittelbarabsoluten Realismus der Kunst gegenùber.Denn, wie wir oben die Philosophieaïs ,dasDen-'

*) Micheiet'sGeschichtederletztenSystemederrhiloso-phievonKantbisHegel.Th. S.33,34.

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dentitat des Sf\'ns t)TxI T)fn)f ken der Identitat des Seyns und Denkens" defi-nirt haben, so ist wieder die wahrhaftesteDefinitionder Kunst, im Gegensatze zu  jener, das Seyn der

Identitât des Seyns und Denkens. Damit ist ei-nerseits die Kunst boher a!s das abstract endliche

Seyn, indem sie nicht bloss ein Daseyendes süberhaupt, sondern ein Daseyn ist, was ganz sei-nem innern Begriffe entspricht; und darnit istauch andrerseits die Philosophie Mher ais das ab-stract endliche Denken,da sie nicht bloss eiu Ge-dachtes überhaupt ist, sondern eben eut Gedanke,der die concreteste Objectivitat besitzt. Es sindalso auf beiden Seiten hohe synthetische Bestim-

mungen, die aber noch mit der Einseitigkeit der

EntgegensteHung behaftet bleiben. Und in derThat, wenn wir die obige Definition der Philoso-

phie z.B. ganz formell, also mathematisch, analy-siren wolten, so. findenwir eine Gleichung, wo dereine der beidenFactoren zweimal, wâhrend daszweite nur einmal in Betracht kommt. Die Phi-

losophie ware hiemach~ mathematisch ausgedruckt,das Quadrat des Denkens, muhipMcirtdurch das

Seyn;

– die Kunstaberwareumgekehrt das Qua-drat des Seyns, muttipticirtdurch das Denken. Ein

Quadrat aber multiplicirt durch eine einfacheZahi,ist schon ein Cubus, d.h. eine dritte Potenz,d. h. die wahrhaft wirkliche und concrete Dimen-

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,1:~ T: -1T7)-t.,sion, wahrend die Linien- und Fiachen-Verhatt-nisse nur Abstractionen sind. Daraus ergiebt sich,dass sowohl die Kunst als die Philosophie schonwirklich dritte, concrete und synthetische,nicht aber abstracte undthetischeoderantithetische

Bestimmungensind. Sie sindCuben und dritte e

Potenzen, welche eben die wahrhaâesten, aber imVerhaltniss zu einander sich entgegengesetzt sind,weil in beiden der ehtgegengesetzte Factorzum Quadrat erhoben ist *).

Wie wir oben den Begrii!' der Freiheit selbst

insichunterschMden und in diesersynthetischen

Bestimmung innere Antithesen hervorgebracht ha-

ben,wie wir selbst die

Teteotogie, welche den,hochsten Punkt der weltgeschichtiichen Betrach-

") Diejenigeh, Wetche inathem~tisëhen Betechnu~geit g&keine Geltung auf dem FeMe der Spéculation zugestehen wotlen,tauschen sich gewaltig, indem sie von der ersten Grundab-stractlon seibst a~strahiren. Ûàss die Mathematik unzurei-

chend ist, die ganze Fülle der Dégriffé zu e!ttwickelD,,iat aUer-dings gewiss; sie bleibt doch nichts destoweniger deren erste

Grundtage, und ~er von ihr abstrahirt, un), ~'ie er w&hnt. ver-

nünftig zudenken denkt sogat nicht einmal verstShdig. Mit det

Verachtung des Verstandes, welcher in der Mathematik das Lei-tende ist, muss einmal ein Ende gëmacht werden und es ~are

leicht zu zeiget), dass, indem man sich oft über den Verstand zuerhoben glaubti man selbst nicht versteht, was man will. Miteinom Worte, das Mathematische drückt nicht Alles aus, aber

das, was es aUsdruckt, ist das Grimdtichste, indem es dio erste

Gr und 1 a g e von AUcm bildet. Aïs Gru,ndlage aber ist es nichtdas Hochstc, sondern das Niedrigste, aïs Niedrigstes aber ist

es das Festeste und das Alles Haltende.

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tung ausmacht, auch wiederum in niedrigere und

hohere Stufen organisch sich entwickein lassen;so ist auch hier bei der Frage nach der hochsten

absoluten Synthesis dieselbe Dliferencirung und

derselbe Entwicktungsprocess zu statuiren. Denn

die hochste Identitat schliesst auch verschiedeneStufen ihrerEntwIcktung in sich, und obgleich sie

von Hause aus schon das ist, was sie ihrem Be-

griffe nach ~seyn spH,so wird sie doch immer hô-

her, vollkommner und concreter. Darum

kahn die Tâuschung leicht vom Nichtunterschei-

den der wieder in sich bestimmten Stufen ent-

stehen, indemman sich begnugt mitder Erreichungdes synthetischen Standpunktes ûberhaupt, ohne

diesen Standpunkt selbst wieder in sich zu unter-

scheiden,ihn fortschreiten zu Iassen und die Syn-thësis selbst noch synthetischer zu machen.

Aiso seibst in der absoluten Synthesis haben \fir

die Momente derThesis, Antithesis undSyn-thesis aïs solche zu unterscheiden. DieKunst t

ist schon dièses Hochste, dièse absoluteSynthesis,welche aber selbst auf der Stufe der Thesis s

Méibt,–8ie ist nur eine

ringendeIdentitat.

Die Philosophie ist unagekehrt gteichfaUsdieseabsolute Synthesis, aber auf der Stufe der Anti-thesis, welche von der sinniichenUnmitteîbarkeltder Kunst befreit in ihrem abstr&cteMElemente

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ruht. Man wotte uns aber gar nicht missverste-

hen und meinen, dass wir die Philosophie zur tee~-

ren Abstraction herabwùrdigen sondern gerade um-

gekehrt haben'wii' gesagt, dass sowohl sie als die

Kunst bereits absolute concrete Identitâten

waren, nur muss man diese Concretheit setbst tdifferenciren und das Uebergewicht des einen

oder des andern der GegensatzgIIeder anerkennen.

Diess ist eben dasschwierigste Geschaft der Spé-culation, das man, nachdem dielndifferenz differen-cirt und dann wieder identificirt ist, nicht in die-

ser Identitat die Setbststandigkeit der mitwirken-

den Elemente zu Grunde gehen lasse, und ihrer

Integralitat zu Liebe nicht ihre Integritat

aufopfere. Hegel selbst sagt: ,,In der That steht

die Philosophie im Gebiete des Gedankens, siehat es damit mitAUgemeinheiten zu thun, ihr

Inhalt ist abstract, aber nur der Form, demElemente 'nach, in sich seibst ist aber die Idee we-sentlich concret, – dieEinhéitvonunterschie-

denen Bestimmungen." Diess ist eben das, was

wir mit der Differencirung der hochsten Synthesis

bezwecken,und wie die

Philosophie selbst einsei-tig abstract mit dem Uebergewicht einer Seite,namtich der des Denkens und des Idealismus, be-

haftetist, so ist auf der andern Seite die Kunst

umgekehrt einseitig, mdemsieihremEtemente

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derspruche, welcher nur deswegenbis jetzt nochnicht hervorgehoben seyn konnte, weil einerseits

das zweite GUed des Gegensatzes, namlichdiePhi-

losophie, noch nicht zu ihrer classischen Reife

gediehen war, also nicht auf  gleiche relative Hôhe

mit der schon entwickelten Kunst zu stellen war,andrerseits aber weil, je concreter und hoher

ein Gegensatz ist, er desto wenigergrell in die

Erscheinung heraus tritt. Darum ist der Wlder"

spruch, der zwischenKunst uud Philosophie waltet,nicht so anschaulich schroff, wie wir es auf nie-

drigeren Stufen sehen; denn bei den armsten und

unmittetbarstenBestimmungen sind die Glieder des

Gegensatzesam entferntesten von

einander; jebôher wir aber aufsteigen, desto wichtiger und

schwerer werden sie, aber desto weniger weichen.

sie zugleich von einander ab, so dass sie auf der

absoluten Stufe ihre hëchste Bedeutung, aber auch

zugleich ihre unendlich kleinste Abweichung er-

halten, und demgemâss für den Verstand sogleichin die abstracte, unmittelbare und natürliche Ein-

heit zusammen fallen würden. (Darum wird auch

vom Standpunkte des Verstandes gesagt: in Gottsey nichts Widersprechendes vorhanden; für die

Speculation dagegen werden diese Widerspruchezu ihrer hochsten Spitze getrieben und dadurcheben in der hochsten Einheit auigelost, ohne in-

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dessen auf die Macht ihrer Din'ercncirung zu ver-

zichten, und darum kann die Speculation in

dieser Hinsicht sagen, Gott wimmeit von Wider-

sprüchen, denn er ist die hochste Einheit und der

Grund aller Widersprùche). Wenn aiso der Wi-derspruch, der zwischen Kunst und Philosophie

waltet, unscheinharer aïs andereniedrIgereW'-

dersprûche ist, so ist er darum noch wichtiger,indem er so hohe Interessen des Geistes in An-

spruch nimmt, undweil die Widershrüche nur dort

am niedrigsten sind, wo sie ammelstennur schel-

nen. Darum sind auch die stille Zerrissenheit des

Gemuths und d}e inneren psychischen Widersprüche

so Intensivundscinver, weil sie amwenigsten schei-nen und von der Alles ausserlich ansehenden Turba a

fast für nicht vorhanden betrachtet werden. Der

Widerspruch der Kunst und Philosophie konnte

aber schon allein die ungeheure Kluft, die zwischen

der antiken und modernen Welt obwaltet, ausdruk-

ken, so intensiv ist seine Bedeutung. – Diesen

Widerspruch zu lüsen und zugleich die eben ge-nannte Kluft auszufûiien, ist die Bestimmung des

I)ôchsten, practischen, social enLeben s, welches

die nntergegangeneKunsteinerseitsund die in be-

sonderer Hinsicht erstarrte Philosophie andrerseits

selbst neu beieben ~Ird.

Um dièse Kluft auszufüllen, mussenwir fragen:

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Was hat also die Philosophie an der Kunst ent-

sehieden negirt? Wo ist der Wendepunkt der

Einseitigkeit? Denn diese Négation wiederum

selbst zu negiren und die frûhere Einseitigkeit wie-

derum zu integriren, wird das Geschaft des wei-tern Fortschritts seyn. Die unmittelbare Sinnlich-

keit der Kunst ist in die Uebersinntichkeit des

Denkens ùbergegangen, und das Denken hatsich

in der Philosophie für seine friihere Beeinfrachti-

gung durch die Kunst auf Kosten des Seyns ,ge-racht. Um den Widerspruch also zu iosen und

dieEinseitigkeitaufzuheben, IsteineRùckkehr zum

ersten Standpunkt erforderlich, aber eine Rückkehr,

die nicht mehr mit dem Widerspruche und dém

Uebergewichte behaftet ist, sondern die eine har-

monische Identification der beiden Glieder wird,welche selbst wieder nicht nur formell, a)s neu-

trale IndifFerenz, sondern auch substanzieit, a!saffirmativ neue Gestaltung, sich entwickeln

muss. Das absolute Denken also muss zum abso-

luten Seyn zurûckkehren, ohne sich  jedoch sich

selbst zu entfremden. Dieses wieder hervorge-brachte Seyn wird nicht das erste passive und

vorhandene seyn, sondern das gegchaS'ene, mitBe-

wusstseyn erzeugte Seyn, wetches das absolute

Thun ist. Hier ist also nicht mehr die Rede

von einer blossen tdentitut des Denkens und

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Seyns, sondern diese Identitat druckt sich sub-

stratmassig aus in einer neuenAuirmation, wel-

che so erst die wahre und wirkliche ïdentitat ist.

Nachdem so die uninittelbare Kunstpraxis aufge-hort hatte, das Vortrefflichste zu

seyn,und dieses

Pradicat der Theorie aïs solcher zugefa!ten war,so fâlit dasselbe nunmehr wiederum von dieser ab,indem sich die synthetische nachtheoretischePraxis

erzeugt, welche erst die Bestimmung hat, Gnind

und Wahrheit sowohl der Kunst als auch der Phi-

losophie zu seyn. Das absolut Practische, das

sociale Wirken und Leben im Staate (welchesman sich wohl hûten wird mit dem endiichen

Thun und Treiben zu verweehseln) wird von jetzt an das Bestimmende, und die bis  jetzt für

hochste Identitaten ~eltende Kunst und Philoso-

phie werden nunmehr zur Bedeutung abstracter

Pramissen des Staatslebens herabgesetzt werden.

Seyn und Denken muss also im Thun,Kunst und Philosophie im socialen Leben,

zu Grunde g eh en, um dort erst wiederwahrhaft und ihrer letzten Bestimmung'gemass auf-

zutauchen und aufzubiûhen.Denselben Vonvurf, den die Hegelsche Philo-

sophie der Kantschen macht, nam)ich dass sie, so-bald sie zur objectivenVernunfterkenntnissgelangt,wiederum in die subjective transcendentale Einsei-

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tigkeit zuruckfaiït, muss man, aber in hôherer und

umfassendererBedeutung, der Hegelschen Philoso-

phie seibst machen. Hier namlich handelt es sich

gar nicht mehr, wie bel Kant, umden Gegensatz des

Subjectiven und Objectiven, des Transcendenten

und Transcendentalen, des Noumenon und Phano-menon u. s. w., weil dièse Gegensatze auf  dieserStufe bereits ùberwunden sind: sondern es handeltsich hier wieder um den Hauptgegensatz desDenkens und Seyns, der, wenn auch an und fürrsich auf  glücklichste gelost, doch noch abstract

bleibt, indemereinerseits nicht a us sich*) kommt

und aus seiner ldentitat nichts Substanziel-

1 s hervorbringt, andrerseitsaber, und diessist das

Analoge mit dem der Kantischen Philosophie ge-machtenVorwurfe, wiederum in den absolutenIdea-

lismus zurûckfaMt,also doch immer die Seite des

Seyns zum Vortheil des Denkens beeintrachtigt.Und das ist eben erst die Wahrheit dieser banal

und trivial gewordenenAnschuldigungHegel's, dass

er den ganzenInhalt der Wirklichkeit zur logischenIdee verftûchtige. Diese Annahme ist grund-f a1s ch.

DennHegel,weit

entfernt,Alles auf das

Logische zu reduciren, lasst grade umgekehrt das

Logische zur concretesten Wirklichkeit sich ent-

*) Es ist diess Aus-sich wohl von Ausser-sich zu un-

terscheîden.

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wicke)n; aber worin er fehlt, oder was er einseitigthut und was eben den richtigen Grund dièses

zwar gefuhtten, aber nicht klar bewussten Manuelsund dieser Anschuldigung seiner Geg-ner ausmacht,ist eben dieses Festhaitenund auf  dieSpitze-SteI-

len des Bewusstseyns fUr sich, ûber welches eskein Hôheres geben soll, und was eben den ein-

seitigenRuckfaH in den (wennauchabsotuten)Idea-tismus bildet. So wie wir also Kant oft zur spe-culativen Hôhe ankommen und immer wieder in

seine Beschranktheit zuruckfalien sehen, so ist auch

das Aehniiche bei Hegel der Fa!). Die Vernunft

tnag sich bel Hegel aïs die objectivste und abso-

iutste oiTenbaren, immer bleibt sie nur Vernunft,

– filr die Philosophie ist sie das Hochste,aber nicht fur den absoluten Geist ais solchen.

Es soll  jetzt der absolute Wille zu einer

solchen Hohe der Spéculation emporge-hoben werden, wie es bereitsmit der Ver-

nunft geschah, wozu sich schon sehr tiefc An-

deutungen bei Fichte dem Aeltern finden, welche

 jedoch, so gewichtig sie auch sind, doch immer

nur Andeutungenbteiben, anaiog den wahrhaft

speculativen Andeutungen, welche wir bei Kant auf-

tauchen sehen, deren wirkliche voiïstandige Entdek-

kung wir aber erst Hege!n verdanken. Wir habenes schon im ersten Capitel bemerkt, dass sowoh!

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8'

in der Philosophie a!s auch im Leben keine neM@

grosse Richtung eingeschiagen und keine wicittige

Entdeckung vollbrachtwerden kann, ohne dass sie

sich meteorisch vorhervet'Itundigthatte. Diess giltauch von der neuen RIchtung, welche der Geist

 jetzt einzuschlagen hat, und wo die Philosophie,ihren eigensten und entspr echendstenStandpunktverlassend, ü.ber sich hinaus in ein zwar fremdes,aber ihre weitere Entwicklung dtn'chauabedingen-des Gebiet übergeht, namhchin das absolu t p ra-ctische e Gebiet des Wi11e n s, welches wir für das

hauiig von den neueren Philosophen angekûndigteerkennen werden, und we!ches im Entwicklungs-

processe der Philosophie selbst dasausmachenwird,

was die Romantik für die Kunst bedeutet. Die

Wahrheit, die Idee und die Vernunft, das ist der

eigentlichste Kern der Philosophie uberhaupt, und

indem sie jetzt eben zur absoluten classischenAus-

bildung dieses Kerns angelangt ist, geht sie nun-

mehr darùber hinaus; ja fur die Philosophie selbst

kônnte mansagen, sie steigt von dieserHôhe herab,wâhrend es für den Geist überhaupt eine ungeheure

Emporschwingungist.

Hegel hat den Geist bloss bis zum An'- und

Fûr-sich geführt. DasAn-sich und das Für-

sic h aber haben erst ihre votte Wahrheit in dem

Au s-sich, welches man gar nicht verwechsëh

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H6

darf mit dem Ausser-sich, was seinerseits eine

sehr unmittelbare und abstracte im Vergleich zu

dieser so hohen und concreten Kategorie ware.

Das Aus-sich begreift namiich das Hervorbrin-

gen aus sich selbst, ohne sich jedoch sich selbst

zu entfremden, keinesweges also das Herausgehenoder sogar das Heraujsbieibenausser sich. Darum

ist das Aus-sich erst das Resultat desAn-sich

und Fur-sic h, die substanzielle und stetige Ein-

heit dieserPramissen, welche selbst gegen sie Ab-

stractionensind, welcheaber dasAus -s i c hkeines-

weges von sieh ausschliesst, noch von ihnen ab-

strahirt. Das Aus-sich reflectirt sich zwar auch

a!s dritteSphare

im normalenVerlauf des Denkens

selbst, und darum ist selbst die speculative Ver-

nunft aïs diese dritte Stufe nicht bloss An-

und Fur sich Denken, sondern Aus sich Denken

ülerhaupt, wodurch eben das Denken zum wirk-

lich thatigen undseibstthatigen wird. Der Geistist nur Geist, indem er Setbst ist, das Setbst t

ist das Specifische des Geistes, wie das Andere e

das Specifische der Natur ist. Die Hauptformen

des Geistes sind alsoa) das Selbsseyn;b) das Selbstdenken;

c) das Setbstthun.

a) Ats an-sich-selbst ist der Geist Selbst-

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seyn d. h. ideelle, lebendige tnd!vidua!Itat,die

sich zuerst von der Natur absondert und ins i ch setbst IhrenMIttetpunkt hat; das ist die

erste naturiicheStufe des Geistes, seine Sinn-

lichkeit.

b) Aïs für-sich-seibst ist der Geist Selbst-

denken d. h. Bewusstseyn; welches die

Stufe der ReHexion des Geistes ûberhaupt ist.

c) Ats aus-sich-selbst ist aber der Geist

Setbstthun, d.h. freie Thatigkeit aïs sol-

che, welches die concreteste Evolution des Gei-

stes ist.

Die Natur dagegen kann es nur bis zum A n-

einander, Füreinander und Auseinànderbringen. Ihr Seyn ist ein fremdes, darum ist sie

Mittet, ihr Denken ist das Bewusstseyn Ande-

rer über sie, ihr Thun endlich ist ein von aus-

sen gesetztes, darum ist sie ihren physischenGesetzen untergeordnet, darum kann auch kein

Wunder in der Natur entstehen. Nur der Geist t

ist zuWundern fâhlg, weil e r nura ut on omi s c h

ist. Diese Autonomie des Selbstthuns IstdasHoch-

ste, was vom Absoluten pradicirt werden kann.Daraus ergiebt sich, dass der Geist zwar nicht

nurThatigkelt, aber doch Thatigkeit überhauptist. Das Denken nâmlich in seinem reinsten Ele-

mente ist das Logische ealssolches dasSeyn

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dagegen in seinem eigensten Elemente ist wieder

das Physische; also das Thun ist das eigensteElement des Geistigen, und der Geist istThti-

tigkeit ~cc7'*e~oj~ Wie gesagt, ist der Geistzuerst an sich Sinnlichkeit, und diess ist bei

ihm die Seite des Seyns; weiter ist er für sic h

Bewusstseyn, und das ist in ihm dieSeite des

Denkens; aber er ist endlich freie Thatig-keit, und diess ist seine dritte eigensteBestim-

mung. Wenn also Hegel sagt, dass der Geist zu-nachst e i nmal unmittelbar ist, und dass es sich

sodannverdoppelt, indem er fur sich wi r d durchdas Bewusstseyn, – so ist diess sehr richtig

gesagt,– nur muss man

hinzuffignn,dass

seineweltere Bestimmung ist, sich zu verdreifachen,indem er practisch, aus sich, das Bewusst-

seyn reproduciren, das Denken in Seynübersetzen muss, welche Reproduction und

Uebersetzung keinesweges nur ein Moment des

Bewusstseyns ausmacht (etwa das practische demtheoretischen gegenûber), sondern gerade umge-kehrt eine specifisch hohere Stufe ist, ais

das Bewusstseyn; eine Stufe, in welche das Be-wusstseyn sich miindet und zu welcher sich derGeist emporheben muss, um auf ihr erst seinerwahren Bestimmung zu genûgen, was er bei derTheorie a!s solcher nicht vermag. Ich weiss sehr

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 \\oht, dass ich dadurch die Bedeutung der Théorie

selbst verringere, und dass man mich beschtildigenwird, in den bereits geschicittiicheuGegensatz der

Theorie und Praxis zurückzufallen. Aber was zu-

erst die Ausdehnung jener Bedeutung betrifft, soist sie eine anotnaie, die nur so lange Geltunghaben konnte, a)s die Theorie selbst das Vor-

trefflichste war und als sie für das a!!gemeinHerrschende und Bedingende gatt, so lange also

die hochste Synthesis nur unter der F or m des

Denkens sich entwickelt batte;–wasdenetwai-

gen Gegensatz aber anlangt, so sot] man sich doch

huten,tdentititt mitindifferenz zuverwechsetn.

Der wichtige Satz Spitioza's ,,7~o/Mn~~ et

  /gc<!M~M/M/M c~ /Jf~M ~M/  ist wohl in  jeneraber nicht in dieser Bedeutung zu begreifen, und

der Unterschied ist nicht anders denn aïs Ent-

wicklungsstufe zù setzen; so dass die Praxis

sich zur Théorie verbatt, wie dasspeculative zum

renectirten Denken. Hegel, der seibst so tief das

Wesen des Practischen erkannte*), bat dennoch

unter den Neuen am meisten zu diesem Missver-

standnisse beigetragen, welches indessen kein ei-

gentliches Missverstandniss zu nennen ist, sondern

nur eine noch nicht gereifte Erkenntniss.

'') Z. Kin deneinleitendenParagMpheuzur RechtsptulosophM.

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Bei Hegel ist namtich das P r a ct is c he noch

durch dasTheoretische absorbirt, es hat sich

nochnichtvonihm unt er sc hi eden es ist noch,so zu sagen, als ein FiHaiausfIuss des Theo-

retischen betrachtet. Seine wahre und eigentliche

Bestimmung ist aber, eine abgesonderte, spe-cifische, ja sogar die hochste Stufe des Gei-

stes zu seyn. Die Frage aber umdas Hôbere und

Niedrigere ist schon vorher durch die Unterschei-

dung einer vor- und nach-theoretischen (d.h. einer unbewussten und bewussten) Praxis er-

ledigt worden, woraus sich ergab, dass die beiden

entgegengesetzten Ansichten darûber begründetsind; es kommt nur darauf an, zu bestimmen, von

welcher Praxis die Rede ist, entweder von der

unmittelbaren, wetche die Theorie noch a!s ein

Zukûnftiges ausser sich hat, oder von der abso-lut vermittelten, welche bereits durch die Theorie

hindurchgegangen ist also dieselbe i n sich be-

greift. Nach Hegel ist der Wille nur eine beson-dere Weise des Denkens, und diess ist die falsche

Auffassung; vielmehr ist das Denken ein bloss in-

tegrales Moment des Willens, denn das Denken,welches wieder zum Seyn wird, ist erst derWille und die That. Nach Hegel hat alles gei-stige Thun nur diesen Zweck, sich der Vereini-

gung der subjectiven und objectiven Seite be-

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wusst t zu werden*). Abstract genommen ist es

wahr, aber phanomenologisch ware es viel richti-

ger, das Verhaltniss ganz umzukehren und zu

sagen: Alles geistige Bewusstseyn habe nur diesen

Zweck, diese Vereinigung thatig aus sich zu

realisiren. Der phanometiotogiscli**) ganz rich-

tige Satz: "Nihil est in /<?/c/M, ~Mod non

fuerit in sensu," wird  jetzt um eine Stufe dess

Gelstes in die Hôhe geschoben, und also

lauten: "Nihil est in po/MM/0!~ actu, <yMoJ

prius non yM~r~ i'c/M."

So ist die wirkliche Identitat des Wissens und

des Woliens statuirt, ohne ihrer DiHerenz Abbruch

zu thun. Das Bewusstseyn bei aller seiner Tha-

tigkeit, welche, wie gesagt, das hauptsachlichsteAttribut des Geistes ist, und sich also auf   jederseiner Stufen oHenbaren muss, ist noch nicht

reine Thatigkeit und bleibt noch.tpit derPassivi-

tât behaftet. Dessen Thatigkeit ist also noch eine

passive Thatigkeit, was hoffentlich nicht mehr,

wie auch die nothwendige Freiheit fur einen

*) Hegel's Vorlesungen über die Philos. d. Geschichte S. 38.

**)Wir setzen hier absichtiich das Pradicat

phânomeno!o-gisch, weil in andrer Hinsicht, wie Hegel gezeigt, auch das Um-

gekehrte wahrist. Aber phanomenologisch betrachtet hat Lockedas Richtige ausgesagt. So auch kann unser Satz übersetzt wer-

(ten, denn nichts kann sich im Denken erzeugen, was wir nichtdenken wolten.– tn der normalen Entwicklung des Geistesaber muss das Denken dem bewussten Realisiren.voreilen.

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Widerspruch angesehen werden wird. Die tha-

tige Thatigkeit (was nach dem Gesagten kein

Pteonasmus ist, sondern die Thatigkeit /~r ex-

c~c/tc~, mit keinem fremden Einflusse behaftet

ausdruckt) wird sich erst kûni'tig entwickein:

a) subjectiv durch das adaquate Ausbilden des

Willens

b) objectiv durch das adaquate Ausbilden des

Staatslebens

c) absolut aber durch die Erreichung der sub-

stantiellen und hôchsten Identitat des Seyns und

Denkens, welches das absolute Thun ist.

Der Wille muss also seinen pha~omenoiogt-schen Process so dm'chmachen, wie es bereits die

Vernunft durchgemacht hat. Das Staatslehen muss

seinerseits seine Weltherrschaft so behaupteu, wie

es die Kunst und Philosophie nach einander ge-than. Das a~soiute Thun endlich muss sich als

das teleologische x<x~ ~o~~ bezeugen, indem es

wesentlich Process ist, den Kampf bestandig an

sich hat, fortwahrend hindurchgeht und bestândig

Siege erringt. So wird die ringende und die

ruhendeSynthesis in die schaffende ubergehen.Dass die Synthesis der Kunst eine unzureicheude

und nur ringende war, ist factisch bewiesen durch

derenUntei'gang; dass aber die Synthesis der Phi-

losophie gleichfalls noch mangethaft ist, glauben

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~~iil ~m' ft'tc ï~f~rwir theoretisch durch das Hervorheben ilirer

Einseitigkeit und Abstraction bei derAnerkennungihrer relativen Concretheit bewiesen zu haben.

Die zweite Synthesis, d. h. die der Philosophie,

ist, um diesesVerhâltniss anschaulicher zu machen,

mit dem Magnete zu vergleichen, dessen beide

Pole wohl a!s identisch erkannt sind, wo aber

michts desto weniger der Nordpol ganz einseitigfur wichtiger ais der S~~ gehalten wird und wo

er nur der bezeichnetePol wird. In derHe-

getschenidentitat ist dasDenkeTt derbezeich-

netePol, und auch seine Methodeist dieBous-

s o1e, wo der Nordpol mehrAnerkennung geniesst,

obgleichmannicht

ignorirt,dass der

Sûdpoi ganzgleich berechtigt ist. Wie aber in dem weitern

electro-magnetischen Processe der Nordpol seiner

uberwiegenden Autoritat beraubt wird, weiche er

noch in der Boussole besitzt, und mit dem Sûdpoials ganz gleich dynamise h berechtigt anerkannt

wird, so wird auch in der kûnftigen Ausbitdumgder Philosophie die ùberwiegende Polaritat des

Denkens abgestreift werden und normal in den

Process des Thuns übergehen.Der Uebergang aus dem classischenStandpunkte

der Philosophie, welcher eben der absolute ïdea-

lismus ist, in ein neues zwar fremdes Gebiet, das

  jedoch ganz das seinige, aber das .Weitere seynn

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wird ist dem Uebergange der classischen ii) die

romantische Kunst ganz anatog. Wie auch die

Kunst durch diesen Uebergang ihre hochste Be-

deutung und Weltherrschaft eingebüsst hat, so hat

 jetzt die Philosophie dasselbe zu gewartigen; wie

aber dadurch den) weitern Fortschritt der Kunst

keinesweges prajudicirt war, so soll auch die Ab-

dication der Philosophie als solcher selbst nur ein

EntwicUungsschritt seyn. Um ihn zu bezeichnen,

kônnen wir uns am besten fast der eigenen Aus-

drücke Heget's in Bezug auf  die Kunst bedienen,

bloss mit einigen Umânderungen, welche die Ver-

schiedenheit des G egenstandes und dieVe r s chi e-

bungdes

Synthesisum eine Stufe hoher er-

fordert. Wenn man also das Nachstfoigende mit

dem vergteicht, was sich in den Vorlesungen ûber

die.Aesthetik (Abthl.1. S. 102-104) befindet, so

wird man wohl gestehen mtissen, dass wir wirklich

von Hegel nehmen, um von ihm selbst Zeugnisszu geben.

Derabsotuteïdeatismushat das Hochste erreicht,

was die Philosophie zu leisten vermag, und wenn

an ihm etwas mangelhaft ist, so ist es nur die Phi-losophie selber und die Beschranktheit der philo-

sophischen Sphâre. Diese Beschranktheit ist da-

rin zu setzen, dass die Philosophie überhaupt das

seinem BegriiTe nach unendlich concrete und ûber-

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At)- J--

haupt thatige AMgemeine, den Geist, in ii ber-

sinniich abstr acter Formzum Gegenstande macht,und im absoluten Idealismus die vollendete Ineins-

bildung des Denkens und Seyns btoss als einsei-

tigeVermittlung in sich hinstellt. Bei dieser Iden-

titut aber kommt in der That der Geist noch nicht

zu semer wahren und hëchsten Bestimmung, zu sei-

ner hôchsten Identitat. Denn der Geist ist nicht

bloss dieabsoluteInnerMchkeit, er vermag auchnicht sich an sich, für sich und aus sich frei zu

gestalten, sobald er auf diese Innerlichkeit aïs auf 

sein gemasses Daseyn angewiesen bleiben soll. Aus

diesem Princip heraus hebt die künftige Form der

Philosophie jene speculative Einheit des Idealismuswieder auf, weil sie einen Inhalt gewonnen hat,

der über den Idealismus hinausgeht. Die hôhere

Stufe nun ist das Thun dieser an und für sich

seyenden Einheit, wie die absolut idealistische Form

der Phiiosophie dieselbe zu ihrem im Gedanken

vollendeten Gehalte hat. Dieses Erheben des An-

sich und des Fur-sich aber in das selbst be-

stimmte Thun, bringt einen ungeheuren Un-

terschied hervor. Es ist der unendliche Unter-schied, der z. B. den abstracten Menschen überhauptvom Menschen, der die concrete Entwick-

iung seiner Bestimmungen in den hochsten

Spharen des Geistes sich angeeignet hat, d. h. das

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< T 7 tnoch relativ abstracte Ich, von dem sich ans sich,zur concretesten Personlichkeit bestimmenden Ich

tt'ennt. Wird nun in solcher Weise das An-sich

und das Für-sich der vorigen Stufen, die hôchstc

Synthesis, einerseits aus einer nur unmittelbar-

ren und dann andrerseits aus einer nur bewuss-

ten in eine dritte seibstvollbrachte Einheit

erhoben, so ist das specifischangemesseneElémentfür die Realitat dieses Inhalts nicht mehr

a) das sinnliche, unmittelbare Daseyn des Getst!-

gen, die leilalichmenschliche Gestatt z. B., ais

natûrIicheAeussertichkeit, – auch nicht

mehr

b)die

selbstbewusstelnnerlichkeit, a!s dieabstracte Uebersinnjichkeit, sondern

c) die erst wirklicheDurchdringnng des Aeussern

und Innern im Processe des absoluten Thuns,durchwelches das im Innern erinnerteAeus-

sere sich wieder aussert, ohne sich zu

veraussern.

So hort die Einheit der menschlichen und

gottlichen Natur auf, bloss einerseits eine sinnlich

individueUe zu seyn, welcher Standpunkt schontangst überwunden ist, bloss andrerseits eine nur

gewusste und nur durch das geistige Wissen und

im Geiste zu realisirendeEinheit zu seyn, son-dern sie wird jetzt eine s e bst vo br achte durch

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nsammengehendeReaiitat, fiir die Subject-Ob-

~ectivitat,den speculativenWillen, welcher ais gei-

stiger zur Freiheit aus sich selbst hinstrebt und

seine Versëhnung endlich in der absolut geistigenWirklichkeit sucht und hat. Diese erinnerte,

aber doch neu hervorgebrachte Welt wird denIn-hatt der Zukunft ausmachen und deshalb aïs die-

ses Innere im Aeusseren sich selbst adaquat dar-

stellen. So wird der absolute Friede der ïnner-

lichkeit mit derAeusserlichkeit gefeiert und diesersowohl im Aeussern ais im Innern den gegensei-tigenSieg, durchweichen dassinniichErscheinendeseiner Werthlosigkeit entnommen wird, erscheinen

lassen.

So haben wir den Uebergang mit den eigenenAusdrücken Hegels geschildert und nur deren Re-sultate dabei verandert, oder, eigentlich gesagt,haben wir diese umeine Stufe hôher verschoben;denn das, was bei Hegel schon Résultat war undats Letztes gelten woUte, hat uns bloss aïs Ver-

mittlungsglied gedient und nur a!s Vorletztes ssich legitimirt. Wir haben es also seibst im Wi-

derspruche begriffen erkannt, und dadurch entstanddie Forderung, zu einer weiteren Synthesis fort-zuschreiten. Wir kündigen also der Philosophieats solcher eine neue Epoche an, wo sie, wennauch ihr eigentlichstes Element und ihren Stand-

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9

punkt verlassend, nichts desto weniger ein Fort-

schritt des Geistes wird. Von der andern Seite

aber, so wie die Kunst, sobald sie über sich selbst

hinaus war, obgleich auf eine hohereStufe empor-

gehoben, doch vor der aufgehendenSonne des

Denkens und der Philosophie weichen musste, undihre sonstige absoluteGeltung fur sich gegen eine

Dienstbarkeit der Innerlichkeit des Denkens ver-

tauschte so muss sich auch die Philosophie

kûnftig gefallen lassen, hauptsachUchangewandt t

zu werden, und so wie die Poesie der Kunst in

die Prosa des Denkens hinübertrat, so muss die

Philosophie aus der Hôhe der Theorie in die Ge-

Mideder Praxis herabsteigen. Die practische Phi-

losophie, oder eigentlicher gesagt, die Philoso-

phie der Praxis, – deren concreteste Einwir-

kung auf das Leben und die socialen Verhaltnisse,die Entwicklung der Wahrheit in der concr e-

te n Thatigkelt – diess ist das künftige Loos

der Philosophie fiberhaupt. Man darf dieses so

wenig für eine ihrer unwürdige Stellung halten,aïs in Beziehung auf  die Kunst deren untergeord-netes Verhaltniss zur Innerlichkeit des Denkens im

Romantischen. Dass dieses aber eine Verschiebungihres eigenen Wesens und eine partielle Abdica-

tion sey, ist andrerseits riicht zu leugnen, und der

Grund davon ist schon genug in der Nichterreich-

9

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13t

T~nttt~~)~!~t~H!h

9.

deckung der Methode ist wirklich die langst er-sehnte Entdeckung des Steins der Weisen;–

 jetzt also kommt es darauf an, die Wunder zu

erzeugen, welche in der Macht dieses Steins

liegen. Die Philosophie wird wohl noch Vieles

entdecken, sich setbst aber hat sie bereits s

entdeckt~ und darum eben (tbertebt sie sich in

diesemAugenblicke. Die Epoche derPhitosophieist auch in der Entwicklung des Wettgeistes garnicht beeintrachtigt gewesen, denh vonAristoteles

bis zu Hegel feiert sie ihre B!<ithe. Wenn das

Denken atso jetzt seinen Culminationspunkt er-

reicht und seine wesentliche Aufgabe gelost hat,so Muss es durch denFortschritt selbst z urü c k-

treten d. h. aus seiner Reinheit in ein fremdes

Element übergehen. Wir woUen uns also nicht

scheuen es auszusprechen, die Philosophie wird

von jetzt an beginnen angewandtzu werden.

Sie bleibt dabei immer Setbstzweck in sich, wie

dieKunst, aber, indem sie aufhôrt, a~s wlchtigster

Mitteipunkt des Geistes zu getten, fangt ihre re-

lative Dienstbarkeit an. Ihr nachstes Schicksal

ist, sich zu poputarisiren, ihren esoterischen Cha-racter in einen exoterischen zu verwandein, mit

einem Worte, wenn man dièseAntinomie des Aus-

dt'ucks gelten lassen wiU, sie muss sich in diee

Tiefe verflachen; denn Alle sind zu ihr be-

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den eben die Résultats der kûnftigenRichtung der

Philosophie seyn. Dagegen aber mochte es ein

grober Missgritf  seyn, der Philosophie zur Liebe

die Normalitât der heutigen überhaupt practi-schen Welttendenz zu

verkennen*).

') Diese die absolute Entwicklung des Geistes iiberhaupt undderen specifische Hauptformen berührende Betrachtungen warendurchaus unentbehriich, um xu dem dritten noch nicht aufgestell-ten teleologischen Standpunkte der Weltgeschichte zu gelangen.

Obgleich ich hier nur Nuchtige Andeutungen einer kiinftig durch-

zufuh'enden Auseinandersetzung gegeben habe, so glaube ich doch

genug gesagt zu haben, um etwa die grobsten Missverstandnisse

hervorzurufen. Die Bestimmungen namlich, welche wir für

das Bestimmende der kiinftigen Richtung angegeben haben,eben darum weil sie erst künftig zur bestimmten Durch-

arbeitung kommen sollten, sind bis jetzt entweder vernach-lassigt oder sogar falsch abgehandett; weshalb gewiss eineMengewissenschaMichet'Vorurtheile gegen die Innovation sich strau-

ben wird. So z. B. wird wahrsclieinlich derWil!einseinerMos*

sen Subjectivitat, ja sogar Particularisât und Zufa!)igkeit verstan-

den seyn so wird das Gute aïs etwas Meintieh Practisches be-

traclitet, wobei der Nutzen für das Hochste angegeben seyn wird,und aïs selbst mit dem Gegensatze des Theoretischen und Pra-

ctischen behaftet. Mit der That wird man vielleicht im Anfangenicht ins Klare kommen konnen, indem sie im Vergleich zu den

iibrigen Gcgenstanden der Phitosophie a)s etwas noch Frem-

des angesehen werden wird. Ich bin noch ausserdem gewiss,dass solche falsche Auseinandersetzungen selbst von speculativen

Kopfen hen-uhren konnen, die, nachdem sie uns ihre Auffassunggehehen haben dann sich bem~ihen werden, das lang und breit

zu bekampfen, was sie sich eingebildet haben, dass es unsere

Meinung sey. Diejenigen namiich, die sich auf einer betrachtii-

chen Hohe der Speculation befinden, sind manchmal vom Schwin-

det so befallen, dass sie nur das klar einsehen, was sich geradein ihrem Niveau befindet, nicht dasjenige, was wirklich niedri.

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Alles bisher Gesagte lasst sich sonach ia der

fotgendenDarsteltung der Hauptstadien des Geistes

iormuliren

ger bleibt und wodurch sic sich selbst hindurchzuwinden hat-

ten. Was aber wirklich iiber sie hinausragt, versetzen sie durch

eine optische Tauschung in eine niedrigere Région und mit demfestesten Bewusstseyn halten sic es &oMM~/«/<;fiirctwas, worüber

sie schon langst hinaus sind. Ja, dieses Bewusstseyn scheint ih-

nen so klar zu seyn, dass sie sogar im Stande sind, die Za ill

der Treppon gonau zu bestimmen, wodurch sic dassolbeuber-

ragen. Gegen eine so eigentliclie Verblendung ist kein anderes

Mittel, aïs einigo Jahre des Fortschrittes abzuwarten, welche das

richtige Verhaltniss dieser Stufen aufktaren werden. Ich weisssehr wohl, dass Tausehung auf  beiden Seiten statt finden kann,und dass .einersoits diejenigen, welche nach ihrem System und

nach dem ENtwicklungsproccsse des Bewusstseyns sich eine be-

stimmte Stelle angeben konnen, wo der vorgebliche Irrthum stek-ken soll, aus diesem Bewusstseyn eben viel negative Kraft hoien

konnen, um dieser fiir ait gehaltenen Neuerung zu widerstehen;aber andrerseits kann ich nicht umhin, darauf  aufmorksam zu

machen, dass diese abstract systematische Stellenanweisung unddiese für zuvei'Iassig angesehene Rcchenschaft wohl nicht auf 

Begriffen, sondern auf  vorgefassten Meinungen und Vorstellungengegriindet seyn konnen, welche Vorurtheile ihrerseits in dem nochnicht absolut durchgefuhrten philosopbischen Inhatte ihren Grundhaben: denn so sehr ein gegenwârtigerPhUosoph von dcrWtch-

tigkeit der entdecktcn Méthode eingenommen seyn kann, so wird

gewiss keiner behaupten, das System der Philosophie sey schonabsolut constituit-t; wo also darin Lücken oder sogar falsch an-

geftihrte Bestimmungen vorkommen, da kann sich ebcn der Grunddes Furwahrhaltens des h'rthums und umgekehrt des Nicht-Für-

wahrhaltens der hoheren Wahrheit verbergen.So sehr mir das Anticipations-PpIemische zuwider ist, so sehe

ich mich doch manchmai genothiget, darauf  einxu~ehen, um mei-nen etwaigen Gegnern abgeschmakte Einwendungen zu ersparen.Jede positive Schrift wird, meiner Ansicht nach, dureh dasPoJemisohe verunreinigt, aber cs gehôrt nur dem im Bodon der

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I) as Stadium derSchonheit, wo dastnnere (derBegriff) dem Aeusseren (der Objectivitat) ent-

spricht, aber nm' als das Besondere, ats dasunmittelbare Dieses, a!s Particularitât, ausseres

Ding etc.

2) Das Stadium derWahrheit, wo ùmgekehrt die

Objectivitat demBegnir entspricht, wo nichtmehr das Aeussertiche das Receptakel dieser

Vereinigung ist, sondern das A!!gemeine selbst,nicht mehrDieses, dasDing u.s.w., son-

dern ailes Wirk)iche, das Wesen, die Idee.

3) Das Stadium der Gûte in ihrer hôchsten Be-

deutung, keinesweges als btoss dem Wahren

entgegengesetzt,sondern

aïs hochste Identitâtdes Begriffes mit der Objectivitat, welche

a) nicht meht' bloss ausserlich im Diesen ais

Be'sonderheit, nicht mehr

b) bloss innerlich in Allem als Allgemein-heit, sondern

c) InnerMch und ausseriieh ais concrete Ein-

z e 1n h eit erscheint, welches Einzelne

Wissenschaft fest angewnrzelten und selbst beschirmenden Den-ker, von diesem ganz zu abstrahiren, weil dessen schon an-

erkMnte Macht und ausserdem die unter seinem Schutze auf-w~chsenden Gewiichse ihn genug vor Anfeindungeh schiitzen; aberwir jungenSprossiingo auf  dem Felde der Wissenschaftmussenuns oft selbst mit Stacheln bewaffnen, um dem umherweidenden.~e~fM/Mpecus Widerstand leisten zu ktfnnen.

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schlechthin das Wirkende seiner

selbst ist.

Es ist also nicht mehr das Unmittelbare und

insofern das Nichtzureichendeats blosses E n t-

sprechen im Verhaltniss zum Andern; es ist

auch nicht mehr das bloss Vermittelte seibst, dasklar Zu-sich-gekommene im Verhâltnisse zu

sic h, sondern es ist das Concreteste, absolut Ver-

nuttelte,Selbstwirkende aus sich, welches da-

bei eben seiner Concretheit wegen das Vorigein sich begreift, also zugleich durchaus an und fur

sich ist. Das Gute die That – der Wille,diess ist also der Kern der neu einzuschlagenden

Richtung.In der Kunst ist also die Identitat des Denkens

und Seyns schon zum ersten Male vollbracht, aber

einseitig – unmittelbar auf sinnlicheWeise.

In der Philosophie ist sie gleichfaUs zum z we i-

tenMate voUbracht, aber umgekehrtauf  über-

sinnliche, reffectirte, also auch einseitige Weise.Im socialen Leben und Wirken aber wird dieseEinheit zumdrittenMale ~T' ~o~~ vollbracht,

in aUseitigerabsolut vermittelter Weise; und diessauf  Kosten des SoHens, denn erst auf  dieserStufe wird das SoUen in der Wirklichkeit durchdas Thun aus demDenken – in das Seynubergehen. In dem Hauptschlusse des Universurns

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wird also das Thun ats /fr~ï/~u~ wcJ/MA erschei-

nen, obgleich sich in andrer Hinsicht der Syllogi-smus auch anders gestalten kann.

Um aber wieder zu unserer speciellen Unter-

suchung zurûckzukehren, so konnen wir unserenneuen teleologischen Standpunkt der Weltge-schichte durch folgende Définition formuMren:

die Weltgeschichte ist der Entwicklungsprocessdes Geistes der Menschheit in der Empfindung,im Bewusstseyn, und in der Bethatigung des

Schônen, Wahren und Guten, ein Entwicklungs-

process, den wir in seiner Nothwendigkeit, Zu-

~itigkeit uud Freiheit zu erkennen haben.

Die Analysis dieser Definition wird uns denganzen Standpunkt aufdecken. Dadieser ein drit-

ter ist, so ist er ûberhaupt synthetisch, d. h.

er begnûgt sich nicht mit der Aufstellung eines

s pe ci f i s c he nPrincips, welches unterschiedenvon

den frühern ware, obgleich es sich selbst aus ih-

nen heraus entwickelt hatte; sondern es hebt diese

i'rûheren speculativ auf, d.h. integrirt dieselben in

sich aïs Momente seiner seibst. Darum beschran-

ken wir uns nicht in dieserDefinition auf das neu-hinzukommendeElement, sondern wir lassen das-eselbe sich in den vergangenen Stadien selbst ab-

spiegein, so wie wir umgekehrt auch die Re-

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1~8

flexion der vorigen Stufen in der neuen

statuiren. Daraus sind uns neun Factoren entstan-

den, welche sich in der Definition befinden und

die wir wechselseitig fotgendermassen zu combi-

niren haben:

~f) Die antike Welt ist die Welt der un-mittelbaren Empfindung und unter dieser Forn)

des Geistes ais erste Totalitât hat sich in ihr die

Schônheit, Wahrheit und Freiheit ent~'ic~elt.

a) Die Schônheit ~ar unter dieser Form zu

Hause, denn die Kunst ist eben die sinnlich un-

mitteibare Stufe der Synthesis,– das Aiterthum

aber ist die Periode des Seyns.

À) Die Wahrheit aber oi~enbarte sich uns an-

ticipationsweise darum ist dort die Philosophieentweder Stûckwerk, wie die orientalische und alt-

griechische, oder Kunstwerk, wie z. B. die platoni-

sche, und so bis zum Aristoteles, der eigentlichauf  dem Felde des Denkens die neue Aera er-

oiTnete, wetche auf dem wirkiicheït Felde der ge-schichthchen Begebenheiten sich erst von derVo!-

kerwanderung datirt, oder endlich war sie zu-

fâHigeund

passive Nachahmung, wie die rômische.c) Das praktischeGute ist noch destomehr

anticipirtj da dieses Dritte aber eine Rückkehr

zu der ersten Unmittetbarkeit in sich schliesst,so ist in der antiken Wf'it dieses naturgemass s

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schon geboren. Darum sind die Staaten des

Atterthums im Allgemeinen Naturstaaten, mit

welchemCharacter selbst der griechische Staat be-

haftet bleibt, denn die griechische Sittlichkeit ist

eine angeborne, vorgefundene, instinkt-massige undgarnichtdurchdieSubjectivitat des

Denkens vermittelte Sittlichkelt. Deswegen drûckt

siehHegel IrrthfitnUchaus,indemer sagt, dass das

Bewusstseyn der Freiheit in Griechenland zuerst

geweckt wurde. Wir behaupten dagegen; dass es

nur die Empfmdung der Freiheit war, wahread

ein Bewusstseyn darilber bis zum Christenthum

schlummerte. Und in der That ist die Griechische

Freiheit eine Freiheit derParticutaritaten und derbewusstiosenUnmittelbarkeit, nicht der Mensch

aïs Mensch, d. h. seiner abstracten Attgemeinheit

nach, war aïs frei d. h. aïs Se!bstzweck,welches das

hôchste teleologische Gute ist, gewusst, sondern

nur, der durch Naturzufall aïs Grieche geboren war.

Dasseibe ist in Rom der Fait, nur mit dem Un-

terschiede des sich nach aussen unmittelbar wer-

fenden Geistes, wahrend sich der griechische in

sich selbst gentigte. Die Particularitit und

Zut'atUgkeit ist aber eben die F or mderEfn

pfindung, wahrend die Allgemeinheit und Noth-

wendigkeit dem wahren Bewusstseyn anheim-

fallen. ln der Empundung ist wohl auch Bewusst-

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seyn, aber nur an sich, nicht Bewusstseyn als sol-

ches, welches erst im W!ssen zu seiner eigenen

Bedeutung und Entfaltung kommt.

 jB) Das Bewusstseyn des Weltgeistes ist

erst mit dem Christenthum erwacht.

a) Zur Schônheit zuerst war sein Verhahnissdas des Ueb e rr a g e n s, die Kunst in ihrei'B)ûtIiH

war etwas Vorubergegangenes für es, darum hat

das lnnere (der Begriff) das Aeussere (die Objec-

tivitat) übereilt und die Plastik ist in die denkende

Romantik ûbergegangen. Indem aber das rein ad-

aquate Verhaltniss der Classicitat zerstürt wurde,steHte sich dasBe~nsstseyn der Empfindung ge-

genüber, und so ging endlich die unmittetbare Pra-

xis der Kunst, namtich subjectiv genommen die

Inspiration in deren Theorie uber und statt

Kunstwerke erzeugte derWettgeist dieAesthetik.

b) Dagegen zur Wahrheit t befindet sich

hier das Bewusstseyn in seinem normalen Ver-

hattnisse. Denn die moderne Welt ist die P e-

riode des Denkens. Mit dem Christenthum

ging der Weltgeist in sich, die Religion nahm

selbst dieForm des Denkens undErkennens

an, der Gt aube wurde ais der seligmachende auf-

gestellt und das Christenthum hat uns die hoch-

steWahrheit o(!'enbart.t. Darum war es ganz an-

gemessen, dass im Anfange das D e n k e n d es De n-

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k e ns d.h. die Philosophie in dieDienste der Theo-

logie trat; denn sie hatte dort die ganze Fülle des

wahren Inhalts als gegeben. Ihre spatere Los-

trennung von der Theologie war nur um der hohe-

ren Vereinigung willen, welche sich  jetzt kund

giebt; denn die Wahrheit, welche mit dem Chri-stenthum in unmittelbarerForm der religiosenVor-

stellung hervortrat, wurde jetzt durch die Specu-lation zum Glpfet des Denkens hinaufgefûhrt, wel-

ches dieselbe als seinen einzigen und vollen Inhalt

anerkennt. In sich selbst endlich hat sich das Be-

wusstseyn zu seinemApogeumemporgearbeitetund

das Denken hat sich, wie gesagt, als das herr-

schende Princip derWeltsynthesis

aufgestellt.

c) Zum Guten aber steht noch das Bewusst-

seyn imVerhaitnisse einer Pramisse zu seinerCon-

sequenz, atso ist seine Stellung eine nicht concret

angemessene, sondern noch abstracte. Darum ist

die Freiheit, deren Begriff  es ist, absolut concret

zu seyn, hier nur in ihrer ideellsten Abstraction

hervorgetreten und beim Erwachen des Bewusst-

seyns ist nur der abstracte Mensch a!s frei an-

erkannt, d. h. seiner blossen Angemeinheit nach,im Gegensatze zum besonderen Element des Al-

terthums. Auf dieser Stufe ist also die Freiheit

eine bloss IdeeUe,wahrendsie auf der vorigen eine

nur reeUe war, was beiderseitig unzureichend ist.

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Die Abstraction dieses Standpunktes ist durch des-

sen Subjectivitat, welche hierdasLeitende

ist, auf die Spitze getrieben worden, was ebenden Protestantismus in der Sphare der Religionund den LiberaMsmusin der Sphare der Politik

hervon'ief. Dièse beiden Fonnen des religiôsenund politischen Lebens sind aber bloss die Spit-zen der abstracten Subjectivitât; und diese Einsei-

tigkeit, womit das Eine wie das Andere behaftet

ist, sowle die daraus entspringendeLeerheit, ist es

eben, gegen die sich die Conservativen und Aucto-ritats-Manner strauben.

Dielchheit ist wohl dieses grosse Bewegungs-

princip, was die neueste Zeit herausgebildet hat

und deren Berechtigung auch das Wahre in dieserSphare ausmacht; aber dasUnwahre ist das Blei-ben bei dessen relativer Leerheit. Das Ich mussconcret t werden,und diess wird es erst durch denProcess des Thuns. Im Denken aber, wenn auchauf seiner speculativ-concretesten Stufe, bleibt esdoch im Verhaltniss zum Universum abstract. Soist der abstracte Mensch, aïs nur allgemeines Ich,so lange abstract, als er noch nicht Eigenthùmerist; erst ais Eigenthùmer ist der Mensch eige-ner und figentlicherMensch, unddiess ist diennmittelbarsteStufe seiner Concretheit, welche wir

gar nicht wiederumin der abstract rechtitchen, son-

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dern in der huchsten sitttichenBeziehung hier

nehmen.

Man hat also ganz richtig gesagt, dass die re-

vo)utionarenBewegungenunsererZeit aus der Phi-

losophie hervorgegangen sind; aber man batte hin

zufugen sollen, dass, nachdem die Philosophie ihre

Ctaasicitat erreicht haben werde, umgekehrt aus

ihr eine Evolution zu erwarten ware, welche das

Abstracte, das direkt aus ihr stammt, vermittehi

und zum positiv Concreten herausgestattenwird. Damit ist gar keine Rfickkehr in den alten

Schlendnan gemeint; denn das, worüber die Welt-

geschichte ihr Urtheit gefâHt hat, ist nicht mehr

neu zu beleben, sondern es handelt sich hier um

dieAnerkennung der

Positivitat des ver-

lassenen Standpunktes und der relativen Leer-

heit und Abstraction, welche das rein Theo-

retische im Practischen erzeugte. Sobald diess

speculativ aufgefasst seyn wird, werden wir zum

dritten Standpunkt getangen, namiich:

C) zur wirklichén Bethâtigung aller fi'ûhe-'

ren Elemente, welche selbst wieder die herrschende

Richtung der Zukunft seyn wird. Auf dieser

Stufe wird der Weltgeist sich verhalten:<x) zum Schonen, wie Schiller es verlangt;

welcher diewirkticheTeteologie der Weltgeschichteaus dem Standpunkte der Kunst aufstellte. Die

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absolute Kunstausbildung der Menschheit wird ge-wissermassen eine Rückkehr zur antiken Welt

bilden, ohne sich der modernen zu entfremden.

Es wird eine Erheiterung des Lebens ohne Ver-

lust der tief in sichzurtickgehenden

Innerlichkeit

seyn; nur der Zwiespalt wird aufgehoben, welcher

so viele Wehen, aber auch so viele innere Ge-

nùsse derMenschheitverursacht hat. Es wird also

nicht ein Zurûckgehen und Herabsteigen auf das

natûrUcheLeben, sondern eine Zuruckziehung und

Erhebung des Naturlebens zu uns seyn. Da diess

aber mit Bewusstseyn geschehen soll, so verwan-

delt sich eben diess frische Naturlebenin ein noch

reicheres Kunstleben. Unser gegenwartiges Lebendagegen ist wohl ein kûnstliches Leben, aber

kein wahres Kunstteben, zu welchem wir uns

bis  jetzt nur hinsehnen. Da wir aber eingestehenmüssen, unser Leben sey wirklich dénaturé, so

ist die Sehnsucht nach der Natur nicht durch den

bertihmtenAusspruch ,,jRe~oMrMOM~a /<ï nature;"sondern vielmehr durch den folgenden ,,Erhebenwir die Natur bis zu uns," zu bestimmen.

Damit wird gesagt, dass die Ausbildungder Naturzu demPunkte reifen muss, wo dieselbe als ange-messenes Receptacuhim für den Geist erscheinen

wird, und dass die stufenmassigeVersobnung des

Geistes mit der Natur, ganz der Versobnung des

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JO

Menschen mit Gott in den vergangenen Offenba-

rungsstufen anatog, zu ihrem absoluten Stadium

gelangen so!L

Das Sot!en hier, so wie in allem Foigenden,ist durchaus keinMangel derSpeculation;

denn die Bestimmungen, welche wir aufstetien, sindemZuktinftiges, demabereine ganz bestimmte

Stelle im Processe des Weltgeistes angewiesen ist.

Ueberhaupt ist das Sollen erst durch das Thun

vüllig zu besiegen.

b) Zum Wahren wird dagegen das Verhâlt-

niss des Wettgeistes nicht das der Rückkehr seyn,da er sich eben noch auf dieser Stufe befindet,

sondern es ist (ausser dem Bewusstseyn über seine

Thaten) hauptsachlich das des Uebersetzens der

Wahrheit vom Denken in das Thun. Der

berûhmte und benichtigte Satz Hegel's, dass alles

Vernünftige wirklich und alles Wirkliche vernünftig

sey, fordert noch diejenige Correction, dass sowohl

das Vernûnftige a)s auch das Wirkliche nur Ent-

wicklungsresultate sind, d. h. dass auf  bestimmten

Stadien des Geistes das Vernûnftige mit dem Wirk-

lichen zusammenfa)lt, damit nachher dialektisch

eins über das andere wechseiseitig hinausgehe;und daraus entstehen die Epochen des Zwiespaltes

in der Weltgeschichte. Die Wirklichkeit macht

sich bestandig der Vernûnftigkeit angemessener r

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und dieser EntwicklungsprocessBeider trennt sich

nur desshatb in zwei Seiten, um auf  einer h obè-

ren Stufe wieder zusammen zu fallen.

Wenn atso das Vernùnftige jetzt eben zur

Losung seiner inneren Widersprûche angelangt ist,

so muss eben derselbe Sieg in derWifkHch-keit gefeiert werden: denn wie es im Entwick-

lungsgange desGeistesnureinePhitosophie giebt,welche die Bestimmung hat, endlichzu sich selbst

zu kommen und sich organisch aufzufassen, so ist

derseibe Process auch der Wirklichkeit eigen und

es giebt nur Eine normale Entfaitung des socia-

tenLebens, welches mit der Reife des Denkens

erst seine wahre Laufbahn betreten kann. So

nahert sich die reai objective Dialektik desL eben s Ihrem hochst vermittelten Standpunkte,und die Widersprûche der Zeit treten nur

darum so grell hervor, weil sie ihrem UmscMagenund ihrer Losung selbst entgegen reifen. Ich lenke

die Aufmerksamkeit der speculativen Denker auf 

das System F o ur i er's, nicht dass ich die Grund-

manget verkennensollte, weiche diess System noctt

zur Utopie machen, sondern um zu

zeigen,dass

zur Entwickiung der organischen Wahrheit t

in der Wirklichkeit ein bedeutender Schritt

gemacht worden sey. Freifich steht dieser Orga-nismus noch auf der Stufe des Mechanismus,

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Verhattnisse zu angstlich zu seyn; denn gerade,was den Utopien fehlt, ist eben gar nicht diess,dass sie zu vernunftig für die Wirklichkeit, son-dern umgekehrt, dass sie es nicht genug sind.Die Utopie, statt dass sie der Wirklichkeit sich

am meisten zu uahern meint, entfernt sich geradevon derselben. Um eine Wahrheit zu entwik-

keln, kann man nicht genug ideell seyn; denndas reelle Gute ist nur deren andere Seite. Das

System Fourier's ist also darum eine Utopie, weiles zu sehr mit einer vorgefassten Wirklichkeit

capitulirt, nichts desto weniger ist es das Specu-lativste, wenn auch keinesweges in speculativerForm und mit speculativemBewusstseyn, was über

die gegenwartigen Verhaltnisse des Lebens gesagtworden ist; – und das wird ein Jeder einsehen,der das Speculative im Ocean von Zufâlligkeitennur als instinktmassig Hervorgebrachtes zu erken-nen im Stande ist. Also nicht d emSystem Fou-

,ner's gehôrt die Zukunft an, wie er gemeint hat,woht aber gehort das System selbst der Zukunft

an, d. h. es ist einbedeutendes Mornent zurAus-

bUdungderwahren

Wirklichkeit,aber auch nur

~ein Moment, ja sogar in einer sehr beschrunk-

ten Sphare. So wie alles Neue nie mit einemMale in die We)t heraustritt, so ist auch keine

Utopie von vorn herein in der We!t zu reaiisiren

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also wenn das Vernunitige von dem Wirktichen

getrennt ist, so mussen sie beide gegeneinander

gravitiren und sich durch unvollkommne Versoit-

nungen immer mehr nahern, bis sie endlich orga-nisch zusammenfallen. An ein einseitiges Ein-

hoten ist gar nicht zu denken.Wie früher also die Schonheit des Lebens,

dessen Kunstausbildung und die Réintégra-tion der Natur, so ist hier dieWahrheit des

Le b e n s, und die wahre Los ung dersocia-

ten Widersprüche e in der Wirklichkeit die

zweite Forderung, welche wir an die Zukunft

machen.

c) Zum Guten wird sich aber auf diesem

Standpunkt die Bethatigung des Weltgeistes, wiezu seinem eigensten Element verhalten; denn in

Beziehung auf  die Schonheit sahen wir, dass er

zu ihr erst zurùckkehren musse, in Beziehungauf die Wahrheit dagegen, in deren Besitz er sich

befindet, dass er dieselbe in die objective Wirk-

lichkeit zu ü b e r s e t z e nhabe. Das positive Gute,namiich das wirklich Teleologische, hat der Welt-

geist aus sich seibst zu entwickeln. Diess ist

in keiner Hinsicht mehr das abstracte, sondern das

für die Weltgeschichte absolut concreteste und be-

stimmte, da der Weltgeist aus dem bisherigen We r-

den in ein bestimmtes Da s e y n kommt, welches

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wohl seinerseits noch Werden b!eibt, d.h. a}s

sich immer mehr entwickelndes Daseyn. Dieses

zum einzelnen Daseyn durch besondre

Hauptformen der Weltgeschichte sich ent-

faltende aUgemeine Werden des Weltgeistes

ist das positive Resultat des ganzen Proces-ses, die wiridichen Schopfungen, zunachst aïs un-

bewusste Thatsachen, dann aber ais bewusste

Thaten der Menschheit, welche die Institut! o-

nen sind.

Das System der Institutionen ist iur die Idee

der Weltgeschichte, was das System der be s t i mm-

ten Kün s t fiir die Idee der Schonheit überhauptist. Die unterschiedenen Richtungen des Welt-

geistes, welche sich oft zu Widerpruchen gestal-teten, gelangen hier zur organischen Ineinsbil-

dung, und jedes ahstracte Element des Lebensder Menschheit findet in ihr das die se mange-messene Feld in der Objectivitat, in wel-cher es sich autonomisch (denn dièse Autono-mie ist hier die synthetische, aiso nicht mehr im

Gegensatze begriffene, die folglich bereits die He-teronomie in sich schliesst) bewegen kann. Die-

ses positive, in sich organische System derInstitutionen ist erst diewirkHche c oncrêtee Frei-

heit aber umgekehrt ist es nichts weniger als diess

Abstracte, einseitig aus der Subjectivitat Herstam-

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mende und Leere, was man mit diesem Namennoch  jetzt beehrt: denn wo es keinen affirmativen

Grund, kein bestimmtes Daseyn, ja man kônnte

sagen, keine durch den Begriff beschrankte Wirk-lichkeit (demi allesWirkliche ist beschrankt) giebt,da

giebtes auch keine

speculativeFreiheit. Da

die Freiheit ùberhaupt ein Synthetisches ist, so istdas liberurn arbitrium keinesweges ihr Principü.berhaupt, es ist nur eins von ihren Principien.Wenn also Leibnitz zu sagen wagte: ,ï' meroDei 0!rÂ/i(/0~M'/{~7omnino ~rO/?CMC/  /?0~was wollen wir also ,,<Mpmero ~o~/ïM a'Â//7'/o"Gutes hervorbringen lassen. Wie die concrete eFreiheit das hôchste Gute ist, so ist also die

abstracte Freiheit das hochste Uebel, die wirklichesociale Erbsûnde, welche durch den organischenZustand der Menschheit für dieselbe sogetilgt wer-den wird, wie sie es bereits für den besondern

wiedergebornen Menschen ist.

Die Objectivitat der Freiheit hat sich wohldurch den ganzen Process der Geschichte aUmatich

entfaltet, aber da wir bis jetzt nur zwei Hauptsta-dien des Geistes durchgemacht haben, so sind wir

auch wirklich nur im Besitz der zwei abstractenInstitutionen-Ciassen, namHchder rechtli-chen und moraiischen. Die erste hat schonin Rom, also noch vor dem Christenthum, ihre

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ganz gereifte Ausbihtung erlebt, darum ist uxd

bleibt das romische Rechtssystem das vottkommen-

ste in seiner Abstractheit, und ûber diesen

Punkt seiner Reife hinaus ist es nicht weiter zu

fùhren. Die mit dem Christenthum erwachte und

die ganze christlich-germanische Periode durch-dringende, innere Moratitât ist gleichfaHs schon

absolut entwickelt worden, und das aUgemeine,aber doch nur in Pnvatverhattnissen sich regendeund darum-in seiner btossen ïnneriichkelt abstractc

moratische Princip hat nichts Hoheres mehr zu

entwickeln ats das, was sich bereits im Weltgeistoffenbart hat. Aber die Sittlichkeit, welche wohl

a!s dritte concrete Sphare in den beiden ab-

stracten ihr vorhergehenden Spharen auitauchenmusste, die  jedoch in  jeder, a]s nicht auf  einem

ihr selbst entsprechenden Felde, sich befand, ist

erst dazu bestimmt, ihre wahre Entwicklung zu

beginnen und in einer so adâquaten Ausbil.dungzu erscheinen, wie diess für das Recht und die

Moralitat der Fall ist. Verhdltnisse der Familie,der burgertichen GeseMschaft, des Staats etc. waren

wohl auf   jeder Stufe des Weltgeistes vorhanden,

aber sie waren immer mit der Einseitigkeit und

UnzulangUchkeit der respectiven Praemissen, in

welcher sie erschienen, behaftet, so dass die wirk-

liche und absolute Consequenz noch zu ziehen

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ûbrig bleibt. Dass diess die wirkUcheAnforderungder Zeit ist, sehen wir schon aus dem instinct-

massigen Getummct, welches sich in den wichtig-

sten, sowohl geistigen ais materiellen Interessen

der Menschheit oHenbart. Diess Getümmel ist

nicht anders zu nennen aïs ein wirklicher Elemen-tar-Process desLebens, der sich durch Fermenta-

tion, ja sogar partiell durch Putrefaction kund giebt.Der Mensch taucht also aus seiner Abstract-

heit hervor und wird ~ccT'E~o~~ zum socialen In-

dividuum. Das nackte ïch verlâsst seine Allge-rneinheit und bestimmt sich zur concreten ver-

hattnissreichen Person.

Der Staat verlasst gieichfalis seine abstracte

Abgesondertheit und wird selbst zum G tiède derrMenschheit und der concretenVolkerfamiHe.

Der Naturzustand der Volker tritt in einen Social-

zustand dersetben über, und das bisherige noch

sehi'  junge Vôlkerrecht entwickeitsich immer rei-

cher zur Votkermorat und VôtkersittUchkeit.

Die Menschheit t endlich, deren AUgemein-heit kaum im Bewusstseyn und im Denken vor-

handen seyn mochte, fasst sich concret und ieben

dig auf  und wird zur organischen Mensch-

heit, welche woht in ihrer hochsten BedeutungKirche genannt werden konnte.

So fasst sich der Weltgeist, durch die Be-

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thatigung des Schônen, Wahren und Gu-ten in sich organisch zusammenund entfaltet sichaus sich concret in eine gegliederte Totalitatwirklicher Institutionen.

tm totalenCharacter des Weltgeistes aber wu'd

sich die Bethatigung:a) des Schônen, im Geiuhie, die Liebe..

&) des Wahren, imWissen, die We is hei t

c) desGuten, imWUIen,– dieKrat't und AU

macht des Lebens.

erzeugen. Und so hat das Leben der Menschheit

dieser drei hochstenPradicate des Absotuten theil-

haftig zu werden, was eben die hôchste Ver-

klârung des Weltgeistes seyn wird.

Wit hatten noch die dritte Classe der bestim-menden Factoren unserer Définition der Weltge-schichte, namlichder P r a dic at e dieses Processes,zu untersuchen, so wie ihr Eingreifen in die Ge-

schichte und die GeschichtsschreibuHg zu cha-racterisiren.

a) Die Zufalligkeit des Fortganges der Ge-schichte ist die unmittelbarste Anschauung, die

man vom Treiben des Weltgeistes haben kann.ln der Epoche der Schonheit und der Empfindungist auch keine andere zu Mnden und diess ist eben

das, was das Anmuthige und Künstlerische an ihr

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ausmacht. Diese ZufaHigkeit aber biidet bloss

das Seyn

b) der Nothwendigkeit, welche wiederum

das Wesen des EntwicklungsprocessesIst. Die-

ser zweite Gesichtspunkt musste beim UmscMagen

des Geistes in sein Entgegengesetztes durchauseintreiTen; denn die Nothwendigkeit ist das Pra-

dicat der Wahrheit, des Be\vusstseyns und des

Denkensüberhaupt in dem betrachteten Syllogismus.tn die zweite Hauptsphare der Weltgeschichte fat!t

also die phitosophische AufTassungderselben,welche vom heiligen Augustinus stammt, und von

Hegei bis zu ihremGipfelgebracht wurde, und wo

das Wesen, ats sich nothwendig in der eingetre--

tenen Begebenheit gestaltend, hervorgehoben wird.c) Dem Wesen jedoch ist wohl die Erschei-

nung wesentlich, aberdieErscheinungûber-

haupt, nicht dièse oder je ne e ausschliesslich.

DieErscheinungmuss dem Wesen durchaus an-

gemessen seyn, aber das Feld der Angemessen-heit ist weit und die Nothwendigkeit hat die FûMe

der adaquatenMogiichkeitvor sich, um in dieWirk-

lichkeit zu treten. Indem wir so die Nothwen-

digkeit des wesentlichenProcesses statuiren, beein-triichtigen wir keinesweges die Zufalligkeit, und

umgekehrt kehren wir zu ihr zuruck; denn bloss

die gegenseitige Durchdringung dieser Momente

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erzeugt die Freiheit, welche der wirkliche Bc

grifi des Entwickiungsprocesses ist.

In dem System der Historiosophie aber wird

die Steitung der Pramissen umgekehrt seyn denn

wir gehen vom Denken als vom absoluten Prius

aus,und mussen im ersten

speculativenTheile

 /??'/o/  die nothwendigen Gesetze der Entwick-

tung aufstellen, welche dann im zweiten empiri-r i s c h e n Theitea /?o~or/, a!s durch eineFûHe

von zufat)igen Begebenheiten erscheinend, nach-

gewiesen werden. Wie also im ersten Theile der

Begriff  der Weltgeschichte, und deren Genesis s

apodiktisch aufzustellen sind, so wird der zweite

die Realitat dieses BegriiTes und die Analysis

dieserRealitat bilden, was aber eben das probte-matische Feld der Geschichte ist; denn wir ha-

ben erkannt, dass der Lauf der Begebenheiten im-

mer zufaHig, aber in dieserZufaUigkeitdemWe-sen angemessen bleihen muss, wenn wir der Frei-

heit des Geistes nicht zum Vortheil der Nothwen-

digkeit prajudiciren wollen. Diese Principien des

ersten Theils ats nothwendige Gesetze des Den-

kens miissen auch streng dialektisch abgeteitet wer-

den und durchaus in der Erscheinung, d. h. in denBegebenheiten, auftauchen; diese dagegen, welcheden Inhalt des zweiten Theils ausmachen, sind ganzunbefangen nach der Natur zu maien, unter der

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8/9/2019 August von Cieszkowski - Prolegomena zur Historiosophie (1838)

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Bedingung, in ihnen immer den feUenden Gedan-

ken anzuerkennen. Aus diesen entgegengesetzteT)

Betrachhtngsweiscn entsteht endlich der dritte syn-thetischeTheit der Historiosophie, welcher eben,die Idee der Menschheit in der specuJativenFreiheit ihres Processes durch die Hauptrichtun-

gen des Geistes verfbJ~eBd,, das derselben hcstan-

dig angemessener~J~~6y~~))~~n concretenïn-

s <i t u t ) one n zu .Mt~j~ ~èÍn wird.

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